Pflegeeltern über ihre Erfahrungen mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst in den Bezirken
Hamburg. Mangelnde Kontrollen bei Pflegefamilien, überlastete Jugendamtsmitarbeiter und ein leichtfertiger Umgang mit Pflegekindern - das ist sicher nicht die Regel, aber auch keine Ausnahme. Die Erfahrungsberichte von Pflegefamilien mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) der Jugendämter fallen unterschiedlich aus. Im Abendblatt schildern Pflegeeltern und deren Verbände ihre Erlebnisse mit dem Jugendamt und freien Trägern.
Die Verbandsvorsitzende
Birgit Nabert wirft dem Jugendamt Mitte "massive institutionelle Kindeswohlgefährdung" und "willkürlichen Umgang" mit Pflegeeltern vor. Nabert ist Vorsitzende des Landesverbandes für Kinder in Adoptiv- und Pflegefamilien in Schleswig-Holstein. Der Verein betreut Pflegefamilien aus ganz Norddeutschland, die in Konflikt mit Jugendämtern geraten sind. "Mitarbeiter des Jugendamts Mitte bearbeiten Fälle, ohne das Kind oder die Pflegeeltern überhaupt zu kennen", sagt Nabert.
Sie betreut einen Fall, bei dem das Jugendamt ein Pflegekind aus der Familie nehmen will. Der Grund: angebliche Kindeswohlgefährdung. "Aber Jugendamtsmitarbeiter haben weder das Kind noch die Pflegeeltern je gesehen. Da wird nur nach Aktenlage entschieden", beklagt sie. Sie selbst sei im Jugendamt fälschlicherweise als Pflegemutter begrüßt worden, während die eigentliche Pflegemutter, die sie begleitete, neben ihr saß. Seit mittlerweile drei Jahren gebe es einen Gutachterstreit, sagt Nabert. Auch wenn dieser Fall die umgekehrten Vorzeichen des Falls Chantal habe, sei er doch symptomatisch, so ihre Überzeugung. "Er zeigt, dass das Jugendamt einfach fehlerhaft arbeitet."
Der Pflegevater
Dass die Mitarbeiter des ASD völlig überlastet sind, bestätigt auch ein Pflegevater, der sich mit seiner Frau seit fünf Jahren um ein Kind kümmert. Seinen Namen möchte er nicht nennen, weil er Angst hat, dass seine Anliegen beim Jugendamt künftig dann nicht mehr sofort bearbeitet würden. "Die Begleitung und Beratung durch den freien Träger läuft bei uns sehr gut", sagt der Pädagoge. Er und seine Familie fühlten sich gut betreut. "Aber die Mitarbeiter des Jugendamts sind völlig überlastet."
Überhaupt einen direkten Kontakt zu dem zuständigen Mitarbeiter zu bekommen sei sehr schwierig. "Ich komme mir jedes Mal wie ein Bittsteller vor, wenn ich ein Anliegen besprechen möchte", sagt der Pflegevater. "Man muss sich fast entschuldigen, wenn man sich beim Jugendamt meldet." Zudem sei ihm ein häufiger Personalwechsel in der Behörde in Wandsbek aufgefallen. "Wir haben inzwischen den dritten Ansprechpartner." Ein Problem sei sicher, dass es keinen großen Anreiz gebe, für das Jugendamt zu arbeiten. "Die Tätigkeit ist belastend, die Mitarbeiter müssen viel zu viele Fälle übernehmen, und die Bezahlung ist auch nicht besonders gut." Die Stadt müsse seiner Meinung nach dringend in diesen Bereich der Kinder- und Jugendhilfe investieren und das Personal beim ASD aufstocken. Dass das reicht, um so tragische Fälle wie Chantal zu verhindern, glaubt der Pädagoge jedoch nicht. "Richtig ist sicherlich auch, Drogentests von Pflegeeltern zu verlangen", sagt er. "Damit kann die Problematik zumindest eingedämmt werden."