In Europa sollen nach und nach wieder Flugzeuge abheben. Verkehrsminister Ramsauer gibt heute eine Regierungserklärung zru Flugsicherheit ab.

Hamburg. In den Luftraum über Europa kommt Bewegung: In mehreren Ländern soll nach fünf Tagen fast weitgehenden Flugverbots wieder Betrieb am Himmel herrschen. In Deutschland sind bereits am Dienstag fast 800 Flugzeuge mit Zehntausenden Passagieren trotz der Asche-Krise gestartet und gelandet. Die Maschinen waren mit Sondergenehmigung und meist auf Verantwortung der Piloten unterwegs. Sie flogen auf Sicht statt wie üblich nach Instrumenten. Normalerweise sind allerdings zehnmal mehr Flugzeuge am deutschen Himmel. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer wollte am Mittwoch im Bundestag eine Regierungserklärung zur Flugsicherheit abgeben.

Die Flughäfen Hamburg und Bremen wurden von Dienstag 23.00 Uhr bis Mittwoch 08.00 Uhr freigegeben, sagte ein Sprecher der Deutschen Flugsicherung der Deutschen Presse-Agentur. Die Deutsche Flugsicherung wollte in der Nacht über mögliche weitere Lockerungen entscheiden. In anderen europäischen Ländern wurde das Flugverbot bereits aufgehoben.

Großbritannien gab am Dienstagabend alle Flughäfen, darunter das größte europäische Drehkreuz in London- Heathrow wieder frei. In Polen sollte am Mittwochmorgen wieder uneingeschränkt geflogen werden. Auch Air France wollte in Frankreich am Mittwoch wieder zum Normalbetrieb übergehen. Kritik an den Sichtflügen in Deutschland kam von der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit, die von einer „juristischen Winkelkonstruktion“ der Airlines sprach. Die Verantwortung liege nicht bei der Flugsicherung, sondern bei den Piloten, wie Sprecher Axel Raab von der Deutschen Flugsicherung (DFS) sagte.

Die DFS verlängerte die grundsätzliche Sperrung des Luftraums für Instrumentenflüge – außer in Hamburg und Bremen – bis diesen Mittwoch um 02.00 Uhr. Insgesamt waren über Europa nach Angaben von Eurocontrol, der europäischen Luftsicherheitsbehörde, rund drei Viertel des Luftraums am Dienstag wieder offen für den Flugverkehr.

Vulkan stößt weniger Asche aus

Der Staub-Ausstoß des Vulkans am isländischen Eyjafjalla-Gletscher ließ unterdessen nach: Der Krater stoße Lava und „fast reinen Wasserdampf“ aus – aber kaum mehr Asche, teilte das Meteorologische Institut in Reykjavik mit.

Die Rauchwolke erreiche nicht mehr die Höhe, von der aus der Luftstrom sie auf den europäischen Kontinent tragen könne. Die bestehende Wolke könne sich aber weiter halten oder verschieben. Wetterexperten machten ebenfalls Hoffnung auf eine Senkung der Aschebelastung. Zehntausende Reisende kehren heim Die deutschen Fluggesellschaften nutzten eifrig die am Montag beschlossene Ausnahmeregelung. Sie brachten vor allem gestrandete Reisende heim. Bis zum Abend sollten dort nach Auskunft der Betreibergesellschaft Fraport rund 200 Starts und Landungen abgewickelt werden.

„Wir haben befürchtet, dass wir erst Anfang Mai zurück können“, sagte Winni Appel nach seinem Flug von Gran Canaria nach Düsseldorf. „Ich bin schon von meinem 5-Sterne-Hotel in eine Wohnung gezogen und habe den Kühlschrank voll gemacht.“ Allein die Rewe Touristik erwartete bis zum Abend 90 Prozent ihrer fast 15000 Gestrandeten zurück, Tui wollte im Tagesverlauf 20000 Urlauber nach Hause holen.

Am Montag hatten noch 100000 Pauschaltouristen und eine unbekannte Zahl von Individualreisenden im Ausland festgehangen. Frankreich schätzte die Zahl der gestrandeten Franzosen auf 85000.

Ramsauer streitet mit Piloten

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte am Montagabend nach einer Absprache mit anderen EU-Verkehrsministern erklärt, die Fluggesellschaften dürften Passagiere mit kontrollierten – also von Radarlotsen unterstützten – Sichtflügen befördern. Die Pilotenvereinigung Cockpit kritisierte erneut die Regelung. An der wissenschaftlichen Einschätzung der Gefährlichkeit der Aschewolken habe sich nichts geändert, sagte Vorstandsmitglied Jörg Handwerg im Deutschlandfunk.

„Man hat nur eine juristische Winkelkonstruktion gesucht, um die Flugzeuge in die Luft zu bringen.“ Ramsauer wiederum wies diese Kritik zurück. Die Flugzeuge durchfliegen nach Angaben der Deutschen Flugsicherung auch Luftschichten mit Asche darin. Der Unterschied zu dem sonst üblichen Verfahren liege im Wesentlichen nur in der Verantwortung, die dann nicht bei der Flugsicherung liege, sagte der Sprecher der Flugsicherung, Axel Raab. Er widersprach damit der Darstellung, die Piloten flögen unter der Aschewolke hindurch.

Das Thema Sichtflug hat noch andere Knackpunkte: Gesellschaften, die in Deutschland nach dieser Regelung unterwegs sind, durchfliegen nach Angaben der Flugsicherung auch Luftschichten mit Asche darin - auf eigenes Risiko. „Diese Verantwortung können wir nicht übernehmen“, sagte Raab der Nachrichtenagentur dpa. Da die Aschewolken unterhalb von etwa 6000 Metern lägen, beginne darüber der ganz normale Flug, der von Lotsen gesteuert werde. Neben solchen Flügen gebe es auch die Variante, dass die Maschinen unter 3000 Meter hoch fliegen und erst in freigegebenem Luftraum – etwa in den Niederlanden – höher steigen, erklärte Air Berlin auf Anfrage.

Niederländer bestätigen Berechnung der Wolke

Aufklärung über die Dichte und Verteilung der Aschewolke am deutschen Himmel wurde durch einen Messflug am Vortag erhofft. Das Verkehrsministerium als verantwortliche Behörde machte bis Dienstagabend jedoch keine Angaben zu den gefundenen Ergebnissen.

Die Deutsche Lufthansa schickte am Dienstag einen eigenen Airbus mit Wissenschaftlern an Bord zur Untersuchung der Vulkanaschewolke los. Nach Erkenntnissen niederländischer Forscher wurde die Bewegung der Vulkanaschewolke aus Island mit Hilfe von Computermodellen weitgehend präzise berechnet. Das hätten Untersuchungen der Wolke von einem Flugzeug aus ergeben, teilte das niederländische Zentrallabor für Luftfahrttechnik mit.

Experte: Reisende könnten Umbuchung verlangen

Auf Sichtflüge einlassen müssen sich Reisende nach Auffassung des Frankfurter Flugrechtsexperten Ronald Schmidt nicht. „Wem das zu unsicher erscheint, kann auch eine Umbuchung verlangen“, sagte der Anwalt. Wenn die Vereinigung Cockpit solche Flüge in der momentanen Situation für unverantwortlich halte, müsse der Laie nicht zu einem anderen Ergebnis kommen. Ein gewisses „Restrisiko“ bleibe aber, dass der Passagier auf zusätzlichen Kosten sitzen bleibe.

Klar ist laut Schmidt die Haftungsfrage im Falle eines Absturzes geregelt. Da müssten die Fluggesellschaften auch für Fehlleistungen ihrer Angestellten einstehen. Die Piloten, die auf Anweisung ihrer Gesellschaften die Sichtflüge durchführten, seien zwar für ihre Maschine verantwortlich. Ein zusätzliches Haftungsrisiko gingen sie aber nicht ein. In Europa könnten rund die Hälfte aller eigentlich vorgesehenen Flüge stattfinden, schätzte die europäische Luftsicherheitsbehörde in Brüssel.

Jenseits von sechs Kilometern Höhe sei inzwischen der komplette europäische Luftraum geöffnet. Darunter sei die Konzentration der Vulkanasche aus Island vor allem in Nordwest-Europa noch so hoch, dass oft Einschränkungen nötig seien. Deutschland lag zunächst an der östlichen Grenze des gesperrten Luftraums. Andere Regionen wie Tschechien, Südpolen und das östliche Österreich waren frei. In den Niederlanden nahmen die Flughäfen den Betrieb schrittweise wieder auf, auch der Luftraum über großen Teilen Frankreichs und Norditaliens war offen. Das Gebiet über Irland und Großbritannien war wie in den Tagen zuvor mit Flugverboten belegt.

Debatte um Entschädigung in Millionenhöhe

Airlines und Flughäfen in Europa verlangen wegen ihrer Millionenverluste immer lauter staatliche Unterstützung. Der europäische Verband der Flughäfen ACI Europe und der Verband der Fluggesellschaften AEA forderten in einer gemeinsamen Erklärung eine „angemessene Antwort auf europäischer Ebene“ – Finanzspritzen etwa für Notfall-Leistungen wie Verpflegung und Übernachtungen. „Allein die Flughäfen haben in den vergangenen fünf Tagen mindestens 200 Millionen Euro verloren“, sagte ein Sprecher von ACI Europe.

Nach Angaben der EU-Kommission hat bislang noch keines der 27 EU- Mitgliedsländer seine Fluggesellschaften mit Staatsgeld unterstützt. Staatliche Beihilfen können von nationalen Regierungen gezahlt werden - die EU-Wettbewerbshüter müssen die Summen aber genehmigen. Die EU- Kommission hatte bereits in Aussicht gestellt, Auflagen für staatliche Subventionen zu lockern.