Auf dem Hamburger Airport ist die Nachfrage nach Mietwagen durch die Flugausfälle sprungartig gestiegen.

Hamburg. Frauke Johannsen liegt im Terminal 1 des Hamburger Flughafens auf einer Trage hinter einer provisorischen Sichtschutzwand. Sie ist nicht krank, nur müde. Um 1.30 Uhr ist sie in Kiel aufgestanden, dann zusammen mit ihrem Mann zum Flughafen gefahren. Um 6 Uhr sollte ihr Flieger nach Palma de Mallorca starten. Doch schon von weitem leuchteten ihnen von den Anzeigetafeln im Terminal rote Buchstaben entgegen: "cancelled", gestrichen, steht hinter jedem einzelnen Flug. Die Johannsens sind froh, dass sie das provisorische Lager für gestrandete Fluggäste entdeckt haben, unter der Rolltreppe, die zur Abflughalle führt. Es ist recht leise, es gibt Kissen, Decken und gratis Wasser. "Aber der Informationsfluss ist schlecht", sagt Frauke Johannsen. "Wir verlieren unseren Urlaubstag und wissen nicht, wie es weitergeht oder ob wir eine Entschädigung bekommen. Wenn sich bis heute Abend nichts tut, fahren wir wieder nach Hause."

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Frühestens am Abend könnten die ersten Flieger starten, erklärt in der Abflughalle ein Vertreter des Kreuzfahrt-Anbieters Aida Monika und Werner Hecker. Das Ehepaar aus Stade soll eigentlich heute Abend an Bord der "Aidabella" von Palma de Mallorca nach Alicante schippern und von dort weiter nach Valencia. Eine Woche Kreuzfahrt im westlichen Mittelmeer haben die beiden gebucht. Um 11.10 Uhr wäre ihr Flieger gegangen. Wenn am Abend wieder Flugzeuge starten könnten, würde das Schiff in Palma de Mallorca mit der Abfahrt warten, sagt der Aida-Vertreter.

Da außer München fast alle deutschen Flughäfen gesperrt seien, könnten die anderen Passagiere ja auch nicht an Bord. Denkbar sei aber auch, alle Kreuzfahrer aus Hamburg mit dem Bus nach München zu bringen und sie dann in ein Flugzeug nach Alicante zu setzen, der ersten Station der "Aidabella". Das würde bedeuten, dass die Heckers einen Tag an Bord verpassen. "Nicht so schlimm, das wäre ja nur ein Tag", sagt Monika Hecker. Sie will sich von der Aschewolke ihre Urlaubslaune nicht vermiesen lassen. "Wir haben uns so auf den Urlaub gefreut, das wird bestimmt noch", sagt sie. "Und der Hamburger Flughafen ist ja ganz neu, wir waren seit einem halben Jahr nicht mehr hier, es ist doch ganz schön hier."

Für Lennart, Frank und Marco bedeutet die Verspätung wahrscheinlich das Ende ihres Urlaubs. Die drei warten vor den Anzeigentafel auf ihre Kollegen, zusammen sollte es für ein Wochenende nach Mallorca gehen, ein Firmenausflug. "Mal sehen, wie es jetzt weitergeht, aber wahrscheinlich fahren wir wieder nach Hause", sagt Lennart. Marco schlägt vor, sich die Zeit im Flughafencasino zu vertreiben. Alle lachen. Eine freundliche Stimme dröhnt aus den Lautsprechern in der Halle, die Fluggäste sollen bitte die Unannehmlichkeiten entschuldigen, leider sei kein Flugverkehr möglich.

Frühenstens am Abend könne der Flughafen wieder geöffnet werden, heißt es später. „Wenn man die Wetterkarte sieht und die Prognosen des Deutschen Wetterdienstes, dann ist fast zu befürchten, dass wir heute in Hamburg keinen Flugverkehr mehr haben werden“, sagt Flughafensprecherin Stefanie Harder. Insgesamt wären dann 450 Starts und Landungen und rund 40.000 Passagiere betroffen. Dies sei ein immenser volkswirtschaftlicher Schaden, so Harder.

Profitieren können von den Flugausfällen dagegen die Mietwagenanbieter. "Am Flughafen Hamburg ist die Nachfrage stark gestiegen", sagte eine Sprecherin von Europcar. "Es sind aber noch genügend Mietwagen da, wir bringen nämlich die Mietwagen aus den Stationen im Umland zum Flughafen." Sogar aus Frankreich würden schon Autos zurückgeholt. "Die Telefone stehen kaum still", sagt auch Didier Conseil, Leiter der Hertz-Station am Flughafen Hamburg. "An den Stationen und in unserer Reservierungszentrale hat sich das Anrufaufkommen vervielfacht und besonders gefragt sind Einwegmieten." Außerdem würden deutlich mehr ausländische Fahrzeuge aus Dänemark, Norwegen, Schweden, Holland und Frankreich in Hamburg zurückgegeben. Da viele Kunden, die einen Mietwagen gebucht haben, ihn nicht abholen können, weil der Flug annulliert wurde, hielten sich Kunden, die nicht kommen, und kurzfristige Nachfragen am Hamburger Flughafen die Waage.

Bei Hamburg Taxi sind zwar viele Anfragen nach außergewöhnlichen Strecken eingegangen, es wurden bisher aber nicht mehr Touren gebucht als sonst. "Es haben Leute angerufen und gefragt, was eine Fahrt von Hamburg nach Brüssel oder Prag kosten würde", sagte eine Sprecherin von Hamburg Taxi. Die Reisenden hätten sich wegen den hohen Kosten dann aber gegen die Fahrt mit dem Taxi entschieden. "Es muss ja auch erstmal ein Unternehmer gefunden werden, der diese Fahrt machen will, er ist ja mindestens zwei Tage lang unterwegs", so die Sprecherin.

Viele Passagiere weichen auch auf Bus und Bahn aus - die Eurostar-Verbindungen von Brüssel und Paris nach London sind schon ausgebucht und auch am Hamburger Bahnhof drängen sich Menschen mit Fluglinienaufklebern an ihrem Gepäck. Wegen des großen Ansturms legten die Bahnmitarbeiter am Hamburger Hauptbahnhof in der vergangenen Nacht eine freiwillige Sonderschicht ein und öffneten die DB-Lounge für Fluggäste. Rund 120 Reisende übernachteten dort. Am frühen Morgen konnten sie mit Zügen weiterreisen. "In Schleswig-Holstein ist auch noch Ferienende, da ist in den Zügen sowieso viel los", sagte Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Es seien schon zusätzliche Züge eingesetzt worden, um alle Reisenden befördern zu können.

Der Ausbruch des Gletschervulkans auf Island sorgt in ganz Europa für Chaos. Große Teile des Luftraums über Europa sind gesperrt, mit dem Londoner Flughafen Heathrow war auch das wichtigste europäische Drehkreuz betroffen. Hunderttausende Passagiere warteten vergeblich auf ihren Abflug. Vom Boden aus ist die Wolke kaum sichtbar, für Flugzeuge aber ist sie brandgefährlich.

Wann die Flüge tatsächlich wieder aufgenommen werden können, hänge davon ab, in welche Richtung und mit welchem Tempo sich die Aschewolke aus dem isländischen Vulkan bewege. Für die Sperrung des Luftverkehr ist die Deutsche Flugsicherung zuständig. Sie stützt sich auf Daten des Deutschen Wetterdienstes. Der werte über seine mehr als 100 Messstationen Tag und Nacht den Wind aus, sagte Meteorologe Michael Goethel in Offenbach. Zudem gebe es alle fünf bis zehn Minuten neue Satellitenbilder, die auch genaue Strömungsgeschwindigkeiten anzeigten.