Der Sozialsenator verteidigt im Abendblatt die höheren Kita-Gebühren. Senator spricht von sozialverträglichen Anhebungen. Nur ein Viertel der Eltern sei betroffen. Kita-Plätze werden weiter zu 80 Prozent vom Staat bezahlt.
Hamburger Abendblatt: Senator Wersich, wann gehört eine Familie zu den Besserverdienern?
Dietrich Wersich: Mit dem Begriff kann ich nichts anfangen. Den gibt es so im Bewusstsein der Menschen gar nicht, weil man sich auf jeden Verdienst irgendwie einstellt. Wen Sie auch fragen: Am Ende sind es immer die anderen, die als Besserverdiener gesehen werden.
Sie sagen, dass höhere Gebühren nur einen kleinen Teil der Familien betreffen werden.
Deshalb ist es wichtig, schnell Klarheit zu schaffen. Die Regeln sind im Prinzip einfach: Die Essensbeiträge werden für alle moderat angepasst. Nur 25 Prozent der Kinder, bei denen das Elterneinkommen über der bisherigen Einkommensgrenze liegt, sind von der Beitragssteigerung betroffen: Und zwar in 20 Stufen jeweils um fünf Euro für jede 50 Euro, die Eltern netto (ohne Kindergeld etc., d. R.) über dieser Grenze verdienen. Der neue Höchstsatz liegt dann für wenige maximal 100 Euro höher, wenn die Familie 1000 Euro netto mehr hat: Und Geschwister sind weiterhin ermäßigt, für das zweite Kind maximal 30 Euro mehr, und beim dritten bleibt es sogar nur beim Mindestsatz, also gar keine Erhöhung!
Die Stimmung in der Stadt ist aber ganz anders.
Das verstehe ich, keiner zahlt gerne mehr, und auch wir machen das nicht aus Spaß. Aber es sind viele Fehlinformationen und Gerüchte im Umlauf. Es geht auch um die Frage, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Eine gut verdienende Familie etwa, die ihr Kind täglich zwölf Stunden in die Krippe gibt, bekommt trotz Höchstbeitrag immer noch vom Staat - also allen Steuerzahlern - monatlich 700 Euro dazu. Wir liegen bei der Kitafinanzierung bei 20 Prozent Elterneigenanteil, 80 Prozent zahlt der Staat. Aus diesem Grund werden wir Elternquittungen einführen: Um zu zeigen, was die Leistung unserer Kitas in Wahrheit kostet.
Der Höchstsatz ist aber schnell erreicht.
Bisher war der Höchstsatz schnell erreicht, das ist richtig. Die Obergrenze war so früh gesetzt, dass Menschen mit höherem Einkommen nicht auch höhere Beiträge bezahlt haben. Dies ist schon früher von verschiedenen Seiten als ungerecht kritisiert worden. Eltern, die 1000 Euro mehr im Monat zur Verfügung haben, zahlen nun 100 Euro mehr. Das finde ich sozial verträglich.
Und dennoch sind bis zu 100 Euro für Eltern, die es betrifft, sehr viel Geld.
Es sind mehr Kosten, das will ich gar nicht abstreiten. Aber beispielsweise statt 60 Cent zukünftig ein Euro für ein weiterhin subventioniertes Kita-Essen, das ist zu Hause nicht günstiger zu machen. Für die Kitas kommt dabei aber ein Betrag zusammen, als würden wir die Unterstützung für sämtliche Hamburger Privattheater streichen.
Insgesamt sprechen Sie von 30 Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen bis 2012. Ist Ihnen der politische Preis für diese eher kleine Summe nicht viel zu hoch?
Für mich sind das keine Peanuts! Wir haben wegbrechende Steuereinnahmen, wollen aber ganz bewusst die Kinderbetreuung weiter ausbauen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Frage ist: Finanzieren wir das über Schulden, die dann künftige Generationen abzahlen müssen? Wir brauchen in der Krise keine Schönwetter-Politiker, die allen alles versprechen und das noch für umsonst.
Sie betonen, Sie würden die Standards halten, aber künftig werden Kinder nur bis zur 6. Klasse in Kitas und von Tagesmüttern betreut und nicht bis zum 14. Lebensjahr. Sollen die Zwölfjährigen künftig nach der Schule Chips essen und Computer spielen?
Wenn meine Eltern mir in der siebten Klasse gesagt hätten: Du gehst heute Nachmittag in die Kita, da hätte ich denen was gehustet! Aber im Ernst: Ab der 7. Klasse ist es fraglich, ob der Staat ein staatlich finanziertes Nachmittagsbetreuungssystem anbieten muss. Das sage ich ganz klar: Das können Eltern nicht erwarten. Zumal die ganze offene Kinder- und Jugendarbeit, Sportvereine und Jugendverbände nicht mehr funktionieren, wenn die Kinder ganztags in staatlicher Betreuung sind.
Eltern behinderter Kinder sollen die gleichen Beiträge bezahlen. Gefährdet es nicht deren Integration, wenn Eltern sie aus Geldgründen zu Hause lassen?
Ich halte diese Sorge für unbegründet. Wir wollen, dass behinderte Kinder in Hamburg in die normalen Kitas gehen, nur so ist Integration möglich. Zusätzlich zur Grundbetreuung finanziert die Stadt dafür spezielles Personal und Material mit bis zu 5000 Euro im Monat pro Kind. Hierfür werden die Eltern behinderter Kinder auch zukünftig keinen Eigenanteil bezahlen. Das Kind zu Hause betreuen zu lassen wäre für die Eltern viel teurer und Berufstätigkeit kaum möglich. Und ich möchte nicht wieder, dass Kinder nur deswegen in Sondersysteme wie Heime müssen! Zudem berücksichtigen wir die steuerlichen Vorteile für Eltern behinderter Kinder, die wir bei der Beitragsbemessung außen vor lassen.
Diese Maßnahme soll wenige Millionen sparen. Gleichzeitig erwägt der Senat, 1,5 Milliarden in eine Uni auf den Kleinen Grasbrook zu stecken.
Diesen Beschluss gibt es nicht. Aber es ist einfach und billig, Dinge in der Politik gegeneinander aufzurechnen. Wir brauchen aber exzellente Unis und Kitas für den Nachwuchs. Zudem wird unterschätzt, welche Summen wir politisch bewusst in den Kita-Bereich stecken: Wir sind bei 450 Millionen Euro, allein im vergangenen Jahr haben wir um 27 Millionen erhöht. Das ist mehr Geld für Kitas, als die gesamte Kulturbehörde zur Verfügung hat. Außerdem werden wir mehr zahlen, weil das Kita-Personal besser bezahlt wird. Auch das haben viele Eltern gefordert.
Sind Kitas nicht eher Aufgabe der Bildungsbehörde anstelle der Sozialbehörde?
Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind Kitas wesentlich weiter als die Schulen: Dort kann man seine Kinder nicht mal eine Stunde früher bringen oder abends länger lassen, weil man zur Arbeit muss.
Bereits im Jahr 2005 hat Ihre Vorgängerin nach Gebührenerhöhungen gesagt: Jetzt ist Schluss. Sagen Sie das jetzt auch?
Auch Kitas werden teurer, es wäre politisch unseriös für alle Zeiten Erhöhungen von Elternbeiträgen auszuschließen.
Was macht Hamburg kinderfreundlich?
Ich glaube nicht, dass die Erwartung lautet: familienfreundlich ist, wenn alles kostenlos ist. Wichtig ist, dass es die Angebote gibt, die Familien brauchen, und dass sie flexibel sind, dass sie auf den Bedürfnissen der Familien aufbauen. Das gilt für Kitas, das Berufsleben und die ganze Stadt.