"Der Senat ist fest davon überzeugt, dass dieser Terminplan voll belastbar ist und keine erkennbaren Risiken mehr enthält." So steht es in der Drucksache "Realisierung des Projekts Elbphilharmonie" vom 23. Dezember 2008. Damals hatten sich die Stadt und der Baukonzern Hochtief geeinigt, dass sich die Kosten für die Stadt von 114 auf 323 Millionen Euro nahezu verdreifachen und die Eröffnung auf Mai 2012 verschoben wird.
Gut 15 Monate später ist dieser "belastbare" Terminplan nun nicht nur Makulatur, der Senat steht sogar gänzlich ohne Termin da. Denn seit Hochtief am 12. Januar per Brief mitgeteilt hatte, "dass die Gesamtfertigstellung mit einer Verspätung von ca. einem Jahr, d. h. erst Ende 2012 erreicht wird", ringen Stadt und Baukonzern mal wieder um neue verbindliche Absprachen. Und dieses Ringen wird nun erstmals wohl vor Gericht fortgesetzt. Da sich der Baukonzern auch nach diversen Verhandlungsrunden weigert, die Aussage von "ca. einem Jahr" zu präzisieren, kündigte Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) gestern Abend eine Klage an - die Stadt habe juristisch Anspruch auf einen Terminplan (siehe Seite 1).
Dass Hochtief sich erbost gibt und auf fehlende Pläne der Architekten verweist, ohne die man keinen Termin nennen könne, gehört zu dem Spiel dazu - das läuft seit Jahren so. Und es wird wohl bis zur Eröffnung des Konzerthauses, möglicherweise erst im Mai 2013, so weitergehen. Denn das Grundproblem ist nicht mehr zu beseitigen: Verhandeln bei normalen Projekten nur Auftraggeber und -nehmer (Planung und Ausführung) miteinander, sind es bei der Elbphilharmonie drei Parteien, noch dazu jeweils mit diversen Subunternehmern: Auftraggeber (Stadt), Generalplaner (Herzog & de Meuron, Basel) und Generalunternehmer (Hochtief, Essen). Das führt regelmäßig dazu, dass die Schweizer Architekten Pläne liefern, wie sie sich die Sache grundsätzlich vorstellen, auf die dann Hochtief seine "Ausführungspläne" aufsetzt - also, welches Gewerk wann und wie etwas ausführt. Haben daran die städtische Realisierungsgesellschaft Rege oder zum Beispiel der japanische Starakustiker Yasuhisa Toyota etwas einzuwenden, schlägt die Stunde der Juristen: Ist das nun ein Änderungswunsch des Auftraggebers, also auch von diesem zu verantworten und zu bezahlen? Oder hat Hochtief die Qualitätsansprüche nicht eingehalten? Und was ist, wenn ein Plan der Architekten nicht rechtzeitig vorliegt? Verzögert das automatisch das ganze Projekt - oder kann an anderer Stelle weitergebaut werden?
Wie schwierig diese Abstimmung ist, zumal vor dem Hintergrund des großen öffentlichen Interesses, zeigt der "Quartalsbericht" der Rege vom 30. September 2008, der dem Abendblatt vorliegt. Zur Elbphilharmonie heißt es dort, "dass keine Einigung über einen abgestimmten, synchronisierten Terminplan erzielt werden konnte".
Dass der Senat keine drei Monate später dann doch einen Terminplan vorlegte und sich "fest davon überzeugt" zeigte, dass dieser "voll belastbar ist", verwundert aus heutiger Sicht. Aber es erklärt, warum sich die Stadt so schwer tut, die weitere Verzögerung zu akzeptieren. Erst nachdem die Kulturbehörde ein Vierteljahr lang nach außen hin stur an ihrer Planung festhielt, durfte mit Generalintendant Christoph Lieben-Seutter jüngst ein Verantwortlicher im Abendblatt aussprechen, was alle wussten: Die Eröffnung wird definitiv nicht im Mai 2012 stattfinden. Die große Frage ist nur: Wann dann? Das Spiel beginnt von vorne, mit einem Unterschied: Gespielt wird jetzt auch vor Gericht.