“Wir wollen lernen“ hat den Antrag abgegeben. Senat und Reformgegner stecken jede Menge Geld in ihre Kampagnen. Beide Seiten wollen die Hamburger auf ihre Seite ziehen.
Zwei Jahre lang wurde geplant, geprüft, debattiert, gestritten und entschieden, es wurden Unterschriften gesammelt, es wurde wieder debattiert, verhandelt und erneut entschieden - und doch kommt es nun zum großen Showdown: Am 18. Juli stimmen die Hamburger über die Schulreform ab. Das steht seit gestern, 15.02 Uhr, fest. Zu dem Zeitpunkt übergab Walter Scheuerl, Sprecher der Volksinitiative "Wir wollen lernen", im Rathaus den Antrag auf Durchführung eines Volksentscheids.
Zur Abstimmung stellt die Initiative folgende Sätze: "Ich fordere die Bürgerschaft und den Senat ... auf, eine Ausgliederung der Klassen 5 und 6 aus den Gymnasien und anderen weiterführenden Schulen und deren Anbindung an die Grundschulen als ,Primarschulen' zu unterlassen. Denn ich bin dafür, dass die ... Gymnasien und weiterführenden Schulen in der bisherigen Form ... erhalten bleiben und die Eltern ... das Recht behalten, die Schulform für ihre Kinder nach der Klasse 4 zu wählen." Sollte eine Mehrheit der Wähler dem zustimmen, wäre die Reform gekippt - auch wenn sich die Initiative nicht gegen alle Teile der Pläne ausspricht.
Nach "dunklen politischen Zeiten" breche jetzt der "Frühling für Hamburgs Schulen" an, sagte Scheuerl und spielte an auf die Verhandlungen mit CDU und GAL. Nachdem die Initiative 184 500 Unterschriften gegen die Reform vorgelegt hatte - das Dreifache des Notwendigen -, hatte die Koalition sie zum Verzicht auf den Volksentscheid zu bewegen versucht - vergeblich. Auch eine nochmalige, von allen Parteien in der Bürgerschaft mitgetragene Änderung des Schulgesetzes, die ein Elternwahlrecht nach Klasse sechs, die Abschaffung des Büchergeldes und kleinere Klassen beinhaltet, hatte die Initiative nicht umstimmen können. "Die Parteien waren von vornherein nicht an einer Verhandlungslösung interessiert", kritisierte Scheuerl gestern. So sei das Elternwahlrecht wertlos, weil es nach Klasse sieben durch einen Beschluss der Zeugniskonferenz "einkassiert" werde.
GAL-Schulsenatorin Christa Goetsch betonte hingegen das weite Entgegenkommen der Koalition: "Es ist sehr bedauerlich, dass die Scheuerl-Initiative den Volksentscheid eingereicht hat." Der Senat werde jetzt eine "Informationskampagne" starten, um die Hamburger von der Reform zu überzeugen. Dafür stünden 200 000 Euro aus den Etats der Senatskanzlei und der Schulbehörde zur Verfügung. Im Rahmen einer Ausschreibung werde eine Agentur gesucht, die die Kampagne organisiert. Goetsch zeigte sich "zuversichtlich", dass der Volksentscheid zugunsten der Reform ausgehe. Diese sieht im Kern die Einführung einer sechsjährigen Primarschule anstelle der Grundschule vor. Als weiterführende Schulen ab Klasse sieben soll es nur noch Gymnasien (Abitur nach Klasse 12) und Stadtteilschulen (Abitur nach Klasse 13 möglich) geben.
Wie Scheuerl auf NDR 90,3 sagte, hat die Initiative bislang 150 000 Euro in den Widerstand gegen die Reform investiert. Unterstützt wird sie unter anderem von der nicht im Parlament vertretenen FDP, verschiedenen Lehrerverbänden und der Gruppe "Hamburger Eltern für gute Schule". Dem gegenüber stehen auf der Seite der Reformer die Bürgerschaftsparteien CDU, GAL, SPD, Linke, die Handwerkskammer, Gewerkschaften sowie die "Hamburger Allianz für Bildung", die wiederum von der Elterinitiative "Pro Schulreform", Eltern- und Schülerkammer unterstützt wird.
Wie genau der "Wahlkampf" für die Reform organisiert wird, steht noch nicht fest. Die Parteien streben zwar an, für die offiziellen Unterlagen zum Volksentscheid eine einheitliche Stellungnahme der Bürgerschaft zu verfassen, ansonsten werden sie das geschlossene Auftreten aber eher vermeiden. Denn Ziel der Initiative dürfte es sein, den Zweikampf "Wir, das Volk" gegen "Die da oben, die Regierung, die Parteien und Verbände" zu inszenieren. Der Senat wiederum will verhindern, dass der Volksentscheid zum Plebiszit über zwei Jahre Schwarz-Grün wird. Offiziell betonten beide Seiten, eine rein inhaltliche Auseinandersetzung führen zu wollen.
Während CDU, GAL und SPD sich bezüglich ihrer "Wahlkampfstrategie noch bedeckt halten, ist die Linkspartei schon recht weit. "Ich hatte schon vier Veranstaltungen zu dem Thema", sagt Fraktionschefin Dora Heyenn. Eine "Leitungsgruppe" treffe sich regelmäßig und plane weitere Aktionen. 10 000 bis 20 000 Euro will sich die Partei die Kampagne kosten lassen.
Volksentscheide sind in Hamburg verbindlich. Der Senat hat angekündigt, das Ergebnis anzuerkennen.