Die schwarz-gelbe Koalition will im Bezirk vorerst keine Shared-Space-Straße einrichten. Damit bringt sie den Bezirk vermutlich um viel Geld.

Hamburg. Der Bezirk Wandsbek hat dem Shared-Space-Projekt mit einem Beschluss der Bezirksversammlung einen Strich durch die Rechnung gemacht - und sich möglicherweise auf diesem Weg ein finanzielles Eigentor geschossen.

Es ist ein kühner Plan: Jeder der Hamburger Bezirke soll eine Straße zum sogenannten Shared Space umwidmen - einem Raum also, in dem sich alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt bewegen, ohne feste Regeln, ohne Verkehrsschilder. Beschlossen hat das die Stadt, das Geld (fast 10 Millionen Euro) kommt von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU). Zwar hatte sich auch im Bezirk Wandsbek das Fachamt Management des Öffentlichen Raumes verschiedene Straßen angesehen und schließlich die Kunaustraße in Sasel vorgeschlagen. Doch die Koalition aus CDU und FDP stoppte jetzt den Plan.

Die Liberalen hatten einen Antrag in die Bezirksversammlung eingebracht, der zusammengefasst folgendes besagt: In Wandsbek soll es keine Gemeinschaftsstraße geben - zumindest vorerst. Stattdessen soll der Stadt vorgeschlagen werden, nur ein einziges Modellprojekt in Hamburg einzuführen. Und erst wenn es belastbare Unfallzahlen aus einer anderen Großstadt gebe, solle Shared Space auch in Wandsbek eingeführt werden.

"Wir finden es sinnvoller, das Geld für die Ausbesserung der schon bestehenden Straßen zu verwenden", sagt Dr. Klaus Fischer, FDP-Fraktionsvorsitzender in Wandsbek. "Das Projekt Gemeinschaftsstraße ist noch nicht ausreichend erprobt. Erst einmal sieht es danach aus, als würden die Unfallzahlen sogar steigen." Heinz Seier, Fachsprecher Verkehr der CDU-Fraktion Wandsbek, ergänzt: "Die bisherigen Versuche fanden in einer deutschen Kleinstadt oder in den Niederlanden statt. Die Gefahrensituation ist nicht vergleichbar. Bis uns verlässliche Zahlen vorliegen, wollen wir nur ein Gesamtprojekt für Hamburg. Aber prinzipiell gegen die Gemeinschaftsstraße sind wir nicht."

CDU und FDP beschlossen, den Antrag anzunehmen, und stimmten so gegen die Wandsbeker Gemeinschaftsstraße - zum Entsetzen der anderen Fraktionen.

"Mit diesem Beschluss nehmen CDU und FDP dem Bezirk die Chance, sich am Gemeinschaftsstraßenprojekt zu beteiligen und vor allem nehmen Sie einem Stadtteil die Chance, mit dem Geld eine Aufwertung des öffentlichen Raums zu erzielen“, sagt Lars Kocherscheid, verkehrspolitischer Sprecher der Wandsbeker SPD-Fraktion. Und GAL-Fraktionsvorsitzender Olaf Duge sagt: "Die FDP versucht über Bezirksentscheidungen Landespolitik zu machen. Doch das wird nicht funktionieren."

Die Entscheidung hat auf jeden Fall Eigentor-Charakter: Das Geld, das die Behörde für Shared Space bereitstellt, geht dem Bezirk verloren, weil es nicht anderweitig - etwa für Straßensanierungen - verwendet werden darf. "Das wird nicht gehen", bestätigt BSU-Sprecher Enno Isermann. "Das Geld steht nur für dieses Projekt zur Verfügung. Welcher Bezirk wieviel erhält, ist noch nicht geklärt." Wandsbek jedenfalls bekommt erstmal gar nichts.

"Das haben wir uns gedacht", sagt Seier. "Trotzdem haben wir eben Bedenken bezüglich des Projekts."

Tatsächlich hat der erste deutsche Shared-Space-Modellversuch im niedersächsischen Bohmte gezeigt, dass nicht alles glatt ging. Die Zahl der Unfälle stieg sogar leicht an. Allerdings ging es nur um Blechschäden. Die große Mehrheit der Bewohner fand, dass ihre Stadt durch die Gemeinschaftsstraße attraktiver wurde, ruhiger und grüner. Versuche in den Niederlanden zeigen außerdem, dass auf Dauer die Zahl der Unfälle zurückgeht.