Der Reeder, der Millionen Schülern in Afrika hilft, übt scharfe Kritik an der schwarz-gelben Koalition.
Hamburg. Peter Krämer erhält heute Nachmittag im Berliner Dom den renommierten Preis "Pro Humanitate". Damit würdigt die Europäische Kulturstiftung "Pro Europa" das Engagement des 58 Jahre alten Hamburgers für "Schulen in Afrika". Mit dem Reeder sprach Matthias Iken über Ideale, Afrika und die Verantwortung von Reichen.
Hamburger Abendblatt: Seit fünf Jahren engagieren Sie sich für Afrika. Wie kommt ein Hamburger Reeder dazu?
Peter Krämer: Im Januar 2004 habe ich Schiffsneubauten meiner Reederei ungewöhnliche Namen gegeben. Namen von Freiheitskämpfern, die - so habe ich öffentlich erklärt - für mich ein Stück Selbstverpflichtung begründen sollten. Zu dem Zeitpunkt wusste ich allerdings noch nicht konkret, wofür. Im Spätsommer des Jahres habe ich im Restaurant Osteria Due Rolf Seelmann-Eggebert getroffen. Ein Schiff wollte ich "Nelson Mandela" taufen. Seelmann-Eggebert meinte: "Das ist eine wunderbare Idee, aber noch schöner wäre es, Nelson-Mandela-Schulen zu bauen." Da war ich wie elektrisiert. Ich wusste so gut wie nichts über die Bildungssituation in Afrika und fing an, mich zu informieren.
Abendblatt: Wie kam Nelson Mandela ins Spiel?
Krämer: Zunächst habe ich seiner Stiftung einen Brief geschrieben und den Wunsch geäußert, ein weiteres Schiff auf den Namen "Nelson Mandela" zu taufen. Ich bot der Stiftung für die Namensrechte eine Million Dollar. Auf dieses Schreiben erhielt ich keine Antwort. In einem weiteren Brief präsentierte ich die Idee, gemeinsam mit Unicef Schulen im südlichen Afrika zu bauen. Drei Wochen später reagierte die Nelson-Mandela-Stiftung. Bildung ist eine Herzensangelegenheit von Nelson Mandela. Man bat mich, die Nelson Mandela Foundation mit Unicef International zusammenzubringen. So ist die Kampagne "Schulen für Afrika" im November 2004 entstanden. Seitdem konnten wir die Lernbedingungen von 3,5 Millionen Kindern verbessern. Dies ist ein großartiger Erfolg.
Abendblatt: Sind Sie zuvor in Afrika gewesen?
Krämer: Ich war nur einmal nach dem Abitur auf Fotosafari in Ostafrika. Ich wusste relativ viel über Nelson Mandela, jedoch sehr wenig über die Lebensbedingungen im südlichen Afrika. Inzwischen war ich in vier Ländern im südlichen Afrika und habe mir über 20 Schulen angeschaut, die mit unserer Hilfe gebaut wurden. Dort haben die Kinder einen unbändigen Bildungshunger. Es ist beeindruckend, dass Sechsjährige gern fünf Kilometer oder mehr Fußweg zurücklegen, um zur Schule gehen zu dürfen. Die Lernergebnisse dort in Afrika sind genauso beeindruckend. Trotz der schlechten Lernbedingungen - oftmals winzige Klassenräume, ohne Tische und Stühle, ohne Lehrmaterialien - sind die Schüler im Regelfall so gut wie hier bei uns.
Abendblatt: Hat das Engagement Ihr Leben verändert?
Krämer: Ja. Als ich jung war, hatte ich wie viele junge Menschen den Traum, etwas ganz Großes zu schaffen. Je älter ich werde, desto mehr beschäftige ich mich mit meiner Endlichkeit. Man stellt sich dann die Frage: Will ich nur ein Nischenleben mit Familie, Freunden und Job leben, oder will ich mehr erreichen und mich engagieren? Da wir uns nicht multiplizieren können, müssen wir Multiplikator sein, müssen wir andere überzeugen. Den Erfolg von "Schulen für Afrika" messe ich nicht an den acht Millionen Dollar, die ich gegeben habe, sondern daran, dass inzwischen 26 Länder an dem Fundraising teilnehmen und mehr als 700 Schulen gebaut beziehungsweise wieder hergestellt worden sind. Hier ist aus einer bloßen Idee, geboren in einem Hamburger Restaurant, etwas Großes entstanden.
Abendblatt: Ist es der Glaube, der Sie treibt?
Krämer: Ich glaube nicht an ein höheres Wesen, jedoch an die Kraft des Guten. Wichtiger noch als der christliche Glaube ist für mich christliches Handeln. Relevant ist, was getan wird.
Abendblatt: Warum sind Sie nicht in die Politik gegangen?
Krämer: Ich kenne viele Politiker. Wenn ich die Resultate in Beziehung zu dem Aufwand stelle, den integre und intelligente Politiker betreiben müssen, stimmt für mich die Relation nicht mehr. Im Übrigen bin ich ein recht ungeduldiger Mensch, ich will keine Zeit verlieren. Daher bin ich nicht der Typ für endlose Sitzungen in Ausschüssen oder Gremien, zivilgesellschaftlich kann ich wie mit unserer Kampagne "Schulen für Afrika" mehr erreichen.
Abendblatt: Von Afrika nach Hamburg. Sie haben sich in der Hansestadt für die direkte Demokratie starkgemacht. Ein Volksbegehren könnte jetzt hier die Bildungsreform kippen.
Krämer: Ich habe das Volksbegehren nicht unterschrieben. Klar ist jedoch, dass sich jedes Volk auf seine Ressourcen besinnen muss. Deutschland verfügt über keine nennenswerten natürlichen Rohstoffe. Unser zentraler Rohstoff und die Grundlage für unseren wirtschaftlichen Erfolg in der Vergangenheit ist Bildung. Dort bekommen wir massive Probleme. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeiterkind zur Hochschule geht, ist elfmal so gering wie die Chancen eines Akademikerkindes. Wenn wir die Chancen für Kinder aus sozial schwachen Schichten nicht verbessern, verstoßen wir nicht nur gegen elementare ethische Prinzipien, sondern wir verschleudern gleichzeitig große Potenziale unseres Volksvermögens. Zentral für Chancengleichheit ist neben der frühkindlichen Erziehung und Integration auch die möglichst lange gemeinsame Erziehung von allen Schulkindern. Ich will nicht der 134. Bildungsexperte werden, hoffe aber schon, dass wir aus der bildungspolitischen Kleinstaaterei herauskommen und die Bildungshoheit irgendwann auf Bundesebene liegt.
Abendblatt: Bekannt geworden sind Sie durch "Schulen für Afrika" - und Ihre Forderung nach Einführung der Vermögenssteuer.
Krämer: Dafür bin ich immer noch, mir geht es dabei aber nicht um die Firmenvermögen, sondern nur um größere Privatvermögen. Ein Steuersystem, das Arbeit stärker besteuert als Kapital, ist verrückt. Zum Beispiel werden in den kommenden Jahren 120 Milliarden Euro Privatvermögen jährlich vererbt - eine stärkere Besteuerung wäre eine echte Steuerreform.
Abendblatt: Die Koalition arbeitet an einer Steuerreform ...
Krämer: Die nicht solide ist, weil sie nicht gegenfinanziert wird. Die geplanten Steuersenkungen sind Irrsinn - ich verstehe gar nicht, warum das nicht noch deutlicher diskutiert wird. Der Start von Schwarz-Gelb war mehr als missglückt.
Abendblatt: Leidet Ihr Engagement unter der Krise der Schifffahrt? Ihr Unternehmen ist ja auch betroffen.
Krämer: Die Lage ist katastrophal. Ich kenne keinen Reeder, der derzeit schwarze Zahlen schreibt, alle leben von der Substanz. Meine Reederkollegen und ich hoffen, dass unsere liquiden Reserven ausreichen werden, um die sicher länger andauernde Krise durchzustehen. Jetzt kommt es entscheidend darauf an, dass unsere finanzierenden Banken sich als faire Partner in der Krise erweisen: Sie dürfen uns nicht aus bloßem Eigeninteresse heraus die Liquidität entziehen, die wir zum Überleben brauchen.