Wer steht wo im Kampf um das historische Quartier in der Hamburger Neustadt? Das Abendblatt analysiert die Hintergründe.
Hamburg. Jetzt also doch: Im Streit um das Gängeviertel soll es am 24. November um 13 Uhr einen runden Tisch in der Finanzbehörde geben. Eingeladen hat erneut Mittes Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD). Angefragt sind neben der Künstlerinitiative "Komm in die Gänge" und dem niederländischen Investor Hanzevast auch Vertreter der Kultur-, der Finanz- und der Stadtentwicklungsbehörde.
Ob das Gespräch allerdings besonders konstruktiv ablaufen wird, ist fraglich. Denn Hanzevast versucht zurzeit die Künstler aus dem Gängeviertel hinauszuklagen (wir berichteten). Nachdem das Landgericht die Klage als "unbegründet" abgelehnt hat, muss nun das Oberlandesgericht über die Beschwerde des Investors entscheiden.
Zusätzlich sorgt eine Pressemitteilung des Investors für Unmut bei allen beteiligten Seiten. Darin behauptet Hanzevast unter anderem, dass die Stadt mit dem Investor zu den neuen Entwicklungen "keinen Kontakt aufgenommen" hat. Und obwohl das Unternehmen gerichtlich versucht, die Künstler aus dem Viertel zu vertreiben, verkündet es öffentlich: "Das Viertel braucht eine kreative Ausrichtung, und da sind wir neugierig auf die Gedanken und Vorschläge."
Selbst für Beobachter wird der Streit ums Gängeviertel und die ständig wechselnden Positionen immer undurchsichtiger. Wie ist der Stand der Dinge? Wer hat in den Verhandlungen welche Interessen? Das Abendblatt hat den Verlauf zusammengestellt:
Die Politik:
Seit Mitte der 90er-Jahre versuchen die wechselnden Regierungsparteien der Stadt, das Gängeviertel zu verkaufen. Mit mäßigem Erfolg. Die Stadt selbst scheute die Sanierungskosten für das zum Teil unter Denkmalschutz stehende Ensemble. Nach mehreren Fehlversuchen waren sowohl Bezirk als auch Senat zunächst froh, dass Hanzevast 2006 in den bestehenden Vertrag einscherte. Eine öffentliche Diskussion um das Viertel hat es in den Vorjahren weder von Bürgern noch von Künstlern gegeben.
Nach mehreren Zahlungsverzögerungen und Fristverschiebungen hatte auf politischer Seite niemand mehr damit gerechnet, dass Hanzevast vor einigen Wochen tatsächlich noch die fälligen Raten bezahlt. Wäre das Geld ausgeblieben, wäre der Vertrag mit der Stadt hinfällig geworden, das ganze Areal wäre wieder zurück an die Stadt gegangen. Der Senat hätte dann auf die veränderte öffentliche Diskussion reagieren und an einem neuen Konzept für das Gängeviertel arbeiten können. Nun aber ist der Senat in der Zwickmühle. Er sucht nach der besten Möglichkeit für alle Seiten, versucht so viel Denkmalschutz wie möglich durchzusetzen und auch die Interessen der Künstler zu berücksichtigen. Gleichzeitig muss die Stadt aufpassen, nicht einen gültigen Vertrag zu brechen und dem Investor damit die Möglichkeit, Schadenersatz zu kassieren, frei Haus zu liefern.
Der Investor:
Der niederländische Investor Hanzevast hat momentan vor allem ein Interesse: Viel Geld aus der Diskussion um das Gängeviertel herauszuschlagen. Dafür scheint ihm jedes Mittel recht. Zum Repertoire gehört es, wie berichtet, jetzt anscheinend auch, irreführende Meldungen zu verbreiten. Wie wenig Interesse Hanzevast tatsächlich am Viertel hat, zeigte der Investor schon zu einem früheren Zeitpunkt. Im Jahr 2006 erwog Hanzevast, alle Gebäude abzureißen und ähnlich wie im Fall Unilever ein Hochhaus zu errichten. 2008 akzeptierte der Bezirk ein neues Konzept von Hanzevast, das zwar den Abriss mehrerer Gebäude vorsieht, aber neben Gewerbe auch Wohnungen. Sehr wahrscheinlich ist, dass in diesem Vertrag eine Entschädigungsklausel vereinbart wurde. Sicher ist: Hanzevast war bis vor wenigen Wochen ein wenig zahlungsfreudiger Vertragspartner. Grund ist möglicherweise der Einbruch des Schiffsmarktes, Kerngeschäft von Hanzevast. Eine erste Zahlungsfrist war bereits abgelaufen. Erst durch die aufkeimende Diskussion um das Gängeviertel scheint sich auch das Interesse des Investors wieder verstärkt zu haben. Er fand einen solventen Geldgeber und zahlte die fälligen Raten. Damit ist es für die Stadt deutlich schwerer geworden, eine für alle Seiten einvernehmliche Lösung zu finden.
Die Künstler:
"Wir sind schockiert über die unglaubliche Pressemitteilung von Hanzevast. Das ist janusköpfiges Spiel und fast schon betrügerisch. So etwas lässt uns wütend werden", sagt Christine Ebeling, Sprecherin der Künstler-Initiative. Das ganze Verhalten des Investors sei nicht vertrauenerweckend. "Wir wollen sowieso keine Lösung mit einem Investor, denn es muss ein Stadtraum bleiben, darauf ist unser ganzes Konzept ausgerichtet."
Die Künstler-Initiative hat sich gestern am späten Abend noch zu einer Vollversammlung getroffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.