Die Hotline für die Volkszählung ist im Norden überlastet: Bereits 5600 Bürger aus Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich gemeldet.
Hamburg/Kiel. Die Hotline für die angelaufene Volkszählung ist in Norddeutschland überlastet. Bereits 5600 Bürger aus Hamburg und Schleswig-Holstein haben in drei Tagen Rat gesucht oder Unmut geäußert, sagte Referatsleiterin Helma Landsberg vom Statistikamt Nord. Am Montag wurden 1500 Anrufe registriert, an den folgenden Tagen 2000 und 2100. Etwa ein Drittel der Anrufer bat um Hilfe beim Ausfüllen des Fragebogens. „Sehr viele beschweren sich aber auch, dass sie das Porto für den Fragebogen selber bezahlen müssen“, sagte Landsberg. Dies sei aber gesetzlich vorgegeben. Außerdem würden viele Fragen zur Gebäude- und Wohnungszählung gestellt. Es gibt zwei Hotline-Nummern: 040/42831-1851 (allgemeine Fragen) und 040/42831-1822 (Gebäude- und Wohnungszählung).
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Datenschützer: Zu intime Fragen bei Volkszählung
Zu teuer, zu umfangreich, zu intim. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar und sein schleswig-holsteinischer Kollege Thilo Weichert kritisieren das Ausmaß der Volkszählung 2011, die heute mit Haustürbefragungen bei zufällig ausgewählten Haushalten startet. Der erste gesamtdeutsche Zensus erhebe Daten, "die möglicherweise nicht notwendig sind", sagte Caspar. Die Pflichtangaben zu Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund seien "vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Datensparsamkeit bedenklich". Der deutsche Fragenkatalog überschreite das von der EU verordnete Maß.
Insgesamt müssen 45 zum Teil sehr persönliche Fragen beantwortet werden, etwa nach homosexuellen Lebenspartnerschaften oder der Mitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften wie christlichen Kirchen und jüdischen Gemeinden. Moslems oder Buddhisten dagegen sind nicht verpflichtet, sich zu bekennen, weil ihre Religionsgemeinschaften nicht öffentlich-rechtlich organisiert sind. Wer sich weigert, Pflichtfragen zu beantworten, muss mit einem Zwangsgeld von bis zu 500 Euro rechnen.
Der Kieler Datenschützer Thilo Weichert sagte gegenüber NDR Info, die umfassende und teure Erhebung sei nicht nötig. Zugriffe auf Datenbanken des Melderegisters, der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit hätten genügt. Dem Abendblatt sagte Weichert, Statistiker müssten auch nicht wissen, ob man in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, wie es unter Punkt 9 des Erhebungsbogens abgefragt wird.
+++ Herr Rieger befragt das Volk +++
Insgesamt sollen 7,9 Millionen Deutsche von geschulten Interviewern besucht werden. Allein in Hamburg müssen 62.500 Menschen Auskunft geben, 700 Interviewer stehen dafür bereit. Hinzu kommen Befragungen in Senioren- oder Studentenwohnheimen. Wer nicht an der Haustür Auskunft geben will, kann die Fragen auch schriftlich oder im Internet beantworten.
Bereits im Vorfeld mussten Immobilienbesitzer von 266 000 Wohnhäusern Angaben machen. Sieben Millionen Euro bezahlt die Stadt Hamburg für den Zensus, 2,5 Millionen steuert der Bund bei. Datenschützer Caspar sagte, erste Eingaben und Beschwerden von Bürgern hätten ihn schon erreicht. Die Zeit von vier Jahren, in denen die gesammelten Daten zur Verfügung stehen sollen, hält er für zu lang.
Auch Hamburger Politiker sehen den Zensus kritisch. Finn Ole Ritter (FDP) sagte, die Daten müssten "wie zugesichert schnell anonymisiert werden. Zudem sollte überprüft werden, ob die Religionszugehörigkeit wirklich abgefragt werden muss." Farid Müller (GAL) kritisierte: "Verfassungsrechtlich schwierig ist die namentliche Erhebung in Haftanstalten und Seniorenheimen. Hier ist die Anonymisierung der Daten nicht ausreichend gewährleistet." Er halte die verpflichtende Angabe zur Religionszugehörigkeit für falsch. Dora Heyenn, Fraktionschefin der Linken, glaubt, "dass die erhobenen Daten bis zur tatsächlichen Umsetzung schon wieder veraltet sind". Kai Voet van Vormizeele (CDU) hält dagegen: "Aus unserer Sicht ist das der mildeste Eingriff, um an belastbare Planungsdaten zu kommen - die wir dringend in Deutschland brauchen." Statistiker gehen davon aus, dass 1,3 Millionen Einwohner weniger in Deutschland leben als bisher angenommen. Entsprechend ungenau sei die Grundlage wirtschaftlicher und politischer Entscheidungen.