Der Eigentümer Klausmartin Kretschmer könnte eine Räumung erzwingen. Das will der Hamburger Senat jedoch unbedingt verhindern.

Hamburg. Die Rote Flora im Schanzenviertel gilt bei Hamburgs Behörden als Zentrum einer linken, gewaltbereiten Szene. Und diese Gewalt könnte zum Flächenbrand werden, wenn das seit 20 Jahren von Autonomen besetzte ehemalige Filmtheater durch Polizisten geräumt werden sollte. Ein solches Szenario droht allerdings: Im März läuft eine Art Vetorecht der Stadt aus, wenn der umtriebige Immobilieninvestor Klausmartin Kretschmer und Eigentümer das Gebäude verkaufen sollte. Die Stadt erwägt deshalb nach Abendblatt-Informationen jetzt selbst den Ankauf der Roten Flora. Verhandlungsführer aufseiten der Stadt ist demnach Altonas Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose, die Finanzbehörde soll ebenfalls beteiligt werden. "Bei dem Gespräch zwischen Warmke-Rose und Kretschmer wird ein Vertreter der Finanzbehörde mit am Tisch sitzen", sagt Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde.

INTERVIEW: Wann endet Ihre Geduld mit den Rot-Floristen, Herr Kretschmer?

Die Verhandlungspartner selbst wollen sich nicht äußern, weil offenbar Stillschweigen vereinbart wurde. "Kein Kommentar zu diesem Thema", sagen dann auch beide, Warmke-Rose und Kretschmer, unisono. Doch der Druck ist groß: Denn nicht nur das Ende des Vetorechts macht der Stadt Sorgen; Denkbar ist auch folgende Situation: Kretschmer, der sich auch als "Kulturinvestor" versteht und gerade in ein neues Künstlerquartier am Oberhafen Geld gesteckt hat, hatte das Gebäude 2001 für einen "politischen Preis" von umgerechnet 189.000 Euro von der Stadt gekauft, die dort endlich Ruhe haben wollte. Die Rote Flora, so steht es im Kaufvertrag, sollte fortan als gemeinnütziges Stadtteilzentrum genutzt werden.

Seit Herbst 2009 weist Kretschmer aber immer wieder darauf hin, dass die sogenannten Rot-Floristen gar kein offenes Zentrum betreiben würden. Zudem hätten sie keinen Nutzungsvertrag. Aufseiten des Bezirks Altonas gibt es nun die Befürchtung, dass Kretschmer schon jetzt eine Räumung verlangen und sich beim Landgericht einen entsprechenden Titel holen könnte. "Dann kommt der Gerichtsvollzieher, zieht nach wenigen Sekunden ab und bittet die Polizei um Hilfe, die dann Hundertschaften aus anderen Bundesländern zur Unterstützung holen muss", sagt ein hochrangiger Mitarbeiter im Rathaus Altona.

"Diejenigen, die sich in der Roten Flora versammeln, werden wohl mit einem Beschluss des Gerichtsvollziehers nicht zum Verlassen zu bewegen sein", befand kürzlich Heino Vahldieck, Chef des Hamburger Verfassungsschutzes in einem "Welt"-Interview. Mit anderen Worten: Die Rote Flora, "Dreh- und Angelpunkt der Szene" (Vahldieck), könnte dann Mittelpunkt wochenlanger Straßenkämpfe werden.

Das aber wäre wohl selbst nicht im Interesse eines Hardliners wie Innensenator Ahlhaus (CDU), dem Ambitionen auf eine Bürgermeister-Nachfolge nachgesagt werden. Möglich daher, dass sich seine Behörde in die Gespräche einschaltet.

Offen ist allerdings, welchen Preis Kretschmer verlangen könnte. Der Kaufvertrag hat nämlich noch eine Klausel: Sollte die Rote Flora nicht mehr als öffentliches Stadtteilzentrum, sondern beispielsweise für den Bau von Wohnungen im mittlerweile ziemlich teurem Schanzenviertel verkauft werden - dann fällt die Differenz zwischen Verkehrswert als Wohnhaus und dem weit geringeren Verkehrswert als Stadtteilzentrum der Stadtkasse zu.

So oder so: Für Kretschmer dürfte das Räumungs-Drohszenario ganz gut passen: Die schwierige Immobilie wäre er los, und ein Verlust ist da eher nicht zu erwarten. So hat er selbst schon einmal verlauten lassen, ihm liege ein Angebot über 19 Millionen Euro vor. Denkbar ist aber auch, so wird spekuliert, dass er sich mit der Stadt über einen Grundstückstausch unterhalten wird. Im Oberhafen, an der Elbchaussee oder in der Innenstadt gebe es genug Flächen, die ihn interessieren würden.

Im Übrigen wäre Ahlhaus nicht der erste Innensenator, der den Wiederankauf der Roten Flora betreiben würde. Auch Ronald Schill traf sich als gerade ernannter Innensenator 2001, um mit Kretschmer über einen Kauf zu verhandeln. Damals soll es bereits um einen deutlich höheren als den ursprünglichen Kaufpreis gegangen sein, doch Kretschmer lehnte ab. Die Motivation von Schill dürfte jedoch eine andere gewesen sein als heutige Bestrebungen: Eine spektakuläre Räumung hätte seinerzeit seinem Scharfmacher-Image gut angestanden. Heute geht es eben um etwas anderes, wie ein CDU-Politiker aus Altona meint: "Damals hat die Stadt die Rote Flora verkauft, um Ruhe zu haben - heute kauft sie zurück, um wieder Ruhe zu haben."