Große Preiswende: In der Lübecker Bucht und auf Sylt werden Wohnungen und Häuser günstiger. Experten erklären die Gründe.
Wer in den Immobilienportalen nach einer Ferienwohnung an der Ostsee schaut, wird sich noch immer über so manche Preise wundern. Da kostet ein Appartement in Niendorf an der Ostsee 420.000 Euro. Es liegt nur 200 Meter vom Strand entfernt, ist mit 42 Quadratmetern aber gerade mal groß genug für ein Paar.
Für eine Wohnung im ehemaligen Maritim Clubhotel in Timmendorfer Strand, das in einigen Etagen Eigentumswohnungen bietet, werden 680.000 Euro aufgerufen, für zwei Zimmer und 73 Quadratmeter. Zwar ist die Aussicht auf das Meer aus dem Hochhaus wunderschön, doch die Immobilie stammt aus den 70er-Jahren und hat ihre beste Zeit hinter sich.
Timmendorfer Strand: Immobilien werden günstiger
Die Summen, die hier verlangt werden, stehen am Ende einer Nachfrage- und Preisrallye, die in den vergangenen zehn Jahren wohl beispiellos war. Günstige Darlehen, Strafzinsen der Banken für größere Geldbestände und zuletzt die Pandemie, die dem Urlaub in Deutschland einen großen Attraktivitätsschub gebracht hat – all diese Faktoren haben die Werte von Wohnungen an den Küsten vervielfacht. Doch nun dreht sich der Markt: Die Makler beobachten in etlichen Regionen fallende Preise.
Nach einer Analyse von McMakler Research wurden Objekte an der Ostseeküste im zweiten Quartal dieses Jahres weniger teuer (minus 0,6 Prozent) angeboten als in den drei Monaten zuvor. An der Nordsee stiegen die Preise nurmehr um 0,5 Prozent. „Die aktuelle Gemengelage aus steigenden Inflationsraten, erhöhten Zinsen sowie Baukosten wirkt sich zunehmend auf den deutschen Immobilienmarkt aus. An der Nord- und Ostseeküste bremsen sinkende Kaufpreise und ein erhöhtes Angebot aktuell die Preisdynamik“, sagt Felix Jahn, Gründer von McMakler, zu der Entwicklung.
Abwärtstrend bei den Preisen
Insgesamt weisen sieben der zwölf von der Maklerfirma analysierten Ostseeregionen einen Abwärtstrend bei den Preisen auf. Dazu gehören die Gebiete um Rostock, Rügen, Usedom und die Region in und um Kiel. Eher wertstabil bleiben die Gebiete Flensburg und Fehmarn.In der Region Lübeck sind die Kaufpreise laut McMakler Research im Quartalsvergleich um 2,4 Prozent gefallen, auf durchschnittlich 3960 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Im Vergleich zu anderen Standorten von Ferienimmobilien an der Ostsee, etwa auf Rügen und Fehmarn oder in der Region Flensburg, liegen die Preise in der Lübecker Region aber nach wie vor an der Spitze.
Für viele Hamburger waren und sind Orte wie Timmendorfer Strand oder Scharbeutz besonders reizvoll, weil sie nur etwa eine Autostunde von der Hansestadt entfernt sind. Gerade dort können Interessenten jetzt auf etwas günstigere Angebote hoffen. „Wir beobachten derzeit einen leichten Preisrückgang bei Ferienimmobilien an der Lübecker Bucht“, sagt Jens Hillbrunner, Geschäftsführer von Engel & Völkers Timmendorfer Strand.
„Mondpreise“ nicht mehr durchsetzbar
Diese Entwicklung sieht der Marktkenner als eine „gesunde Korrektur der zuletzt stark gestiegenen Immobilienpreise der letzten Jahre“. Es kämen derzeit vermehrt Objekte in Scharbeutz und Timmendorf auf den Markt. „Viele Kapitalanlegerinnen und -anleger verkaufen jetzt ihre Immobilie, um den Gewinn aus den Wertzuwächsen der vergangenen Jahre zu realisieren“, beschreibt Hillbrunner die Lage. Käufer hätten dadurch erstmals wieder die Chance, zwischen mehreren Objekten zu wählen.
„Wir erhalten deutlich weniger Kaufanfragen und besichtigen nicht mehr so häufig wie noch vor einem halben Jahr“, ergänzt Leo Möllerherm von der gleichnamigen Maklerfirma in Scharbeutz. „Mondpreise“ seien nicht mehr durchsetzbar. Und nahezu jeder Interessent versuche zu handeln.
Viele Luxus-Immobilien auf Sylt
Ein Auslöser für die Zurückhaltung ist der Anstieg der Zinsen. Möllerherm rechnet vor, wie sich der Finanztrend beim Erwerb auswirken kann: Bei einer Immobilie für angenommene 500.000 Euro Kaufpreis und einer Kreditsumme von 400.000 Euro ergebe sich bei vier Prozent Kreditzinsen und zwei Prozent Tilgung eine monatliche Belastung von etwa 2000 Euro. Zum Vergleich: Noch Anfang dieses Jahres wären bei damals rund ein Prozent Zinsen und zwei Prozent Tilgung nur 1000 Euro pro Monat fällig gewesen.
An der Westküste Schleswig-Holsteins ragt Sylt traditionell mit Luxus-Immobilien hervor. Die Summen, die hier erreicht werden, gehören zu den höchsten Preisen bundesweit, schließlich ist das Angebot auf der schmalen Insel begrenzt. Aktuell steht in Westerland beispielsweise eine 23-Quadratmeter-Wohnung für 550.000 Euro zum Verkauf, in einem der architektonisch fragwürdigen Appartementblocks am Kurstrand.
Selbst auf Sylt sind die Preise unter Druck geraten
Nach den Auswertungen von McMakler geraten nun aber besonders die hohen Summen, die in den Strandregionen im Westen Schleswig-Holsteins für Wohnungen und Häuser verlangt werden, unter Druck: Die Preise pro Quadratmeter auf Sylt seien vom ersten zum zweiten Quartal um 4,5 Prozent auf durchschnittlich 10.629 Euro gesunken. Einen noch höheren Rückgang verzeichneten die Ostfriesischen Inseln (minus 5,8 Prozent) auf Quadratmeterpreise von durchschnittlich 8633 Euro, so die Auswertung von McMakler Research.
In Top-Lagen mit einem sehr begrenzten Angebot, etwa entlang der ersten Meereslinie, gibt es hingegen keinen Abwärtstrend. So halte etwa an der Strandallee am Timmendorfer Strand die hohe Nachfrage an, sagt Jens Hillbrunner von Engel & Völkers, „da ein Großteil der Kaufinteressentinnen und -interessenten sehr eigenkapitalstark ist“.
Ostsee und Nordsee: Nachfrage auf Sylt weiterhin hoch
Ähnlich ist die Lage auf Sylt: „Die Nachfrage – insbesondere in den Top-Lagen der Insel – ist weiterhin konstant hoch“, beschreibt Silke Hagenah, Geschäftsführende Gesellschafterin von Engel & Völkers Sylt-Kampen, die Situation. Die gestiegenen Zinsen hätten wenig Einfluss auf das Marktgeschehen, da der Großteil der Kundinnen und Kunden die Kaufobjekte selbst finanziere und nicht auf einen Kredit angewiesen sein.
Zugleich sind die Aussichten auf gute Erträge für Immobilieneigentümer in norddeutschen Ferienregionen gut: So weisen laut der Auswertung von McMakler Research die Nord- und Ostseeküste im Quartalsvergleich ein Wachstum der Bruttomietrenditen auf. Die Nordsee mit einem Plus von 3,2 Prozent, die Ostsee mit einem Plus von 2,8 Prozent. Schließlich bleibt Urlaub in Deutschland wegen steigender Flugpreise und anhaltender Unwägbarkeiten in der Pandemie attraktiv, was sich sowohl bei den Kosten für Hotelzimmer wie auch bei den Mietpreisen für Ferienwohnungen zeigt. „Aufgrund der fallenden beziehungsweise stagnierenden Kaufpreise und der steigenden Mieten, lassen sich in den analysierten Regionen gute Renditen erzielen“, bilanziert McMakler-Chef Jahn.