Klaus-Michael Braumann ist Professor für Sportmedizin an der Universität Hamburg.
Hamburger Abendblatt:
Warum ist Bewegung so wichtig?
Klaus-Michael Braumann:
Bewegung ist eine Grundvoraussetzung für das normale Funktionieren unserer Organe. Bei Bewegungsmangel "verstopft" der Stoffwechsel, überschüssig zugeführte Energieträger lagern sich in Form von Fetten ab. Besonders das Bauchfett produziert Substanzen, die zu einer Art Entzündung führen und an der Entstehung von Bluthochdruck, Arteriosklerose und Diabetes beteiligt sind. Durch Muskeltätigkeit werden dagegen antientzündliche Stoffe gebildet, die das ausbalancieren.
Was kann man tun, wenn im Alltag keine Zeit für Bewegung ist?
Braumann:
Bewegung lässt sich doch überall in den Alltag einbauen. Beim Zähneputzen kann man Kniebeugen machen, man kann die Treppe statt des Aufzugs benutzen und sollte generell so viel wie möglich gehen. Wer täglich 5000 bis 10 000 Schritte macht, kann dadurch viele Krankheiten vermeiden.
Hilft Bewegung auch, gesund zu werden?
Braumann:
O ja, Bewegung ist ein sehr effektives Therapiekonzept. Sie hilft nicht nur bei den bereits erwähnten Erkrankungen, sondern beugt auch Demenz vor und erhält die intellektuelle Leistungsfähigkeit.
Welche Gründe gibt es Ihrer Meinung nach dafür, dass sich viele Menschen zu wenig bewegen?
Braumann:
Sie haben es verlernt. Noch vor 50 Jahren etwa liefen wir zwischen zehn und 20 Kilometer am Tag, heute sind es nur noch 300 bis 400 Meter. Viele wissen gar nicht, wie es sich anfühlt, vor Anstrengung zu schwitzen. Mittlerweile sind zwei Drittel der über 60-Jährigen nicht mehr in der Lage, ohne Pause drei Etagen Treppen zu steigen. Das muss man ihnen wieder beibringen.
Welche Bewegungsarten empfehlen Sie?
Braumann:
Grundsätzlich ist jede Form von körperlicher Aktivität sinnvoll, bei der der Energieumsatz gesteigert wird. Dazu gehören also auch die erwähnten Alltagsbelastungen. Wer sich sportlich betätigen möchte sollte darauf achten, dass Ausdauer, Kraft und vor allem die Koordinationsfähigkeit trainiert werden. Dabei wird die Bedeutung eines Krafttrainings oftmals unterschätzt: Es schützt vor Osteoporose und hilft beim Abnehmen. Jedes Kilo Muskulatur verbrennt im Jahr nur durch seinen erhöhten Stoffwechsel 2,5 Kilo Fett.
Kann Bewegung auch schaden?
Braumann:
Ja, bei akuten Infekten oder wenn man sich nach längerer sportlicher Abstinenz ohne Abklärung des Gesundheitszustandes einer ungewohnten hohen Anforderung aussetzt. Das typische Beispiel hierfür wäre der Mittfünfziger, der sich zehn Jahre lang kaum bewegt hat und dann beim Fußballturnier mit Kollegen einen Herzinfarkt bekommt.