Harburg/Winsen. Die schöne, heile Sportwelt in Finnland tat uns lange gut. Wie der Harburger Sport mit Corona umgeht.
Es hatte etwas von schöner, heiler Sportwelt. Und ich muss sagen, es tat mir gut, am Sonnabendnachmittag zwei Stunden vor dem Fernseher zu sitzen. Keine regelmäßigen Updates über die Verbreitung des Coronavirus, keine Diskussionen, wie lange das gesellschaftliche Leben stillstehen wird, keine Mutmaßungen, ob die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Spiele verschoben werden müssen.
In Finnland und vor dem Fernseher scheint die Welt noch in Ordnung
Einfach vor dem Fernseher sitzen, einfach Sport gucken, einfach Biathlon genießen. Wie an jedem anderen Sonnabend auch. Sonne hier, Sonne im fernen Kontiolahti. Dort oben an der Grenze zwischen Finnland und Russland schien die Sportwelt noch in Ordnung. Nun gut, es durften keine Zuschauer im Stadion sein. Ebenso kann und muss man über die Entscheidung des Biathlon-Weltverbandes IBU diskutieren, ob es richtig war, die Einzelwettbewerbe durchzuziehen. „Ich weiß nicht, ob es das richtige Signal ist, das wir aussenden“, sagte der Leitende Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer – vollkommen zu Recht.
Und doch tat das, was da über den Bildschirm flimmerte, gut. Ein letztes Mal für nicht auf absehbare Zeit live mitfiebern mit den Größen des Sports. Miterleben, wie Denise Herrmann nach acht Schießfehlern weit zurückfällt oder der stets solide Arnd Peiffer auf den fünften Platz nach vorn skatet. Dazu die spannenden Duelle im Kampf um den Gesamtweltcup, die letztlich an die Titelverteidiger Johannes Thingnes Bö (Norwegen) und Dorothea Wierer (Italien) gingen.
Emotionen und Umarmungen beim Abschied von Fourcade und Mäkäräinen
Große Emotionen hatte der Abschluss der Weltcupsaison ebenfalls zu bieten. Da bekam auch der Zuseher auf dem Sofa feuchte Augen. Zwei der Allergrößten der vergangenen zehn bis 15 Jahre verkündeten vor den Verfolgungsrennen ihr Karriereende. Als wenn das Coronavirus noch nicht bis nach Finnland vorgedrungen zu sein schien, scherten sie sich wenig um die Empfehlung, anderen Sportlerinnen und Sportlern bloß nicht zu nahe zu kommen. Sie kamen ihnen nahe, sie drückten sie, sie hielten sie lange im Arm, sie verdrückten gemeinsam Tränen. Kein Gedanke an eine mögliche Infektion.
Martin Fourcade gewann sein letztes Rennen. Auf den Tag genau zehn Jahre, nachdem er an gleicher Stelle erstmals im Weltcup gesiegt hatte. Ewig lange blieb der Franzose im Zielraum, umarmte zum Abschied so gut wie jeden anderen Biathleten, der sich für die Verfolgung qualifiziert hatte – das sind 60 an der Zahl. Und auch Lokalmatadorin Kaisa Mäkäräinen ließ es sich nicht nehmen, ihre großartige Karriere mit zahllosen Umarmungen zu beenden.
Nach zwei Stunden Unbeschwertheit hat uns die Realität wieder
Es war so schön, es war so emotional, es war fast wie immer. Und doch war dieser unbeschwerte Ausflug – manch einer mag es Flucht nennen – in die schöne, heile Sportwelt bald zu Ende. Spätestens als eine Stunde später in der Sportschau über den Fortgang der Bundesligasaison diskutiert wurde. Spätestens beim Blick aufs Handy, das offenbarte, das nach allen Verbänden auch die großen Sportvereine dazu übergehen, den Trainingsbetrieb auf ihren Sportanlagen bis auf weiteres einzustellen.
Der TSV Winsen entschloss sich dazu, ebenso der TSV Buchholz 08, die Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft (HNT) und TuS Fleestedt, um einige zu nennen. Der Versuch eines Überblicks:
TSV Winsen: „Der Vereinsvorstand hat in einer Telefonschalte einstimmig beschlossen, ab Freitagmorgen alle Kurse, Sportveranstaltungen, Trainings, Spiele, Wettkämpfe und Zusammenkünfte zunächst bis zum 31. März auszusetzen und das TSV-Gelände bis zu diesem Datum zu schließen. Wir folgen damit zum Großteil der einzelnen Sportverbände unseres Bundeslandes“, heißt es in einer Mitteilung, die unter anderem an den verschlossenen Toren des Jahnplatzes zu lesen ist.
TSV Buchholz 08: „Der TSV Buchholz 08 ist der Familienverein mit Tradition. Aus dieser Verantwortung heraus hat der Vorstand entschieden, den Trainingsbetrieb mit sofortiger Wirkung bis vorerst zum Ende der Osterferien einzustellen“, sagte der Vorsitzende Holger Petruschke. „Wir bedanken uns bei allen Trainerinnen und Trainern sowie Übungsleiterinnen und Übungsleitern, die mit Ruhe und der gebotenen Sorgfalt den Betrieb aufrecht erhalten haben.“
HNT: Beim größten Sportverein im Süden Hamburgs sind mehr als 5000 Mitglieder betroffen. Vorerst bis einschließlich 29. März stellt die Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft den Trainings- und Sportbetrieb vollständig ein. Davon sind alle Vereinsangebote in den vereinseigenen und öffentlichen Hallen als auch auf den Sportplätzen betroffen. Ebenso stellt das Vereinsfitnessstudio „FitHus“ den Betrieb ein.
„Das Präsidium hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir bitten die Mitglieder um Verständnis für diese bis dato einzigartigen Maßnahmen und hoffen auf Solidarität“, sagte HNT-Präsident Mark Schepanski. Stand Sonnabend gebe es keine akuten Verdachtsfälle in der Turnerschaft, daher werde die Geschäftsstelle weiterhin besetzt sein.
TuS Fleestedt: Die Verantwortlichen des Seevetaler Vereins gehen einen Schritt weiter und stellen den gesamten Spiel- und Trainingsbetrieb zunächst bis Sonnabend, 18. April, ein. Zuvor hatte der TuS Fleestedt die für Freitagabend angesetzte Generalversammlung aufgrund der aktuellen Situation abgesagt. „Wir werden erneut einladen, sobald sich die Lage beruhigt hat. Jetzt geht es erstmal darum, Sportler und Nachbarn in Seevetal und Umgebung zu schützen“, sagte der Vorsitzende Walter Hagemann.
Sportfachverbände uneins über die Dauer der Generalabsage
Spätestens am Freitag hatten alle Sportfachverbände den Spielbetrieb in ihrem Zuständigkeitsbereich mit sofortigen Wirkung eingestellt und ihren Mitgliedsvereinen empfohlen, auch den Trainingsbetrieb bis auf weiteres ruhen zu lassen. Uneins sind sich die Verbände allerdings darüber, wie lange sie wohl auf einen regulären Spielbetrieb verzichten müssen. Der Niedersächsische Fußball-Verband (NFV) hat alle Spiele bis einschließlich Montag, 23. März, abgesagt. Die Generalabsage des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) gilt für alle Spiel- und Altersklassen und gilt bis einschließlich Dienstag, 31. März – also acht Tage länger als in Niedersachsen.
Das Präsidium des Handball-Verbandes Niedersachsen (HVN) hat den Spielbetrieb vorerst bis zum Ende der Osterferien am Sonntag, 19. April, ausgesetzt. Die gleiche Frist gilt für den Handball auf Bundesebene, sprich die 1. und 2. Bundesliga der Männer und Frauen. Am Donnerstag hatte die Handball Bundesliga Frauen (HBF) nur den Spieltag an diesem Wochenende ausgesetzt, am Freitag legte der Ligaverband dann mit der Absage von drei weiteren Spieltagen bis einschließlich 19. April nach.