Wilhelmsburg. Justus Hollatz ist eine feste Größe bei den Bundesliga-Basketballern der Hamburg Towers.

Justus Hollatz kommt zu spät. Mehr als 20 Minuten. Dass der 18 Jahre alte Spielmacher der Hamburg Towers mit Verspätung zum Abendblatt-Gespräch erscheint, hat jedoch Gründe. Mike Taylor, Trainer des Bundesliga-Aufsteigers, hatte länger trainieren lassen – die Towers befinden sich nach sieben Niederlagen in acht Saisonspielen im Tabellenkeller der Basketball-Bundesliga (BBL). Einer der Hoffnungsträger im Abstiegskampf ist Justus Hollatz, der noch bei seinen Eltern in Harburg-Langenbek wohnt.

Vor wenigen Wochen wurde das Talent gegen die MHP Riesen Ludwigsburg erstmals in die Startformation der Wilhelmsburger beordert. „Am Dienstag vor dem Spiel in Ludwigsburg hatte ich mit Mike noch Individualtraining. Da hat er mir zugeflüstert, dass ich starten werde“, erinnert sich Hollatz. Besonders aufgeregt sei er jedoch nicht gewesen. „Für mich ist das nichts anderes, als von der Bank zu kommen. Es ist dasselbe Spiel“, sagt er.

Im Finalspiel der zweiten Basketball-Bundesliga ProA warf er die Hamburg Towers per Dreier zur Zweitliga-Meisterschaft. Die Belohnung folgte wenige Wochen später: Als erster Spieler der Towers-Vereinsgeschichte erhielt Justus Hollatz einen Profivertrag für die erste Liga – mit einer Laufzeit über drei Jahre.

„Ich hatte erst gar nicht gedacht, dass ich so viel spielen würde. Seit März war es dann klar, dass ich in Hamburg bleibe. Dass ich im Sommer dann aber den ersten Vertrag bekomme wusste ich nicht. Das ist natürlich etwas Besonderes“, sagt Hollatz. „Ich habe mir es auch durch den Kopf gehen lassen, in den USA ans College zu gehen. Ich bin aber zu dem Entschluss gekommen, dass ich mich hier weiter entwickeln kann. Die USA wären natürlich noch etwas ganz anderes, ich bin hier aber gut aufgehoben.“

Im kommenden Frühjahr steht das Abitur an

Ohnehin hätte der Langenbeker erst das Abitur machen müssen – noch besucht er die Eliteschule des Sports am Alten Teichweg. „Ich habe gerade eine Klausurenphase hinter mir, die ziemlich hart war. Der Verein hilft mir aber bei der Belastung“, sagt er. Im kommenden Frühjahr stehen die Abitur-Prüfungen an – der Towers-Spielmacher lebt zwischen Klassenzimmer und erster Bundesliga.

Ist die Belastung durch den Aufstieg gewachsen? „Die Trainingsabläufe sind eigentlich gleich geblieben. Wir bereiten uns noch präziser auf die Gegner vor, die Videoanalysen sind noch länger. Jedes System wird einmal durchgelaufen, damit man sieht, wie man auf dem Feld handeln muss. Beim Spiel wird jeder Fehler vom Gegner sofort ausgenutzt. Alles ist präziser und schneller“, sagt Justus Hollatz.

Seit über einem Jahr sind sämtliche Towers-Heimspiele in der Wilhelmsburger edel-optics.de Arena mit 3400 Zuschauern ausverkauft. Die Hamburg Towers sind seit ihrer Gründung im Jahr 2013 zu einer Marke geworden – die Zuschauerresonanz ist entsprechend. Trotz der ausbleibenden Ergebnisse in der ersten Liga bleibt die Ticketnachfrage ungebrochen. Im April ziehen die Wilhelmsburger für das Spiel gegen den FC Bayern München testweise in die über 10.000 Zuschauer fassende Barclaycard Arena nach Stellingen.

„Die Fans sind der Wahnsinn. Trotzdem spiele ich lieber auswärts. Das war irgendwie schon immer so. Wenn ein Spiel knapp ist und man dann einen Korb macht, ist die Halle auf einmal ganz leise. Das motiviert mich noch mehr als wenn unsere Fans laut sind“, sagt Hollatz. Dass er mittlerweile von Fans auf der Straße angesprochen werde, stört ihn nicht.

„Meistens sind es diese geheimnisvollen Blicke, wo Leute so zu mir rüber schielen. Das passiert in Wilhelmsburg natürlich häufiger. Wenn ich manchmal bei meiner Schwester in Hittfeld beim Basketball zugucke, werde ich natürlich öfter mal angesprochen. Es ist aber nicht so, dass ich nicht mehr aus dem Haus gehen könnte“, scherzt er. Herren-Bundestrainer Henrik Rödl verfolgt die Karriere des Langenbekers: „Justus Hollatz gehört zum Kader unserer U18-Nationalmannschaft, seine Entwicklung verfolge ich mit Spannung.“

Konkurrenz auf der Spielmacher-Position

Trotz eines überzeugenden Auftritts in Ludwigsburg erhielt der 18-Jährige wenige Tage später neue Konkurrenz auf der Spielmacher-Position. Der Mexikaner Jorge Gutierrez (30) wechselte mit der Empfehlung von 47 NBA-Spielen für die Brooklyn Nets, Milwaukee Bucks und Charlotte Hornets an die Elbe.

Trainer Mike Taylor beorderte den Mexikaner bei den folgenden Niederlagen gegen Göttingen und Ulm direkt in die Startformation, Justus Hollatz musste zunächst auf der Ersatzbank Platz nehmen. „Jorge hat sehr viel Erfahrung. Justus kann sich ein Beispiel an ihm nehmen. Das ist eine gute Kombination für die Zukunft“, sagte Taylor.

Justus Hollatz sieht den neuen Konkurrenten als Chance. Und obwohl Gutierrez am Sonntag in Ulm beginnen durfte, erhielt Hollatz mit 25:37 Minuten die meiste Spielzeit. „Jorge ist sehr erfahren und ähnelt mir von der Spielweise. Er hat in der besten Liga der Welt gespielt und das sieht man. Der weiß ganz genau, was er wann macht. Von dem kann ich auf jeden Fall ordentlich etwas lernen“, sagt Hollatz.

Auch Heiko Schaffartzik (35) diene mit 115 Länderspielen sowie zwei Deutschen Meisterschaften als Vorbild. „Ich will natürlich möglichst viel von Heiko und Jorge lernen. Der Altersunterschied spielt da keine Rolle, im Kopf sind die alle noch ziemlich jung“, sagt Justus Hollatz.

Nach der Zweitliga-Meisterschaft könnte der Langenbeker am 11. Dezember einen weiteren persönlichen Erfolg feiern. Bei der 14. Hamburger Sportgala ist er neben Ruderer Torben Johannesen und Beachvolleyballspieler Clemens Wickler in der Kategorie „Hamburgs Sportler des Jahres 2019“ nominiert.

Basketball-Familie

Justus Hollatz lebt in einer Basketball-Familie: Auch sein älterer Bruder Jacob (21) spielt als Profi für die EWE Baskets Oldenburg. In der laufenden Saison kam Jacob Hollatz jedoch nicht über einen Erstliga-Kurzeinsatz hinaus, in der Regel läuft er in der drittklassigen ProB für das Nachwuchsteam der Oldenburger auf.

Am 5. Januar gastieren die Hamburg Towers in Oldenburg. „Das ist das, was wir früher immer wollten. Damals haben wir im Garten Eins-gegen-Eins gespielt, jetzt kann das in der ersten Bundesliga passieren“, sagt Justus Hollatz über ein mögliches Aufeinandertreffen.