Buchholz. Die Buchholzer Lokalmatadorin hatte es schwer gegen die Herausfordererin aus Frankreich. Das Urteil fiel aber deutlicher aus als viele dachten.
Der Mann kennt sich aus, seine Stimme hat Gewicht. In- und außerhalb des Rings. Immerhin war die Euro Boxing Night in Buchholz die insgesamt 417. Veranstaltung in 32 Jahren, die Gerhard Müller als Ringsprecher begleitete. Den 71-Jährigen aus Ashausen darf man ohne Übertreibung als den deutschen Michael Buffer bezeichnen. Er hat bei den großen Kämpfen der Klitschkos gesprochen, hat Dariusz Michalczewski, Felix Sturm und Regina Halmich in den Ring gerufen und die Urteile verkündet. Und wenn Müller sagt „bei den kleineren Veranstaltungen gibt es oft bessere Kämpfe als bei großen“, nimmt man das dem legendären Ringsprecher der Universum Boxpromotion Hamburg ab.
Diese Einschätzung galt auch für die erste Profiboxveranstaltung in der Nordheidehalle. 1000 Zuschauer, so die Angaben von Veranstalter Joachim Voss, erlebten bei der fünfstündigen Veranstaltung neun Kämpfe, von denen nur zwei nicht das ganz große Niveau hatten. Legenden der Boxsportszene, wie der zehnfache Schwergewichts-Weltmeister Juan Carlos Gomez und Erwin Heiber aus Hamburg, hatten sich ebenso wie Kiez-Legende Karl-Heinz Schwensen am Ring versammelt, um im Hauptkampf die Lokalmatadorin kämpfen und siegen zu sehen.
Die ursprüngliche Taktik konnte sie nicht umsetzen
Für Alicia Melina Kummer aus Buchholz ging es um vier WM-Gürtel. Vor gut einem Jahr war sie in der Empore Weltmeisterin von vier verschiedenen Verbänden geworden. Für die Titelverteidigung hatte ihr Promoter Elias Venetis, zugleich ihr Trainer, mit Prisca Vicot aus Frankreich eine Gegnerin verpflichtet, die nicht umsonst den Kampfnamen „Die Kriegerin“ trägt.
Die 30 Jahre alte Kummer, die mit einem Gewicht von 62,5 Kilogramm bei 1,74 Meter Körpergröße das Limit für das Halbweltergewicht erfüllte, stieg aufgrund ihres Kampfrekords von zwölf Siegen in 13 Profikämpfen, acht davon durch K.o., als Favoritin in den Ring. Allerdings unterstrich die Französin von vornherein ihre Ambitionen auf die WM-Gürtel. Sie machte der mit kräftigen „Ali, Ali“-Rufen angefeuerten Alicia Melina das Leben richtig schwer.
Schon in der ersten Pause wurde Trainer Elias Venetis laut. „Was machst Du eigentlich? Wo sind die Hände? Hör mir zu!“, schrie er seinen Schützling an. Kummer schaffte es aber auch in der Folge nur selten, die vereinbarte Taktik umzusetzen. „Eigentlich sollte ich sie lang boxen und mit dem Jab auf Distanz halten“, sagte Kummer nach dem Kampf, „im Training ist das einfacher. Wenn Du hier oben stehst, wirfst Du Vieles über den Haufen.“
Der Kampf war härter als erwartet
So lieferten sich Vicot und Kummer über die volle Kampfdauer von zehn Runden á zwei Minuten einen heftigen Schlagabtausch, der die Zuschauer begeisterte. Welche Ansprache Trainer Venetis auch wählte, ob energisch oder besonnen, an Kummers Stil änderte sich wenig. Mehrfach hatte sie Probleme mit den Kontaktlinsen, Rico Jahn wurde herbeigerufen. „Das ist mein Ex-Freund. Wir haben ihn für heute angestellt. Er wusste am besten, wie es mit den Linsen geht“, sagte die Buchholzerin lächelnd.
Kurz vor der Urteilsverkündung wirkte ihr Blick doch etwas unsicher. Der Kampf war viel härter als erwartet, vor allem viel ausgeglichener. Letztlich hatten aber alle drei Wertungsrichter die Titelverteidigerin und Lokalmatadorin auf ihren Zetteln vorn: 97:93, 97:93 und 96:94 lauteten die Urteile. Die Ecke der Französin sah das naturgemäß anders und setzte noch im Ring zu einem Wortgefecht mit Elias Venetis an. Aber das gehört beim Boxen auch dazu.
Zur Entspannung geht es in den Urlaub auf die Malediven
Gerhard Müller brachte es auf den Punkt. „Bei vier Runden Rückstand hätte ich mich als Manager auch aufgeregt. Eine Runde Vorsprung oder ein Unentschieden wäre für mich das passende Urteil gewesen“, sagte Gerhard Müller dem Abendblatt. „Sie hat schwer gelitten“, berichtete Veranstalter Joachim Voss, gleichzeitig der Vater von Alicia Melina, tags darauf, „sie ist nicht verletzt, hat aber überall blaue Flecken und Blessuren, sogar auf dem Rücken.“
Spätestens nach dem Urlaub auf den Malediven im April werden alle Wunden verheilt sein. „Ich möchte gern in den USA boxen. Es gibt immer wieder Anfragen“, sagt Kummer, die in der unabhängigen Weltrangliste an Position fünf geführt wird, über ihren nächsten Pläne. Der Auftritt in Übersee wäre wahrscheinlich kein Titelkampf, eine Pflichtverteidigung der WM-Gürtel muss innerhalb von neun Monaten erfolgen.