Buchholz. Lokalmatadorin Alicia Melina Kummer gewinnt den Hauptkampf beim ersten Boxevent in der Empore und will jetzt in den USA durchstarten.
Weltmeisterschaft im Profi-Boxen! Auch Generationen, die dabei nicht an Max Schmeling denken, haben immer noch große Erwartungen. Dass die Champions Night in der Empore in Buchholz veranstaltet wurde, überraschte deshalb schon. Erst recht, als sie erfuhren, dass der Star des Abends, Titelverteidigerin Alicia Melina Kummer, eine Buchholzerin ist.
Das war nicht zu überhören, als ihre Titelverteidigung im Superleichtgewicht bzw. Halbweltergewicht angekündigt wurde. Juchzen und Toben und Trampeln und Klatschen. Die Empore schien abzuheben. Fast 800 Gäste – und alle freuten sich auf die Lokalheldin, die aus ihren Vornamen „Alicia Melina“ einen Markennamen gemacht hat. Das Fotomodell, die Sängerin und inzwischen vierfache Boxweltmeisterin heißt Kummer mit Nachnamen, wiegt 62,8 Kilogramm und hat von ihren bisher zwölf Kämpfen elf gewonnen, acht davon durch Knock-out.
Als der Ringsprecher das mit dramatisch anmutender Stimme bekanntgab, wurde oben, von der Empore innerhalb der Empore, eine große Deutschlandfahne entrollt. Als dann, wie es bei offiziellen Weltmeisterschaftskämpfen Vorschrift ist, „Betzy“, eine Sängerin aus Buchholz, das Deutschlandlied anstimmte, wurde es still, geradezu andächtig und feierlich. Für die Gegnerin, Lina Tejada, das kleine Kraftpaket, wurde die Nationalhymne der Dominikanischen Republik gespielt.
Es war ein harter Fight -zwischen den beiden Frauen – zehn Runden lang. Jeweils zwei Minuten, ohne Schonung, mit unerbittlichen Gefechten. Dabei will ich mich grundsätzlich bekennen: Ich liebe und achte diese Duelle, Mann gegen Mann, entschieden mit den Fäusten. Lange mochte ich das Frauenboxen nicht. Es war und ist mir zum Teil noch immer zu brutal. Frauen kennen meist kein Abtasten, kein Vorgeplänkel, kein Taktieren. Sie marschieren nach vorne und schlagen drauf los.
So war es auch in der Empore. Lina Tejada, die Herausforderin aus der Karibik, stapfte mit eingezogener Schulter nach vorne und schlug, die Linke, die Rechte, zielte auf den Kopf, tiefer auf den Körper, traf und schlug genauso viele Luftlöcher. Nach der ersten Minute bereits kamen aus dem Halbdunkel die „Ali-Ali-Rufe“. Die Verehrer der schönen Lokalheldin spürten, dass Alicia Melina Unterstützung brauchte.
Dabei war die schlanke und doch kraftvolle Boxweltmeisterin aus Buchholz von Beginn an bemüht, ihre kleinere Gegnerin auf Distanz zu halten. Sie blieb die Herrin im Ring, vor allem, weil sie eine beherzte Kämpferin ist, die keine Rückzieher macht und furchtlos jeden Schlagabtausch erwidert. Manchmal auch zum Entsetzen ihres Trainers Elias Venetis, dessen laute Anweisungen die ganze Arena mitbekam.
Es war dieses furchtlose Selbstbewusstsein, das Alicia Melina Kummer in den Boxring brachte. Sie war gerade zur Miss Schleswig-Holstein gekürt und als Nummerngirl bei einem Frauenboxkampf engagiert worden. „Als wir zuschauten“, erzählt Vater Joachim Voss, „sagte Alicia: die würde ich beide aus dem Ring hauen. Das hat Niko Weinhart, der frühere Fußballprofi, gehört und prompt den ersten Kampf für uns organisiert.“ Das ist noch keine vier Jahre her und nach zwölf Kämpfen ist die Tochter gleich vierfache Weltmeisterin bei vier Verbänden.
Vor wenigen Jahren war Kummer Miss Schleswig-Holstein
Alle vier Titel standen beim Kampfabend in Buchholz auf dem Spiel. Selbst in der letzten Minute der zehnten Runde hatte sie die wilden Schläge der Gegnerin abwehren müssen. Erst als Alicia Melina Kummer von den drei Punktrichtern einstimmig zur Siegerin erklärt wurde, war in der Empore die Hölle los. Der Jubel und die Freudentänze wurden auch nicht gedämpft, als der Manager der Geschlagenen wütend einen Plastikeimer in den Ring schleuderte.
Dass der Kampf um die WM-Gürtel von vier Verbänden überhaupt zustande kam, so wurde in den Kulissen gemunkelt, hatte die Veranstalter viele Nerven gekostet. Sie hatten die Kampfsumme erst überwiesen, als ein Foto eintraf, das Lina Tejada samt Trainer und Manager im Flugzeug zeigte. Diese drei waren schon wieder auf der Rücktour, da stand Alicia Melina mit vier schweren Weltmeistergürteln beladen im Ring, und hob die Fäuste und wurde gefeiert. Ein Problem des internationalen Boxsports ist, dass kaum jemand noch den Überblick hat, wie viele Verbände und wie viele Weltmeister es in den einzelnen Gewichtsklassen überhaupt gibt.
Eine schlanke, attraktive blonde Frau im Boxring – das allerdings ist auch für Amerika eine besondere Attraktion. Der Weg über den großen Teich ins Traumland aller Faustkämpfer ist für Alicia Melina Kummer vorbereitet. „Ende Mai oder Anfang Juni wird sie dort kämpfen“, verkündete Elias Venetis, der gemeinsam mit Joachim Voss auch Veranstalter des Kampfabends in Buchholz war. In Oklahoma soll ein Acht-Runden-Kampf gegen Mia St. John, die sich in ihrer langen Karriere den Ehrentitel „The Knockout“ verdient hat, stattfinden.
Der Kampfabend in der Empore ging mit einem zweiten, spektakulären Weltmeisterschaftskampf zu Ende. Im Leichtgewicht der Junioren traf Nico Venetis, Sohn des Trainers und Promoters, auf Norbert Eszenyi, einen flinken dünnen Ungarn. Der blieb in der zweiten Runde nach dem zweiten Niederschlag am Boden sitzen. Nico Venetis gewann mit seinem 16. Sieg in seinem 16. Kampf (elf davon durch K.o.) erstmals einen WM-Gürtel.