Todtglüsingen. Todtglüsinger SV ist auf dem Vereinsgelände am Baggersee Gastgeber für das 5. niedersächsische Gorodki-Turnier mit 50 Teilnehmern.

Das Lockwort auf dem weißen Plakat las sich recht geheimnisvoll. „Gorodki“ stand in dicken, schwarzen Buchstaben auf einem Hinweisschild. Es war an der B 75 bei Todtglüsingen an einem Baum befestigt und der Pfeil wies in einen Feldweg. Dem neugierigen Gast, der auf das weitläufige Freizeitgelände des Todtglüsinger Sportvereins einbog, bot sich beim ersten Blick eine sommerliche Idylle. Kinder sprangen auf dem Grün umher, und auch die Erwachsenen waren sommerlich gekleidet und bester Laune.

Die Männer und die Frauen aber, die ein gepflastertes Viereck betraten, hielten dicke Knüppel in ihren Händen, die recht massiv wirkten. Aber auch manche Besitzer der Knüppel waren ausgesprochen kräftig gebaut. Einer dieser Männer mit einem auffälligen T-Shirt in Orange nahm einen Stock in die Hand und peilte Holzklötze an, die ein paar Meter vor ihm aufgebaut waren. Dann schleuderte er die zwei Kilo schwere Stange und die Holzklötzchen spritzten nach allen Seiten weg. Applaus brandete auf. „Toll gemacht Konstantin“, riefen die Zuschauer.

Der neugierige Besucher war mitten drin im 5. niedersächsischen Gorodki-Turnier. Was er da sah, ist ein uralter russischer Volkssport, über viele Jahrzehnte sogar der populärste nach Fußball in dem riesen Reich.

„Das Schwierige dabei ist, dass du den Stock bei jeder Figur anders werfen musst, wenn du alle fünf Holzklötze auf einmal abräumen willst“, erklärt Samuel Kraft, der sportliche Leiter des Gorodki-Teams Niedersachsen. „Ehe du das richtig begriffen hast, musst du zwei Jahre üben“, bestätigt sein deutschstämmiger Nachbar aus Uelzen, den ein Arbeitskollege aus Weißrussland für diesen Volkssport aus dem Osten begeistert hat.

Aus dem fernsten Osten weit hinter dem Ural, aus der Großstadt Chabarowsk am Amur ist Konstantin Krivoscheew nach Todtglüsingen gekommen, um den Leuten den Spaß an dem Wurfspiel zu bringen. Vor drei Jahren hat der 37-jährige studierte Sportlehrer begonnen, den Sport aus seiner Heimat auch auf dem Gelände am Baggersee in Todtglüsingen bekannt zu machen.

Auch ältere Frauen und Männer aus Osteuropa können so integriert werden

Der Großverein mit den rund 7300 Mitgliedern hat – überwiegend von den Mitgliedern dieser Sparte – die Anlage mit den Spielfeldern anlegen lassen. Dreimal in der Woche wird hier trainiert und gespielt. Und Konstantin Krivoscheev, der angestellte Sportlehrer, ist nicht nur der Trainer. Man muss dem durchtrainierten, eher zurückhaltenden Mann nur ein paar Würfe zusehen, um zu erkennen, wie perfekt er dieses seltsame Spiel beherrscht. Vor allem, wenn er aus 13 Metern Entfernung die 20 Zentimeter langen Holzklötze von der Spielfläche fegt.

Zum dritten Mal bereits wurde das niedersächsische Gorodki-Turnier am Baggersee in Todtglüsingen ausgetragen. Auf der Einladung stand nicht nur der gastgebende Verein sondern auch der Landessportbund Niedersachsen. Und der Deutsche Olympische Sportbund war mit seiner Aktion „Integration durch Sport“ ebenfalls vermerkt.

„Wenn wir Menschen durch den Sport integrieren wollen“, sagt der Integrationsbeauftragte vom Landessportbund Hans Grote, „sollten wir ihnen auch Aktivitäten anbieten, die sie von Kindheit an aus ihren Heimatländern kennen. Gorodki ist besonders ideal, weil wir damit auch ältere Frauen und Männer aus Kasachstan, Weißrussland, der Ukraine und aus Russland in die Vereine locken können.“

Die Integrations-Bemühungen der Sportvereine, die von der Bundesregierung mit 5,4 Millionen Euro jährlich gefördert werden, sind dabei so aktuell wie nie. So schaute auch Almut Eutin, die Vorsitzende des Kreissportbundes Harburg-Land, bei dem Turnier vorbei. Ob sie denn auch versuchte habe, einen der dicken Stöcke zu schleudern? „Um Gottes willen“, antwortete sie lachend, „ich hätte Angst, damit Leute zu erschlagen.“ Gerhard Netzel, der Bürgermeister von Tostedt, hingegen ist aktiver Dauergast. „Was mir hier besonders gefällt, ist die tolle Gemeinschaft. Es ist nicht so verbissenen, kein Konkurrenzdenken. Da freut sich jeder über einen meisterlichen Wurf des anderen.“

Insgesamt nahmen 50 Aktive aus sieben Vereinen an dem Turnier teil. Und Sieger in der schwierigsten Disziplin der Männer, den Würfen aus 13 Metern Entfernung, wurde Konstantin Krivoscheew, der Trainer und Spartenleiter beim Todtglüsinger SV. Und Ehefrau Diana war dazu die stärkste Werferin bei den Frauen.