100 Tage ist Peter Dörsam jetzt Bürgermeister in Tostedt. Anstelle eines Interviews hat das Abendblatt zum Spaziergang gebeten.

Manches musste Tostedts neuer Bürgermeister Peter Dörsam erst einmal lernen. Zum Beispiel, dass er nicht selbst herumfragt, um herauszufinden, wer welchen Schlüssel für ein Gebäude der Gemeinde hat. Um solche Dinge kümmert sich das Sekretariat. „Das hatte ich erst einmal nicht so drauf“, sagt Dörsam.

Jetzt schon. Freundlich, fast zurückhaltend fragt Dörsam nun die Sekretärinnen im Vorzimmer, ob sie ihm den Schlüssel zum Freibad besorgen könnten. Minuten später am Freibad, langes Gesicht. Der Schlüssel passt nicht. Vielleicht die falsche Tür? Doch Dörsam wäre nicht Dörsam, wenn er sich von so etwas leicht aus der Ruhe bringen lassen würde. Er probiert jeden einzelnen Schlüssel am Bund der Reihe nach durch, ruckelt. Nichts passiert. Dann stellt er fest, dass die Tür gar nicht abgeschlossen ist. Gelöstes Lachen.

Das Freibad ist nicht umsonst die erste Station des Spaziergangs. Dörsam ist ein Verfechter des Freibads und setzt sich für seine umfangreiche Sanierung ein. Nicht, weil er selbst einen Großteil seiner Jugend hier verbracht hat. Vielmehr guckt der 48-Jährige genau darauf, was die Bürger von Tostedt wollen, und die haben sich mit einer Mehrheit von 83 Prozent für den Erhalt des Bads ausgesprochen. „Es gibt ein klares Bürgervotum für das Freibad“, sagt Dörsam. „Mal ganz abgesehen davon, dass zu einer Gemeinde in der Größe von Tostedt ein Freibad gehört.“

Das Bad macht einen ernüchternden, fast traurigen Eindruck. Becken, Rutsche, Einmeterbrett. Hinten ein Nichtschwimmerbereich. Viel anders sah es vor 30 Jahren auch nicht aus, als Dörsam einen Großteil seiner Jugend hier verbrachte und sich mit Freunden Wettkämpfe lieferte, wer als erstes die 1000 Meter voll hat. „Das Holzhäuschen ist noch dasselbe“, sagt Dörsam. „Nur ein Dreimeter-Sprungbrett gab es damals noch.“

Dafür kostet der Eintritt nichts. Dörsam erzählt, die Honorarkosten für das Personal am Badeingang hätten die Einnahmen derart überstiegen, dass die Gemeinde lieber keinen Eintritt nimmt. Damit ist er bei seinem Lieblingsthema: die Kosten. Mit Zahlen kennt sich der promovierte Volkswirt, der seine Doktorarbeit über die Finanzierung öffentlicher Investitionen geschrieben hat, aus. Das lässt sich auch leicht an der Liste seiner veröffentlichten Bücher ablesen: Mathematik – anschaulich dargestellt, Grundlagen der Finanzierung, Grundlagen der Investitionsrechnung, Wirtschaftsstatistik, Oberstufenmathematik – leicht gemacht.

Ein Foto mit ihm vor dem Archiv des PD Verlags will er jedoch lieber nicht in der Zeitung sehen. Er möchte nicht als der Bürgermeister rüberkommen, der sich nicht von seiner Vergangenheit – dem Management des PD-Verlags – lösen kann. Das sagt viel darüber aus, wie sehr er unter Druck steht. Zuletzt hatte Harald Stemmler, Fraktionsvorsitzender der WG, heftig auf ihn eingedroschen, nachdem Dörsam den Haushalt wegen der Schuldenerhöhung auf 23 Millionen Euro abgelehnt hatte.

So ganz kann er die Aufregung darüber nicht verstehen. „So einmalig ist das gar nicht“, sagt er. Er sieht seine Ablehnung des Haushalts immer noch als richtigen Schritt. „Hätte ich für den Haushalt gestimmt, wäre es inkonsequent gewesen.“ Denn er ist mit dem Versprechen an die Wähler angetreten, künftig die Verschuldung der Gemeinde abzubauen. Da will er Wort halten. Deshalb findet er, dass der Neubau der Grundschule Todtglüsingen für 4,2 Millionen viel zu teuer ist. Deshalb hatte er ein neues Raumkonzept für die Grundschule Poststraße entworfen, um die Räume anders als nur für schulische Zwecke zu nutzen. Bislang scheiterte er, gibt aber nicht auf. Immer weiter, Schritt für Schritt. So wie damals, als er als kleiner Junge den Baum hinaufkletterte.

Peter Dörsam muss etwas suchen, bis er seinen Kletterbaum findet. „Ist ja mehr als 30 Jahre her.“ Einmal um die Ecke gebogen. Da steht er noch an der Poststraße, Ecke Im Stocken. „Damals stand er noch frei.“ Jetzt ist der Baum von einem Zaun umringt und dahinter steht ein Wohnhaus.

Einmal hinaufklettern, Herr Dörsam? „Neeee“, sagt er. „Da kriegen sie mich nicht rauf.“ Was er nicht will, will er nicht. Und von dem, was er will, lässt er sich nicht so leicht abbringen. „Wenn ich von etwas überzeugt bin, will ich es auch so machen“, sagt er. „Ich glaube aber schon, dass ich mir sehr genau Gegenargumente anhöre. Ich kann durchaus überzeugt werden.“

Einfach ist das aber nicht. Dörsam ging in seiner Kindheit durch eine harte Schule bei seinem Vater, von Beruf Lehrer, der unter anderem Philosophie studierte und Unterbezirksvorsitzender der SPD war. In den Diskussionen am Familientisch mit seinem jüngeren Bruder und zeitweise bis zu vier Pflegekindern entschied immer nur das bessere Argument. Eines dieser besseren Argumente liefert jetzt Dörsam für eine neue Gestaltung des historischen Ortskerns zwischen Dieckhofstraße und „Am Sande“: „Dass die Menschen zusammen kommen.“ Dörsam biegt von der Straße „Am Sande“ in den kleinen Pfad Richtung Himmelsweg ein. Ein hübsches Kleinod mit grünen Wiesen tut sich auf. Schafe grasen. Vögel zwitschern. Dörsam möchte, dass dieses Areal erhalten, aber für die Tostedter „erlebbarer“ gemacht wird. Die Zaungestaltung gefällt ihm nicht. „So lädt die Fläche nicht recht zum Aufhalten ein. Eine Erneuerung muss aber immer im Einklang mit den Eigentümern geschehen“, sagt Dörsam.

Zurück zum Rathaus, Ende des Spaziergangs. Dass er einmal als Bürgermeister vor dem Rathaus steht, hätte Dörsam nie gedacht. „Es war auch nicht mein Lebensziel“, sagt er. Was ihn antrieb, war der Wunsch etwas zu ändern und die vielen Menschen, die ihn aufforderten, zu kandidieren. „Und wenn ich etwas mache, dann auch richtig.“