Der Harburger Reitverein weiht seinen neuen Vielseitigkeitsparcours mit Showtraining und viel Prominenz ein. Einst schätzten auch Olympiasieger Claus Erhorn und Herbert Blöcker die Geländestrecke.

Harburg. Das erste, was man spürt, ist diese heitere, etwas feierliche Stimmung rund um den neuen Vielseitigkeitsplatz des Harburger Reitvereins von 1925. Andrea Sjursen-Stein, die erste Vorsitzende, begrüßt lächelnd und mit einem Glas Sekt in der Hand die Gäste. Oben vom Richterturm lässt die Bläsergruppe Estetal ihre Jagdhörner durch das Tal erschallen. Der Hamburger Schleppjagdverein hat Master Jens Möllering mit einer Meute von 21 Foxhounds entsandt, die neugierig kläffend auch die vielen Kinder erfreuen. Es war ein bisschen wie bei einer Taufparty. Mit der hat der Reitverein sein neues Zuhause für die Vielseitigkeitsreiter populär gemacht. Eva Römer und Andrea Hupfeld, Hamburgs Landestrainern für den Vielseitigkeitssport, werden hier regelmäßig Training geben und die neue Sparte aufbauen.

Obwohl die Bezeichnung „neu“ so nicht ganz stimmt. „Wir wollen die Vielseitigkeit, die vor Jahrzehnten stark war in unserem Verein, neu beleben“, erläutert die Vorsitzende. „Einer der ersten Schritte war, dass uns Christel Hinrichs, die Schwester unserer Trainerin Eva Römer, fünf transportable Hindernisse gestiftet hat.“

Vor einem steht Katharina Völksen, eine junge Reiterin aus Buxtehude. Ihr Pferd Raikja scheut zurück. Das Hindernis besteht nur aus zwei Stangen, dazwischen liegt ein kleiner Graben. Das Pferd weigert sich aber auch beim zweiten und dritten Versuch. „Nicht antreiben“, ist der Rat der Landestrainerin übers Mikrofon zu hören. „Lass die Zügel locker. Das Pferd muss selbst wollen“. Und dann, ein Sprung fast aus dem Stand und die Zuschauer applaudieren. Die Reiterin ist selbst überrascht und so erfreut, dass sie gleich noch einmal mit Raikja über den kleinen Graben setzt.

Diese ersten kleinen Lehrstücke für die Vielseitigkeit bilden das Herzstück der feierlichen Parcourseinweihung. Es ist „Lolo“, wie Andrea Hupfeld auch von den Kindern gerufen wird, die vermittelt, was auch die Eltern und Großeltern am Rande begreifen, die nicht selbst im Sattel sitzen. „Siehst Du die Möhren vor dem Hindernis? Die haben Dein Pferd erschreckt. Du musst immer mit allem rechnen, musst so im Sattel sitzen, dass Du reagieren kannst. Einer der wichtigsten Grundsätze heißt: Denke positiv, aber sitze negativ im Sattel.“

Olympiasieger Claus Erhorn schätzte die Geländestrecke in den Harburger Bergen

Aber es sind nicht nur Neulinge, die beim Harburger Reitverein den reiterlichen Dreikampf aus Dressur, Geländeritt und Springen neu beleben. Jens Protepny bekam einen Sonderapplaus, als er mit seinem Pferd im gestreckten Galopp über den Parcours preschte. Der Tierarzt ist nach längerer Abstinenz wieder Vielseitigkeitsprüfungen geritten. Und auch Melanie Rechlin will nach einer Babypause wieder in der Vielseitigkeit aktiv werden.

Franz Peter Bockholt, der Präsident des Hamburger Landesverbandes der Reit- und Fahrvereine, war zum Neustart nach Harburg gekommen, weil gerade an der Hansestadt der Boom des Vielseitigkeitssports vorbeizieht. „Die meisten Vereine haben nicht das Gelände dafür“, erläutert der Mann, der selbst als Springreiter schon manchen Sieg auf dem Turnierplatz des Harburger Reitvereins erkämpfte. „In Duvenstedt gibt es eine kleine Abteilung, dann bei unserer Landestrainerin und ihrem Verein Reiter vom Wesenberg in Neu Wulmstorf. Und hier wir jetzt die dritte Vielseitigkeitssparte neu aufgebaut.“

Dabei hatten die Harburger vor vielen Jahren noch eine starke Vielseitigkeitsabteilung und eine Geländestrecke, die auch bei Top-Reitern beliebt war. „Claus Erhorn, Olympiasieger von 1988, hat bei uns trainiert“, erzählt Eva Römer, die an der Seite von Erhorn auch als Trainerin in Luhmühlen arbeitet. Herbert Blöcker ist mit seinen Pferden gekommen und auch Andreas Dibowski. Wir haben hier Berge, da kann man mit den Pferden Kraft und Kondition erarbeiten“. Wegen dieser Geländestrecke war die Sparte allerdings auch weggebrochen. „Wir bekamen von einigen Landwirten keine Genehmigung mehr, ihre Wiesen zu benutzen“, nennt Römer den Grund für das Aus des Vielseitigkeitssports in Harburg.

Nun will sie ihn gemeinsam mit Andrea Hupfeld wieder in Schwung bringen. Im Dezember bieten die beiden noch einen Trainingstag an. Im Januar und Februar dann jeweils zwei, wegen des Winterwetters wohl in der Halle. „Das Interesse ist da“, bestätigt Eva Römer, „es gibt zahlreiche Anfragen. Wobei wir uns beim Neuaufbau vor allem auf Kinder und Jugendliche konzentrieren. Es sind immer mehr Eltern, die erkennen, dass es nicht gut ist, wenn sich Acht- oder Neunjährige schon auf die Dressur oder das Springen konzentrieren. Im Gelände lernen auch die Kleinsten mit ihren Ponys und Pferden, sich im Sattel auszubalancieren. Das Vielseitigkeitstraining bringt ihnen mehr Sicherheit und Selbstvertrauen. Es ist und bleibt die ideale Grundlage für den gesamten Reitsport.“