Harburg. Die Harburger Weltmeisterin im Kickern Linh Tran spielt zum ersten Mal in den USA. Dort wird alles anders sein – sogar der Tisch.
In einem Irish Pub in Harburg hat alles angefangen: Dort stand Linh Tran 2014 zum ersten Mal mit ihrem Freund am Kickertisch – und verliebte sich spontan. Heute ist die 27-jährige Harburgerin Tischfußball-Weltmeisterin, sowohl bei den Damen als auch mit der deutschen Nationalmannschaft. Ihren Sport betreibt die Bundesligaspielerin hochprofessionell – und bricht damit bewusst das Klischee der Kneipensportart.
Frau Tran, am Mittwoch beginnt in Las Vegas die „Hall of Fame Classic Tour“ im Tischfußball, Sie sind mit zwei anderen Hamburger Bundesligaspielern dabei. Was haben Sie in Ihren Koffer gepackt?
Linh Tran: Ach, wir Tischfußballer/-innen brauchen gar nicht so viel. Aber wichtig sind natürlich die eigenen Bälle und Bänder, die wir für den richtigen Grip brauchen. Wir wickeln die vor dem Spiel um die Griffe der Stangen und lösen sie danach wieder ab. Und natürlich mein Jet-Armband für den richtigen Grip beim Schießen, Trikots, Sportklamotten – und Öl für die Stangen, braucht man auch immer mal.
Sie sind aktuelle Weltmeisterin im Dameneinzel und mit dem Nationalteam. Welche Erwartungen nehmen Sie mit in die USA?
Das ist in diesem Fall gar nicht so leicht zu beantworten. Für mich ist es meine erste Reise in die USA überhaupt und deshalb auch das erste Mal, dass ich dort auf einem Profiturnier starte. Es wird also viel Neues auf mich zukommen. Hinzu kommt, dass ich in Las Vegas nicht auf meinem Heimtisch spiele. Es gibt ja in meiner Sportart verschiedene Tische, auf denen man gegeneinander antritt, und in den USA ist es der Tornado – mein Heimtisch wiederum ist von Leonhart. Jeder Tisch hat seine Eigenheiten. Das heißt, ich muss mich in den USA zunächst einmal auf einen völlig neuen Spielstil einlassen.
Inwiefern?
Beim Tornado-Tisch sind die Puppen breiter, der Ball ist schwer und hart, die Oberfläche sehr eben und glatt. Das macht das Spiel extrem schnell, weil es der Tisch eben hergibt. Und darauf muss ich mich dann auch einstellen, weil es anders zu verteidigen ist. Für mich als Europäerin bedeutet das eine Umstellung, denn wenn mein Gegner schnell spielt und damit schnelle Entscheidungen trifft, dann muss ich mindestens genauso schnell entscheiden, wie ich diesen Gegner verteidigen möchte. Das Spiel wird dadurch intuitiver, weniger analytisch.
Haben Sie sich für die Vorbereitung den anderen Tisch extra angeschafft?
Nein, glücklicherweise gibt’s im Sidekick in Harburg einen Tornado-Tisch, auf dem habe ich im Vorfeld viel trainiert. Zusätzlich zum Tisch ist in den USA aber auch der Spielmodus anders, was vor allem damit zu tun hat, dass es sich beim Tischfußball in den USA eher ums Business dreht und weniger um den Sport. In Deutschland ist alles recht stark auf den Sport ausgelegt, was auch gut ist, weil wir ja eines Tages olympisch werden möchten. Zum Beispiel sind die Startgelder sehr hoch in den USA.
Wie viel haben Sie bezahlt?
Ich habe jetzt insgesamt 500 Euro Startgeld bezahlt, das ist im Verhältnis schon viel. Wenn ich in Europa ein größeres Turnier spiele, kostet mich das meist so um die 100 Euro.
Womit rechnen Sie im Ergebnis?
Ich habe meine Ziele, bin sehr ambitioniert und zielstrebig. Ich glaube eigentlich immer daran, dass ich jeden und jede schlagen kann. Ob ich es dann schaffe, wird man sehen. Ich gebe mein Bestes, und wenn es nicht reicht, dann habe ich mein Bestes gegeben, mein Gegner oder meine Gegnerin hat verdient gewonnen und ich kann daraus lernen.
Welche Tradition hat Tischkickern eigentlich in den USA? Der „echte“ Fußballsport auf dem Rasen ist dort ja nicht annähernd so groß wie in Europa oder Südamerika.
Da gibt es tatsächlich eine erstaunliche Geschichte zu erzählen, denn in den 70er-Jahren war „Foosball“ in den USA mal richtig, richtig groß – bis dann in den 80er-Jahren der Sport einstürzte. Der Grund sind die Videospiele, die damals groß wurden. Das lässt sich tatsächlich ganz gut zurückverfolgen: In dem Moment, als die ersten Arcade-Videospiele auf den Markt kamen, verlor Kickern immer mehr an Popularität.
Pacman hat also quasi den Tischfußball gefressen?
In den USA schon, und das ist natürlich extrem schade. 2020 gab es eine interessante Dokumentation über die Geschichte dieses Sports in den USA, die auf ESPN lief und auch über unsere Szene hinaus für Aufmerksamkeit sorgte. Es gab Million-Dollar-Turniere … kaum zu glauben, was heute davon übriggeblieben ist.
Wo ist in dieser Hinsicht die Hall of Fame Classic Tour einzuordnen?
Es gibt zwei große Turniere in den USA, die herausstechen: Das ist zum einen die Tornado World Championships, die immer im Spätsommer in Kentucky stattfinden – und eben die Hall of Fame Classic Tour, für die ich mich entschieden habe. Übrigens auch, weil ich mir von dort aus nach dem Turnier noch ein paar Tage den Südwesten der USA anschauen kann, zum Grand Canyon werde ich zum Beispiel fahren. Und das alles war übrigens auch schon für 2020 geplant. Ich hatte mich angemeldet, das Flugticket war gekauft, aber dann kam Corona. Nun ist es endlich so weit.
Reisen Sie eigentlich ganz allein?
Ja, ich reise allein. Ich vergleiche uns Tischkicker-Profis gern mit den Tennisspielern, die sind ja auch immer allein unterwegs zu ihren Turnieren. Nur: Die Doppel-Disziplin hat bei uns deutlich mehr Gewicht als beim Tennis. Und natürlich trete ich in Las Vegas auch im Doppel an, zusammen mit meiner Partnerin Ecaterina Sarbulescu. Ich bin also nicht allein, reise aber allein. Es ist sehr aufregend alles.
Aufregend auch im Hinblick auf die Gegner und Gegnerinnen? Oder kennt man sich in der Elite einer so kleinen Sportart ohnehin schon seit Jahren?
Ich habe schon gegen einige US-Amerikanerinnen gespielt bei den großen Turnieren, allerdings war das immer auf europäischem Boden. Denn was man wissen muss, ist, dass die amerikanischen Spieler/-innen am Tisch eine sehr aggressive Attitüde haben. Das kennen wir so in Europa nicht. Emotionen gibt es auch bei uns; natürlich ist klar, dass man die eigenen Tore feiert. Aber wenn ich ein Tor schieße, dann lasse ich die Stange nach meiner Schusstechnik einfach los und bejubele die gelungene Aktion. Spielt man gegen Amerikaner/-innen, kann es sein, dass er oder sie nach dem Tor die Stange x-mal aggressiv hin- und herreißt.
Gibt es dafür keine Regel?
Doch, aber die ist nicht ganz klar. Im Regelbuch steht, dass man bei aggressivem Verhalten wie Stangewerfen unterscheiden muss, ob der Spieler oder die Spielerin das für sich selbst macht, um zu jubeln – oder als Aktion gegen den Gegner, nur dann gibt es eine Verwarnung. In den USA wird Stangewerfen generell nicht als Aktion gegen den Gegner gewertet. In Europa wird es bei offensichtlichen Verhalten gegen den Gegner eigentlich immer verwarnt.
Auch sonst sind Amerikaner/-innen im Allgemeinen nicht besonders nett am Tisch, da geht es echt zur Sache ... da wird man auch mal angebrüllt. Natürlich sind nicht alle so, aber es kommt schon häufiger vor als in Europa. Deshalb war es mir so wichtig, mich genau darauf mental vorzubereiten: dass es nicht so laufen wird, wie ich es kenne. Dass nicht gegen die Regeln gespielt wird. Aber eben nach anderen.
Das Turnier wird auf www.insidefoos.com im Livestream übertragen. Wer Linh Tran auf ihrer Reise begleiten möchte, kann dies unter www.instagram.de/linh.tischfussball tun.