Handeloh/Buchholz. Nach dem EM-Titel Anfang November gewinnt der 59-jährige Armin Raible auch den WM-Titel im Cyclocross. Welche Hürden er zu meistern hatte.

Die Laune von Armin Raible sackte lange vor dem Startschuss in den Keller. Das war zu dem Zeitpunkt, als das Ergebnis der Startplatz-Auslosung bekannt gegeben wurde. An Position 70 von 76 Teilnehmern, also in der letzten Startreihe, sollte der Cyclocross-Europameister 2022 das Rennen bei den Masters-Weltmeisterschaften in East Suffolk nahe Ipswich in England aufnehmen. Dabei ist die Startreihenfolge gerade beim Crossfahren von eminenter Bedeutung. Doch einen Bonus für den Europameister – diesen Titel hatte Raible vier Wochen zuvor in Belgien gewonnen – oder eine Setzliste gibt es nicht.

Also war umso mehr der Taktiker im 59 Jahre alten Sportler von der Radsportgemeinschaft (RSG) Nordheide gefragt. „Ein Treppchenplatz sollte möglich sein. Ob es ganz nach vorn recht, weiß man nicht“, hatte er im Vorfeld gesagt. Auf der 250 Meter langen Teergeraden unmittelbar nach dem Start legten die Konkurrenten vergleichsweise ruhig los, es taten sich kaum Lücken zum Überholen auf. Also musste Armin Raible seine lange Aufholjagd im Gelände starten.

Taktisch geprägte Aufholjagd aus der letzten Startreihe

„Es ging darum, möglichst schnell und ohne Verlust nach vorn zu kommen“, sagte der hauptberufliche Radsporttrainer. „Ich habe versucht, dort zu fahren, wo nicht alle anderen fahren. Das ist zwar nicht die Optimallinie, aber man hat mehr Platz.“ Fahrtechnisch macht dem Mann aus Handeloh ohnehin niemand etwas vor in der Altersklasse der 60- bis 64-Jährigen.

Armin Raible (RSG Nordheide) auf seiner Crossmaschine bei der WM in East Suffolk in England.
Armin Raible (RSG Nordheide) auf seiner Crossmaschine bei der WM in East Suffolk in England. © Unbekannt | Silke Keil

Raibles Plan ging auf: er machte relativ schnell Platz um Platz gut und war bereits nach der zweiten von fünf, jeweils 2,8 Kilometer langen Runden in den Top-Ten angekommen. „Danach konnte ich etwas entspannter und vorsichtiger fahren“, berichtet der Cyclocross-Weltmeister. Wichtig auch, einen Sturz oder technischen Defekt unbedingt zu vermeiden.

Im Ziel 30 Sekunden Vorsprung vor einem Niederländer und Briten

Bis zur vierten Runde arbeitete der Führende aus der Nordheide zehn bis 15 Sekunden Vorsprung herausg. Im Ziel waren es satte 30 Sekunden auf die weiteren Medaillengewinner Ron Veeke (Niederlande) und John McGrath (Großbritannien). Raibles Freund René Ristau aus der Nähe von Berlin, mit dem er die fünftägige Reise über den Ärmelkanal im Wohnmobil bestritt, landete nach einem Defekt in der letzten Runde auf Rang 15.

„Abends haben wir ein bisschen Party mit Wein am WoMo gemacht. Sekt hatte ich nicht dabei, da bin ich abergläubisch“, erzählt der Titelträger, der in England zum ersten Mal Weltmeister im Cyclocross wurde. 2019 in Belgien hatte er Silber gewonnen, auf der Straße war ihm 2009 der Masters-WM-Titel gelungen.

Nächste Masters-Weltmeisterschaften im Dezember 2023 in Hamburg

Bis zu den nächsten Weltmeisterschaften im Dezember 2023 in Hamburg darf Armin Raible ein Jahr lang das begehrte Regenbogentrikot tragen, das alle Radsport-Weltmeister erhalten. Neben einer schönen Medaille bekam er vom Weltverband UCI auch ein 15-seitiges Pamphlet mit Regularien ausgehändigt, zu welchen Gelegenheiten er das Trikot tragen darf und wann nicht. „Bei Verstößen sind Geldstrafen zwischen 3000 und 5000 Euro vorgesehen“, zitiert er aus dem Inhalt. Ob diese angewendet werden, ist eine andere Frage.

Armin Raible (RSG Nordheide) im Regenbogentrikot bei der Siegerehrung neben dem Zweiten Ron Veeke (Niederlande, links) und dem Dritten John McGrath (Großbritannien, rechts).
Armin Raible (RSG Nordheide) im Regenbogentrikot bei der Siegerehrung neben dem Zweiten Ron Veeke (Niederlande, links) und dem Dritten John McGrath (Großbritannien, rechts). © Unbekannt | René Ristau

Ehefrau Iris Raible machte den Trip nach England anders als zuletzt nach Belgien nicht mit. Dafür spielte sie eine wichtige Rolle bei der Rückkehr. „Am Sonntag sollte ich sie unbedingt zu ihrem Pferd begleiten, obwohl ich wenig Lust hatte“, so Armin Raible. Bald kannte er den Grund.

Während seiner Abwesenheit vom Eigenheim in Handeloh hatten fast 30 Mitglieder der Radsportgemeinschaft Nordheide eine Überraschungsparty für ihren Weltmeister, der auch den Nachwuchs des Buchholzer Vereins trainiert, vorbereitet. Diesmal gab’s neben Würstchen und heißen Getränken natürlich auch Sekt!

Erst Bundesliga in Chemnitz, dann deutsche Meisterschaften in München

Am kommenden Wochenende, 10. und 11. Dezember, ist Armin Raible beim zwölften Renntag der Cyclocross-Bundesliga im sächsischen Chemnitz aktiv und Mitte Januar geht es zu den deutschen Meisterschaften in den Olympiapark nach München.