Harburg. Grüne und SPD wollen Trägerschaft für das Harburger Zentrum neu ausschreiben. Warum das bei anderen nicht gut ankommt.
Ist der Abgesang auf den Harburger Rieckhof in seiner bekannten Form bereits eingeläutet, oder hält das Bezirksamt sich noch eine Tür offen? Bislang waren die Pläne des Bezirksamts, die Trägerschaft des Rieckhofs neu auszuschreiben (das Abendblatt berichtete), dem langjährigen Trägerverein „Freizeitzentrum Harburg e.V.“ nur in einem informellen Gespräch zwischen der zuständigen Fachamtsleiterin Sonja Wichmann und dem Rieckhof-Geschäftsführer Jörn Hansen mitgeteilt wurden.
Doch nun finden offizielle Gespräche zwischen Bezirksamt und Trägerverein statt. Die Rot-Grüne Koalition in der Bezirksversammlung hält die Neuausschreibung für einen normalen Vorgang. Die Opposition ist darüber verärgert. Vor allem auch, weil weder in der Bezirksversammlung noch im Kulturausschuss der Rieckhof in letzter Zeit Thema gewesen wäre.
Bezirksamt begründet Ausschreibung mit Sanierung
„Ich halte das schon für sehr bemerkenswert“, sagt Ralf-Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU und damit größten Oppositionspartei in der Bezirksversammlung. „Da finden monatelang Gespräche zwischen SPD, Grünen und Bezirksamt statt, und die anderen Parteien werden nicht informiert. Stattdessen lässt man sich noch stolz mit dem Finanzsenator fotografieren und dafür feiern, dass dieser Geld für die Sanierung des Hauses bereitstellt.“
Glaubt man dem Bezirksamt, drängte sich die Idee der Neuausschreibung allerdings erst auf, als mit der Zusage der Sanierungshilfe im vergangenen Herbst feststand, dass der Rieckhof für den Umbau mehrere Monate geschlossen werden muss. Weil Geschäftsführer Jörn Hansen in dieser Zeit auch die Rentenberechtigung erreicht, ging man von einer Doppel-Zäsur aus, die dies Vorgehen nahelegte. Dass Hansen noch zwei Jahre länger arbeiten möchte, war Sozialdezernentin Anke Jobmann zu dem Zeitpunkt nicht bekannt.
Lesen Sie auch:
Andererseits sagt die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Heinke Ehlers, dass sie bereits seit einem Jahr Gespräche mit der Dezernentin über die Zukunft des Rieckhofs führe. Außerdem sei die Neuausschreibung des Rieckhofs schon Gegenstand der Koalitionsverhandlungen gewesen und finde sich auch im Koalitionsvertrag wieder, nämlich in dem Ziel, „dass Stadtteilkulturzentren ihre Potenziale entwickeln können und Raum für neue Konzepte haben“.
Von der geplanten Neuausschreibung wusste nicht einmal der Vorsitzende des Kulturausschusses der Bezirksversammlung, Heiko Langanke (Linke). „Es spricht Bände, dass wieder mal Fakten geschaffen werden, statt den Dialog zu nutzen“, sagt er. „Es mag eine in ihrer langen Geschichte nicht immer einfache Zusammenarbeit mit dem Rieckhof gegeben haben. Aber weder die Politik mit einzubeziehen noch ein besseres Nutzungskonzept überhaupt zu haben, um dann den Kündigungshammer zu ziehen, ist das denkbar schlechteste Vorgehen. Es ist auch etwas seltsam, im Regionalausschuss Harburg über die Sanierungs- und Umbaupläne des Rieckhofs zu referieren und kein Wort über die geplante Kündigung des bisherigen Nutzers fallen zu lassen“.
CDU und Linke loben Arbeit des bisherigen Trägers ausdrücklich
Wer sich einmal ansehe, was in den Jahren vor der Pandemie im Rieckhof stattgefunden habe, könne sich auch nicht über mangelnde Vielfalt beschweren. Die Gruppenräume des Stadtteilzentrums seien stets ausgebucht gewesen und was dort angeboten worden ist, hätte eine große Bandbreite bedient. Man dürfe den Rieckhof nicht auf den Saal reduzieren. Darauf würde auch ein Teil der Sanierung abzielen: Die Gruppenräume noch besser und unabhängig voneinander sowie vom Saal nutzbar zu machen. Das alles würde das Bezirksamt ignorieren. „Mit seinem Fürstengehabe hängt sich der Bezirk vom Weltstadt-Diskurs ab“, sagt Langanke.
Auch Ralf-Dieter Fischer sieht an der bisherigen Arbeit des Rieckhofs wenig auszusetzen. „Hier sind große Namen und kleine Künstler aufgetreten und sicherlich mag nicht jeder alles, was stattfindet, aber das ist nun mal kulturelle Vielfalt!“
Ander Kulturaktive in Harburg befremdet von dem Vorgehen
Bei anderen Kulturaktiven in Harburg sieht man das Vorgehen von Koalition und Bezirksamt mit Befremden: „Ich bin entsetzt!“, sagt Heimo Rademaker, Sprecher der Initiative Suedkultur und Clubwirt. „Das haben Jörn Hansen und sein Team nicht verdient! Nach 37 Jahren erfolgreicher Kulturarbeit ist so ein Vorgehen inakzeptabel. Und es ist auch riskant: Wer weiß denn, ob ein neuer Träger vom Senat mit den gleichen Mitteln ausgestattet wird, wie jetzt der Rieckhof.“
Vor allem die Intransparenz des Vorgehens mache ihm Sorgen, so Rademaker: „Wenn dieser Stil Schule macht, kann ja kein Kulturschaffender im Bezirk mehr verlässlich planen!“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Richter versteht die Aufregung nicht: „Ich halte es für normal, zunächst den betroffenen Verein zu informieren, was gerade passiert, bevor etwas in öffentlichen Gremien diskutiert wird“, sagt er.
Die Harburger Politik wird die Angelegenheit in nächster Zeit noch häufiger beschäftigen. Die CDU hat eine 32 Punkte umfassende Anfrage zu dem Vorgang eingereicht. Und heute Abend steht das Thema auf der Tagesordnung des Kulturausschusses. Der tagt virtuell und öffentlich ab 18 Uhr. Wer teilnehmen will, kann einen Zuschauer-Link per E-Mail an bezirksversammlung@harburg.hamburg.de bestellen.