Hamburg. Von Moorburg nach Altenwerder: Ausblicke auf die Elbe und Container-Riesen – und auf die Bräuche im Alten Land.

Zum Jahresbeginn die Beine vertreten, ohne allzu vielen anderen allzu nahe zu kommen? Es gibt in Hamburg nur wenige Ecken und Strecken, wo das geht. Ein Geheimtipp: Moorburg und Altenwerder. Auf verwunschen anmutenden Pfaden kann man hier Kontraste erleben: Einerseits das alte Elbdorf Moorburg mit Deichhäusern, Obsthöfen und viel Grün, andererseits der Hamburger Hafen mit streng durchautomatisiertem Containerumschlag, Logistikhallen und Spülfeldern.

Höhepunkt der Wanderung: Die St.-Gertrud-Kirche von Altenwerder

Und dann ist da noch der Höhe- und Wendepunkt der Wanderung, die St.-Gertrud-Kirche von Altenwerder – das einzige Gebäude, das den Abbruch des ehemaligen Inseldorfes überlebt hat. Die Runde ist gut siebeneinhalb Kilometer lang und lässt sich mit ein paar Schlenkern auf 9,5 Kilometer erweitern oder am Ende mit dem Bus um eineinhalb Kilometer kürzer schummeln. Die Wege sind eigentlich allesamt befestigt, aber nicht überall auch gut gepflegt. Robustes Schuhwerk ist also empfohlen.

Die Kirche St. Gertrud in Altenwerder. Sie ist das letzte Gebäude, das von dem Inseldorf blieb.
Die Kirche St. Gertrud in Altenwerder. Sie ist das letzte Gebäude, das von dem Inseldorf blieb. © Lars Hansen | Unbekannt

Start ist eine andere Kirche: St. Maria Magdalena in Moorburg. Wer die Moorburger Kirche am Moorburger Kirchdeich sucht, kommt 250 Jahre zu spät. Damals wurde die Kirche, nach der Deich und Straße benannt wurden, abgerissen. Der Nachfolgebau, die „neue“ Kirche, befindet sich am Nehusweg. Dort gibt es auch einige wenige Parkplätze, gegenüber dem Eingang zum Kirchhof. Mit dem Bus 157 vom Bahnhof Harburg aus erreicht man die Haltestelle „Moorburger Kirche“ ungefähr stündlich.

Scharmützel zwischen Harburger und Hamburger Soldaten

Was man in ganz Moorburg übrigens ebenso vergeblich sucht, wie ein Gotteshaus am Kirchdeich, ist eine Burg. Auch die ist längst Vergangenheit. Moorburg gehörte nie zu Harburg oder Hannover sondern seit dem Mittelalter zu Hamburg. Und Hamburg unterhielt hier tatsächlich einen befestigten Militärposten, um Schiffe in den eigenen Hafen zu zwingen, die Hamburg auf der Süderelbe umgehen wollten.

Tatsächlich gab es hier im Lauf der Jahrhunderte immer wieder Scharmützel zwischen Harburger und Hamburger Soldaten. Als man aber mit der Aufklärung vermehrt dazu überging, Streitpunkte in Verträgen statt auf dem Felde zu lösen, sparte sich das geizige Hamburg die Truppen und ihre Festung, ließ die Burg verfallen und schließlich abreißen.

Der letzte Rest der alten Süderelbe

Vom Nehusweg geht es auf den Moorburger Elbdeich und zwar tatsächlich auf den Deich. Auf dessen Krone verläuft ein Fuß- und Radweg, der hier im östlichen Moorburg sogar ziemlich gut in Schuss ist. Binnendeichs und bisweilen sogar außendeichs sind Häuser in die Hochwasserschutzanlage hineingebaut. So etwas würde heute nicht mehr geduldet, war allerdings bis zur Todesflut von 1962 gang und gäbe, zumal der Großteil der Süderelbe bereits 1790 oberhalb Moorburgs in den Köhlbrand umgeleitet wurde und der Fluss hier nur noch schmal und träge verlief.

Sieht man links vom Deich die Moorburger Schule, sollte man nach rechts in die Büsche abbiegen. Ein Weg und ein Wegweiser erleichtern die Wahl des Pfades. Das Rinnsal, das man jetzt überquert, ist der letzte Rest der alten Süderelbe, speist sich aber nicht mehr aus dem Strom, denn diese Verbindung wurde nach 1962 endgültig gekappt. Das Wasser hier stammt aus dem Schlickhügel vor dem Wanderer, dem sogenannten „Moorburger Berg“.

Den steigt man jetzt hinauf. Direkt gegenüber der Brücke geht es diagonal über den Spülfelddamm; dahinter wartet eine Wegkreuzung, die man geradeaus überquert um bergauf in Richtung Aussichtspunkt zu gehen. Dabei sollte man unbedingt auf dem Pfad bleiben, denn die Deckschicht über der Hafenschlickdeponie  auf der jetzt gewandert wird, ist noch empfindlich. Außerdem ist die Trockenvegetationsfläche ein Kerbtierbiotop erster Güte.

Die Brückenkräne des Containerterminals Altenwerder

Schon auf dem Weg zum ersten Aussichtspunkt geraten die Brückenkräne des Containerterminals Altenwerder (CTA) immer mehr in den Blick. Von zwei am Weg liegenden Aussichtspunkten kann man das arbeitsame Treiben auf dem Terminal schon ziemlich gut beobachten. Vor allem die autonom fahrenden Portalkräne der Blocklager und die Lafetten, mit denen die Container weitere Strecken über das Terminalgelände bewegt werden, geben eine nahezu lautlose Vorstellung in Schwermechanikballett.

Wer das noch näher besehen möchte, kann nun vom zweiten Punkt aus einen Schlenker machen, am Fuß des Hügels nach rechts, dann zweimal halblinks auf den Drewer Hauptdeich gehen. Hier hat man einen Parkettplatz in der ersten Reihe. Danach geht es zurück zum Hügelfuß. Wer den Schlenker nicht macht, biegt am Hügelfuß gleich nach links ab.

Nun bewegt man sich parallel zum CTA in Richtung Westen. Das kann, wer den Schlenker gemacht hat, auch auf der asphaltierten Straße machen. Man soll es aber nicht und es ist für die Füße weniger angenehm. Für die Straße spricht allerdings der bessere Einblick in das Terminaltreiben. Hügelpfad und Straße enden an der Altenwerder Hauptstraße. Unsere Wanderung nicht: Wir überqueren die Altenwerder Hauptstraße und biegen auf den Feldweg parallel dazu nach links ab. Dieser Feldweg war früher die Hauptstraße der Insel. Teilweise ist er auch noch asphaltiert.

Nach links wird die Gegend immer verwunschener

Während rechterhand immer noch riesige Logistikhallen durch die Bäume zu sehen sind, wird die Gegend nach links immer verwunschener. Nachdem das Dorf bis auf Kirche und Friedhof Ende der 1970er-Jahre eingeebnet wurde, hat sich hier auf einem kleinen Flecken, den der Hafen nicht einnahm, durch Selbstaussaat ein Dickicht gebildet, wo einst Häuser, Gehöfte und der Fußballplatz zu finden waren. Je weiter man dem Weg folgt, desto öfter sieht man schon den Kirchturm von St. Gertrud durch die Bäume hindurch. Am Ende des Weges geht man bereits am Friedhof entlang. Noch einmal um die Ecke erwartet einen der Weg zum Seiteneingang der Kirche.

Derzeit ist dies der Haupteingang, da die Tür zum Turm gesperrt ist, weil dort das Mauerwerk gesichert werden muss. Der Seiteneingang ist aber auch schon repräsentativ genug. Es ist nicht verbürgt, aber gut möglich, dass früher beide Eingänge gleichzeitig genutzt wurden, denn es gab auf Altenwerder zwei Bevölkerungsgruppen, die sich nicht allzu grün waren: Die Bauern und die Fischer. Ob sie unterschiedliche Eingänge nutzten, ist nicht belegbar. Tatsächlich verbürgt ist allerdings, dass es in der Altenwerder Kirche zur Adventszeit lange stets zwei Weihnachtsbäume gab, weil Fischer und Bauern nicht gemeinsam einen Baum schmücken wollten.

Brautpaare pflanzen hier nach der Trauung einen Obstbaum

Dürften derzeit Kirchenführungen stattfinden, könnte man diese Geschichte – und viele andere – von Annegret Schauberg hören. Sie gehört zu den Exil-Altenwerdern, die sich um den Erhalt der Kirche als aktives Gotteshaus kümmern. Auch die Hamburg Port Authority als Grundherr und Vermieter leistet ihren Teil zum Erhalt der denkmalgeschützten Kirche. Anfangs, damals noch als Amt für Strom- und Hafenbau, eher gezwungenermaßen – dass die Kirche stehen bleiben muss,  verfügte das Denkmalschutzamt – mittlerweile mit einem gewissen Stolz auf den sakralen Besitz.  St. Gertrud ist eine beliebte Hochzeitskirche. Brautpaare pflanzen hier nach der Trauung gemeinsam einen Obstbaum in den Kirchgarten.

Um die Kirche herum geht es zurück, wiederum am Friedhof vorbei. Nach etwa 600 Metern endet der Weg an einer T-Kreuzung. Hier nach links gehen. Rechtsherum würde man unvermittelt auf den Schienen der Hafenbahn stehen. Das wäre gefährlich. Wer nach links geht, kommt hingegen an einem idyllischen Gewässer vorbei, das allerdings eine ganz profane Funktion hat: Das durch das Gewicht der umliegenden Gewerbeflächen herausgedrückte Grundwasser zu sammeln. Das ficht Schilf, Vögel und Fische jedoch nicht an, und hier einen Sonnenuntergang zu genießen, gehört zu den Geheimtipps der Erholung in Hamburg. Nur der Zaun ums Gewässer stört den Blick.

Hinter dem See zurück auf die Altenwerder Hauptstraße

Hinter dem See geht es zurück auf die Altenwerder Hauptstraße. Die verfolgt man jetzt ein Stück weiter, als man auf dem Hinweg gegangen ist, bis zur Kreuzung Moorburger Elbdeich.

Dort geht es wieder auf den Deichweg, bis zur Schule, wo dann der Deich verlassen und unten weiter gegangen wird – den Ausblick oben kennt man ja bereits vom Hinweg. Alternativ, aber gut eineinhalb Kilometer länger, kann man auch an der Kreuzung Altenwerder Hauptstraße/Moorburger Elbdeich geradeaus weitergehen, parallel zur Autobahn bis zum Untenburger Querweg, auf diesen links abbiegen, dann zum Moorburger Kirchdeich, dort noch einmal links und dem Kirchdeich bis zum Nehusweg folgen. Wer lieber gar nicht weiter gehen möchte, kann am Moorburger Elbdeich auch den Bus nehmen und sich zur Moorburger Kirche zurückfahren lassen.