Harburg/Wilhelmsburg. Ging es um intime Fotos auf dem Handy? Paar soll Ex-Liebhaber der Frau mit Fäusten, Tritten und einem Messer übel zugerichtet haben.
Vor dem Amtsgericht Harburg begann am Montagmorgen der Prozess gegen Yasemin A. und den Mitangeklagten Özcan K.. Beide werden beschuldigt, ihr Opfer Murat S. am 10. September vergangenen Jahres im Finkenrieker Hauptdeich in einen Hinterhalt gelockt und schwer verletzt zu haben. Was genau spielte sich in jener Nacht in Wilhelmsburg ab? Und warum? Vieles deutet darauf hin, dass es um intime Fotos auf einem Handy ging. Und vielleicht um eine versuchte Erpressung.
Unter dem Vorwand kein Benzin zu haben und nicht zu wissen, wo sie gestrandet sei, digerierte die 44-Jährige Yasemin A. ihren Ex-Freund in jener nacht unter einem Vorwand gegen 3 Uhr morgens in den Finkenrieker Hauptdeich. „Es war das erste Mal, vier Jahre nach dem Beziehungsende, dass sich Frau A. bei mir gemeldet hat“, so Murat S. Zunächst sei er von ihr per Facebook kontaktiert worden, später wurde er angerufen und zu der schicksalhaften Begegnung gelotst worden.
Wiedersehen in Wilhelmsburg begann offenbar mit zärtlichen Umarmungen
Es begann offenbar mit zärtlichen Umarmungen, ein Ablenkungsmanöver, um nach Darstellung des Zeugen S. einen ihm unbekannten Mann an das spätere Opfer heranzuführen. In dessen Anwesenheit kippte die Stimmung schnell. A. forderte das Handy des späteren Geschädigten und soll ihn verantwortlich dafür gemacht haben, dass der Sohn der Angeklagten zurück zum Vater gezogen sei. Dann kam es offenbar zu einer handfesten Auseinandersetzung, bei der auch ein Messer zum Einsatz kam.
Zeuge: Ex-Geliebte wollte Finger und Geschlechtsteil abschneiden lassen
„10-15 Minuten haben die Beiden auf mich eingeschlagen“, erinnert sich Murat S. vor Gericht. Der Mann sei aus der Dunkelheit aufgetaucht und habe dann direkt auf ihn eingetreten, am Boden liegend setzte er sich auf den Angegriffenen und soll, so der Zeuge, immer wieder zugeschlagen haben. Dabei fixierte er S. in dem er sich auf den Oberkörper setzte. Zunächst so ergab es die Zeugenbefragung, soll die Angeklagte Yasemin A. ihren Begleiter aufgefordert haben, ein Messer zu holen und ihm die Finger und das Geschlechtsteil abzuschneiden.
Als dieser sich weigerte das Messer zu führen, holte A. selbst ein rund 30 Zentimeter langes Messer aus dem Kofferraum und verpasste dem Geschädigten drei schwere Schnittverletzungen am Bein, wie Murat S. vor Gericht aussagte, danach habe sie selbst auf das Opfer eingetreten und habe das Handy des Opfers geraubt und den Pin-Code erpresst.
Ging es um intime Bilder aus der zurückliegenden Beziehung?
Zunächst habe Murat S. die schwere der Verletzungen gar nicht bemerkt. Er sei nach Hause gefahren und habe erst dort das Blut in einem Spiegel gesehen, auf dem Weg zurück zum Auto bemerkte, er laut eigener Aussage, die Blutspur im Treppenhaus und im Auto. Mit letzter Kraft fuhr er zum Wilhelmsburger Polizeirevier, klingelte dort und setzte sich auf die Eingangstreppe. Polizisten versorgten den verletzten Mann und riefen einen Rettungswagen. Vor Ort gab er an, von seiner Ex-Freundin und einem unbekannten Mann überfallen worden zu sein.
Doch was war der Grund für die nächtliche Auseinandersetzung, vier Jahre nach dem Beziehungsende? Offenbar, so habe es die Angeklagte bei einer früheren Einlassung ausgesagt, ging es um intime Bilder der Angeklagten, die der Geschädigte noch auf seinem Handy haben sollte. Er soll gedroht haben, diese zu veröffentlichen. Gegenüber dem Ex-Mann der Angeklagten soll S. gesagt haben, „ich habe so viel Material, wenn ich es übergebe, würde sich Frau A. das Leben nehmen“, hält Anwalt Florian Steinmüller, einer von zwei Beschuldigtenanwälten, dem Zeugen S. vor. Dieser beteuerte, weder mit dem Ex-Mann der Angeklagten noch einem anderen Familienmitglied seiner Ex-Freundin seit der Trennung in Kontakt getreten zu sein. Der Zeuge widerspricht sich allerdings mehrfach und korrigiert seine Aussagen.
Geht es um Stalking nach einer gescheiterten Beziehung?
Die intimen Bilder wären ein Motiv für die Tat, ebenso die Vorhaltung, das spätere Opfer habe von seiner Ex-Freundin nicht abgelassen. So habe er sich ausgerechnet in der Firma beworben, in der A. seit der Trennung gearbeitet habe. „Das war nur Zufall. Ich habe Arbeit als Fahrer gesucht und da arbeitet Yasemin A. an der Kasse“, beteuert S. während seiner Vernehmung.
Im Fortsetzungstermin am 4. März wird es daher offenbar vor allem um die Motivlage gehen. Prozessbeobachter erwarten mit Spannung die Aussagen der Tatverdächtigen. Der seit Ende September in Untersuchungshaft sitzende Özcan K. wurde nach der Zeugenaussage aus dem Gefängnis entlassen. Dort saß er, weil der Verdacht bestand, er würde versuchen, Zeugen zu beeinflussen. Die sogenannte Verdunklungsgefahr würde nach der Aussage von S. nun nicht mehr bestehen, er erhielt aber die Auflage, nicht mit weiteren möglichen Prozessbeteiligten in Kontakt zu treten.
Tragisch: Opfer der Tat in Wilhelmsburg braucht dringend Hilfe – nicht nur medizinisch
Nicht nur, dass der Geschädigte S. seit September nicht mehr richtig laufen kann und auf eine Stütze angewiesen ist. Er verlor wegen der Krankenzeit auch seinen Job als Fahrer. Ein neuer Job ist nicht in Aussicht. „Ich kann kaum mehr als hundert Meter laufen. Pakete ausliefern geht auch nicht. Angebote gebe es genug“, fasst er sein Dilemma zusammen. Darüber hinaus zeigte sich die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga laut dem Tatopfer offenbar herzlos.
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So erhielt er zunächst die Rechnung für die Beseitigung der Blutflecken im Treppenhaus, danach die Kündigung seines Untermietvertrages. Der Hauptmieter zog aus, die Saga wollte das Mietverhältnis nicht verlängern. „Ich brachte die Polizei ins Haus und habe das Treppenhaus mit den Blutflecken verunreinigt“, so erinnert der Betroffene die Begründung. Derzeit wohnt der Mann in einem Kleingarten und wartet auf seine Therapie. Nach jetzt fast einem halben Jahr sei es S. endlich gelungen mit Hilfe der Opferschutzorganisation Weißer Ring, einen Therapieplatz für seine Verletzungen zu finden.