Wilhelmsburg. Kreative aus den Zinnwerken setzen Zeichen für Völkerverständigung. Vorbereitet wird das große Hummus-Kochen mit Juden und Arabern.
Pürierte Kichererbsen, Sesampaste – Tahini genannt, Olivenöl, Zitrone, Salz und Pfeffer: Dies sind die Grundzutaten für Hummus. Wie man sie mischt, womit man sie verfeinert oder variiert, weiß jeder Koch selbst und verrät es nur ungern.
Die Paste, die man mit Brot oder Rohkost verzehren kann ist mindestens seit dem Mittelalter ein Grundpfeiler der levantinischen Esskultur vom Sinai bis zur südtürkischen Provinz Hatay; quer über alle Völker, die dort leben, und das sind viele. Wenn man im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nach Gemeinsamkeiten sucht, über die man einer Verständigung näher kommen kann, ist Hummus einer der Spitzenkandidaten dafür.
„Make Hummus, Not War“ ist das Motto des Wilhelmsburger Versöhnungsmahls
Das ist einer der Gedanken, die den Kreativen aus den Wilhelmsburger Zinnwerken kam, als sie überlegten, was man tun kann, um in der seit dem Hamas-Angriff auf Israel und der israelischen Reaktion darauf hochemotional geführten Nahost-Debatte die Wogen zu glätten.
„Make Hummus, Not War!“, ist der Slogan, den die Zinnwerke für ihre gemeinsame Koch-Aktion gewählt haben. Am Sonnabend, 9. Dezember laden sie zum großen Hummus-Kochen und -Essen auf dem Hof des alten Fabrikgeländes ein. Feuertonnen werden für Wärme sorgen, ein Film über die Hummus-Kultur sorgt für Unterhaltung. Start ist um 16 Uhr.
„Auf die Idee mit dem Film ist natürlich Marco gekommen“, sagt Zinnwerke-Vorständin und PR-Fachfrau Martha Starke über ihren Vorstandskollegen, den Filmemacher Marco Antonio Reyes Loredo. „Der wusste sofort, dass es zu diesem Thema einen Dokumentarfilm gibt.“
In der Tat: „Make Hummus, Not War“ ist gar kein neuer Slogan, sondern Titel einer gut 70-minütigen australischen Fernsehdoku des australischen Filmjournalisten Alexander Graham, Hummus-Fan und Ex-Partner sowohl einer Syrerin, als auch einer Israelin. Auch er transportiert die Idee, dass Hummus ein Friedensstifter sein könnte.
Die Hummus-Frage eskalierte zeitweilig zum Nebenkriegsschauplatz
Als er den Film 2012 drehte, sah es allerdings erst einmal nicht danach aus: Die Frage, ob Hummus ein israelisches oder ein palästinensisches Gericht sei, war damals gerade zu einem heißen Nebenkriegsschauplatz des Nahostkonflikts geworden. Da nützte die historische Wahrheit, dass das älteste dokumentierte Hummus-Rezept aus Syrien stammt, wenig.
Und doch gibt es Menschen, die diesen Weg schon länger gehen. „Hummustopia“ aus Barmbek zum Beispiel. Mitinitiator Avraham Rosenblum und seine Mitstreiter organisieren seit einigen Jahren gemeinsame Hummus-Essen. Bei denen teilen sich je zwei Gäste, die sich nicht kennen, einen Tisch und müssen über ein Thema diskutieren, das ihnen zugelost wird, bis sie mindestens einen gemeinsamen Nenner vortragen können.
Das funktioniert meistens gut. Falls nicht, ist auch eine Konfliktberaterin im Raum. „Wir bieten einen Ort an, wo Menschen sich hauptsächlich gedanklich begegnen können. Ein Raum der Begegnung, der Kommunikation, um sich auszutauschen, um Gemeinsamkeiten zu finden und sich zu verständigen“, sagt Rosenblum. „Mithilfe der ‚Zauberbindungsfreudenkraft‘ des Hummus merken wir vielleicht alle, dass wir uns insgesamt näher sind als fremd.“
Gemeinsames Hummus-Kochen: Vor allem die Schulen im Stadtteil waren begeistert
Rosenblum wird am Sonnabend selbst nicht dabei sein können, denn er betreut dann schon einen anderen Termin, aber eine „Hummustopia“-Kollegin wird in den Zinnwerken zu Gast sein, ebenso, wie der Hamburger Antisemitismusbeauftragte Stefan Hensel und der Wilhelmsburger Imam Mustafa Cetinkaya. Zahlreiche weitere Initiativen machen beim Hummus-Fest mit; unter anderem „Der Hafen hilft e.V“, der interkulturelle Garten Wilhelmsburg, die NDR Soli-Küche und „Über den Tellerrand Hamburg e.V.“. Araber und Juden sind an der Vorbereitung gleichermaßen beteiligt.
„Es gab kaum Skeptiker“, sagt Martha Starke. „Vor allem die Schulen im Stadtteil waren begeistert, denn auch sie fragen sich, wie sie mit dem Thema Nahost und wachsendem Antisemitismus umgehen sollen. Unseren Kreis an Unterstützern und Mitmachern hatten wir innerhalb einer Woche zusammen.“
Die Unterstützung kann dabei auch sehr praktisch ausfallen: „Der Hafen hilft“ stellt beispielsweise 150 Decken zur Verfügung, in die man sich beim Futtern und Filmgucken muckelig einmummeln kann. „Wir hatten kurz überlegt, ob wir die Aktion nicht in wärmere Monate verlegen sollten, aber die Zeit drängt ja“, sagt Martha Starke.
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Auch in der Harburger Bezirksversammlung wird die wachsende Spaltung der Zivilgesellschaft und das Wiedererstarken von Antisemitismus thematisiert. Dort fordern alle Fraktionen außer der AfD ein bezirkliches Forum für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein ganz praktisches Beispiel können die Harburger Abgeordneten am Wochenende nach ihrer letzten Sitzung dann in Wilhelmsburg ausprobieren.