Hamburg. Immer wieder werden die Einsatzkräfte angegriffen. Wie technische Hilfsmittel die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen schützen sollen.
Damit sich Gewaltszenen wie in der letztjährigen Silvesternacht oder kürzlich an Halloween nicht wiederholen, sind jetzt gute Konzepte gefragter denn je. Doch während sich die Politik auch einen Monat vor dem Jahreswechsel offenbar noch mit der Frage beschäftigt, wie man eine erneute Eskalation verhindern kann, bereitet sich die Feuerwehr Hamburg auf alle Eventualitäten vor.
In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche Fahrzeuge mit einer speziellen Splitterschutzfolie beklebt, um die Einsatzkräfte zu schützen.
Krawalle sollen sich nicht wiederholen. Wenn sie es doch tun, will die Hamburger Feuerwehr gerüstet sein
Das letzte Silvesterfest war in vielerlei Hinsicht besonders. Nach zwei Jahren Coronapause konnte endlich wieder zusammen gefeiert und geböllert werden. Während viele Menschen friedlich und mit Raketen ins neue Jahr feierten, waren es vor allem Jugendliche in den Randbezirken von Berlin und Hamburg die ihre wiedererlangten Freiheiten nutzten, um zu randalieren und Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr anzugreifen. Am Harburger Ring beschossen sich, meist heranwachsende, stundenlang gegenseitig mit Feuerwerkskörpern und bewarfen schließlich Busse des HVV, Polizisten und Rettungswagen mit Böllern, Steinen und Flaschen.
Erst ein Großaufgebot der Polizei konnte dem wütenden Mob unter Kontrolle bringen. Nur wenige Kilometer weiter, rund um den Stubbenhof in Neuwiedenthal wurden Feuerwehrleute am Löschen eines Müllcontainers gehindert. Der Fahrer eines Linienbusses mit vorgehaltener Waffe zum Anhalten gezwungen und anschließend die Scheiben des Busses eingeworfen. Auch hier mussten behelmte Polizisten eingesetzt werden, um den Zugang zur Straße in der Hochhaussiedlung für die Feuerwehr gewährleisten zu können und Busse des HVV zu schützen.
Jeder Angriff auf Einsatzkräfte ist ein Angriff auf Menschen
Angriffe auf Retter nehmen aber auch im Alltag zu. Immer wieder werden diejenigen die eigentlich helfen wollen, zur Zielscheibe von Frustration und Gewalt. Daher so kündigt es die Feuerwehr an, wird kurz nach Weihnachten eine breitangelegte Aufklärungsaktion starten. Ziel ist es, dafür zu sensibilisieren, „dass jeder Angriff auf Einsatzkräfte – ein Angriff auf Menschen ist“, sagt Christian Wolter, Pressesprecher der Feuerwehr, im Gespräch mit dem Abendblatt.
„Die Täter treffen nicht den Staat, wenn sie Einsatzkräfte angreifen – sondern Mütter, Väter, Söhne, Töchter und Freunde“, so der Feuerwehrmann Wolter. Die Täter müssten sich die Frage stellen, wer kommt, um ihnen und ihren Familien im Notfall zu helfen, wenn Rettungskräfte wegen Böllerbeschuss und Steinwürfen verspätet oder gar nicht zur Einsatzstelle vordringen können. „Die Verletzungen, die durch Feuerwerkskörper verursacht werden, können erhebliche Auswirkungen auf das weitere Leben der Opfer haben, man denke nur mal an eine verbrannte Gesichtshälfte“, so der Pressesprecher der Feuerwehr. Unter jeder Uniform stecke immer noch ein Mensch.
Rettungswagen, Notarztfahrzeuge und Löschfahrzeuge der Feuerwehren werden ausgerüstet
In den vergangenen Wochen war die technische Abteilung der Feuerwehr damit beschäftigt, zahlreiche Rettungswagen, Notarztfahrzeuge und Löschfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehren mit einer speziellen Splitterschutzfolie auszustatten. „Die Folie soll den Insassenschutz im Fahrzeug erhöhen, da sie das Eindringen von Glassplittern und Wurfgeschossen in den Innenraum verhindert“, so Wolter. Am Montag wurde die Aktion bei den beiden Löschfahrzeugen der Freiwilligen Feuerwehr Neugraben abgeschlossen. „Zunächst haben wir die Fahrzeuge in den Hotspots der letzten Jahre mit der Folie bekleben lassen. Weitere Fahrzeuge sollen nach einer erfolgreichen Erprobung folgen, außerdem werden alle Neufahrzeuge bereits werkseitig mit der Folierung ausgeliefert“, so der Feuerwehrsprecher.
Folie hält einem Bewurf mit faustgroßem Wurfgeschoss stand. Fahrzeuge werden unter anderem in Harburg eingesetzt
„Wir arbeiten mit einer Spezialfirma zusammen, diese bringt die bereits vorgeschnittene Folie, wie bei der Verdunklung der Heckscheiben am PKW, nass auf die Scheiben auf. Die Folie ist nur deutlich dicker und stabiler als bei einem herkömmlichen Auto“, erklärt René Rondeshagen. Der KFZ-Mechatroniker ist bei der Feuerwehr Spezialist für Hubrettungstechnik und seit Wochen für das Projekt „Splitterschutz“ verantwortlich.
Wie viele Fahrzeuge konkret ausgestattet aufgerüstet wurden, möchte er nicht erzählen, aber es seien mehrere Dutzend an verschieden Wachen und Standorten gewesen. „Da es sich bei den Fahrzeugscheiben um sogenannte Krümmelglasscheiben handelt, hält die Folie die Splitter, nachdem das Glas zersprungen ist, zusammen. Die Splitter können nicht in den Innenraum eindringen und so die Kameradinnen und Kameraden verletzten“, erklärt Rondeshagen. Einem Bewurf mit einem faustgroßen Wurfgeschoss oder auch einem Böller halte die Folie problemlos stand. Im Notfall lasse sich die Scheibe aber im Ganzen herausdrücken, damit den Rettern geholfen werden kann.
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Polizei sucht nach Einsatztaktik
Auch die Polizei sucht nach der richtigen Einsatztaktik. Ob die Errichtung von gefährlichen Zonen mit erweiterten polizeilichen Befugnissen oder ein Raumschutzkonzept das geeignete Mittel sein werden, um Krawalle wie im letzten Jahr zu verhindern wird aktuell im Führungsstab diskutiert.
Da wolle man sich noch nicht in die Karten schauen lassen. „Fakt ist, die Polizei wird in diesem Jahr ihre Präsenz in Harburg deutlich verstärken und gut auf die Einsatzlagen vorbereitet sein“, so ein Insider gegenüber dem Abendblatt.