Harburg. Wie Neugeborene in Mariahilf geschützt sind und warum das Krankenhaus bisher auf ein elektronisches Alarmsystem verzichtet.

Die Vorstellung ist ein Albtraum für alle Eltern: Das eigene Kind wird nach der Geburt aus der Klinik entführt, ein fremder Mensch nimmt das Baby in einem unbeobachteten Augenblick einfach mit. So ist es vor wenigen Tagen in der Helios Mariahilf Klinik in Hamburg-Heimfeld geschehen. Eine 18-Jährige entführte einen fünf Wochen alten Säugling, sie kehrte nach einiger Zeit mit dem Kind zurück.

Das Harburger Krankenhaus erwägt nun, die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken. Auch über ein elektronisches Alarm-System, wie es in anderen Kliniken zum Schutz vor Entführung genutzt wird, soll erneut nachgedacht werden.

Schutz vor Baby-Enführung: Harburger Mariahilf Klinik setzt Sicherheitsdienst ein

Bereits jetzt sei die Klinik gut gesichert, so seien die Zutrittsregelungen im bundesweiten Vergleich sehr streng, sagt Mariahilf-Sprecherin Christiane Wolter. So werden die Eingangstüren des Haupteingangs und der Notaufnahme um 18 Uhr verschlossen. Wer ins Gebäude will, muss eine Klingel betätigen.

Zusätzlich sind ebenfalls von 18 Uhr an Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes im Einsatz. Zu ihren Aufgaben zählen regelmäßige Rundgänge sowie die Überwachung der Kameraübertragungen von den Eingängen. Die Stationen für Kinderintensivmedizin sowie die Geburtshilfe sind noch einmal durch verschlossene Türen gesichert, hier ist der Zutritt ausschließlich durch Klingeln möglich.

Helios bietet in anderen Kliniken elektronische Baby-Sicherheitssysteme an

Trotz Wachdienst und gesicherter Türen war es der jungen Frau am Montag gegen 19.45 Uhr gelungen, auf eine Kinderstation zu kommen und das Baby mitzunehmen. Deshalb sollen nun die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal überdacht werden.

So gibt es in einigen Kliniken elektronische Sicherheitssysteme, die zum Beispiel Alarm schlagen, wenn ein Säugling ohne seine Mutter die Station verlässt. Sie funktionieren zum Beispiel über ein Transponder-Paar: Sowohl der Säugling als auch die Mutter – sowie weitere Familienangehörige – erhalten ein elektronisches Armband. Der Alarm wird ausgelöst, wenn ein Transponder ohne Gegenstück die Station verlässt oder auch wenn er entfernt wird. Auch eine Kombination mit Videoüberwachung ist möglich. Auch vor einer Verwechslung von Säuglingen im Krankenhaus sollen diese Systeme schützen.

Transponder oder Chip: So sollen Alarm-Systeme die Säuglinge schützen

Auch in den Helios-Kliniken Schwerin wird zum Schutz vor Entführung das Sicherheitssystem Baby-Guard angeboten. Eltern können selbst entscheiden, ob sie dies nutzen wollen. Wenn sie sich dafür entscheiden, erhält das Kind ein Band an Hand, Fuß oder Kleidung, an dem ein Chip angebrat ist. Wenn der Chip einen bestimmten Bereich verlässt, wird Alarm ausgelöst und sowohl das Stationsteam als auch der Sicherheitsdienst benachrichtigt.

In Harburg wird ein solches System bisher nicht angeboten. „Die Erfahrungen mit elektronischen Systemen in anderen Helios-Kliniken waren bisher enttäuschend“, sagt Wolter auf Nachfrage des Abendblatts. Sowohl bei den Eltern als auch beim Pflegepersonal sei die Akzeptanz so niedrig, dass die Systeme kaum genutzt wurden.

Dennoch wird die Einführung jetzt für Mariahilf in Erwägung gezogen. Die Sprecherin kündigt an: „Der Fall wird definitiv zu einer Neuauflage der Diskussion und einer Neuentscheidung für oder gegen ein elektronisches System führen.“

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Elbe Kliniken überwachen Säuglinge per Videokamera

Der Schutz von Säuglingen vor Entführung wird in den Krankenhäusern in Hamburg und Umgebung unterschiedlich gehandhabt. Auf Videoüberwachung setzen die Elbe Kliniken Stade und Buxtehude. Die Säuglingsstationen sowie einige weitere Bereiche sind mit Kamerasystemen ausgestattet und werden auf diese Weise rund um die Uhr überwacht. Darüber hinaus ist der Zutritt zu manchen Stationen und Räumen ausschließlich per Code oder durch Klingeln möglich.

Die Elbe Kliniken Stade und Buxtehude nutzen Videoüberwachung, um Säuglinge vor Entführung zu schützen.
Die Elbe Kliniken Stade und Buxtehude nutzen Videoüberwachung, um Säuglinge vor Entführung zu schützen. © Harburg | Lepél

„Sämtliches Personal auf unseren Säuglingsstationen ist besonders für solche Situationen sensibilisiert und weist Mütter explizit darauf hin, ihr Kind nicht unbeaufsichtigt zu lassen“, sagt Kliniksprecher Daniel Hajduk. Für Zeiten, in denen die Mutter nicht selbst beim Kind sein kann – sei es bei einer medizinischen Behandlung oder auch nur zum Duschen – stehen rund um die Uhr Fachpflegekräfte zur Verfügung. Sie betreuen die Säuglinge in dieser Zeit in Räumen, in denen die Überwachung durch sogenannte Cody-Systeme gesichert ist.

Nach versuchter Baby-Entführung 2016 verstärkte Harburger Klinik Sicherheitsmaßnahmen

In der Mariahilf Klinik gibt es noch keine konkreten Pläne für eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen. Diese seien bereits sehr umfangreich, betont die Sprecherin. Dennoch könne es keinen vollständigen Schutz geben. „Eine Kindesentführung ist ein absolut außergewöhnlicher Vorfall, der mit keiner Maßnahme zu einhundert Prozent verhindert werden kann.“

Bereits 2016 hatte es eine versuchte Entführung in der Klinik gegeben. Seitdem wurden die Vorsichtsmaßnahmen erhöht, so war damals der Sicherheitsdienst noch nicht täglich im Einsatz. Auch das Personal des Krankenhauses wird nach Angaben des Krankenhauses seitdem regelmäßig für das Risiko einer Entführung sensibilisiert.