Harburg. Sozialbehörde geht mit Informationen über die geplante Unterkunft sparsam um. Bezirkspolitik und Anwohner fordern Mitspracherecht.
Wann wurde öffentlich über die geplante Unterbringung von Geflüchteten im ehemaligen Hansewerk-Gebäude in der Straße Am Radeland informiert? Beziehungsweise: Wann wird darüber informiert? Die Parteien in der Bezirksversammlung sind sauer, dass sie von der Sozialbehörde noch keine Mitteilung, geschweige denn eine offizielle Anhörung erhalten haben. Auch das Bezirksamt war bislang nicht offiziell informiert und die Anlieger erst recht nicht.
Kleine konkrete Hinweise hat die Sozialbehörde allerdings gegeben. Um diese zu finden, muss man allerdings Bürgerschaftsdrucksachen wälzen. In je zwei Sätzen auf jeweils sechs Seiten Antwortschreiben zu zwei Anfragen der AfD-Bürgerschaftsabgeordneten Olga Petersen wird erwähnt, dass Am Radeland 25 eine Unterkunft geplant sei. Im Mai hieß es, die Planungen seien noch nicht abgeschlossen, im September, dass um das Grundstück noch verhandelt würde.
Flüchtlingsunterkunft in Harburg: Pläne noch nicht abgeschlossen, Leitung aber schon eingestellt
Gleichwohl hat der Träger „Fördern und Wohnen“ (f+w) bereits eine Leitung für die Unterkunft eingestellt und sucht weiteres Personal. Personalsuche ist bei f+w, wie bei allen anderen Unterkunftsträgern allerdings nicht ungewöhnlich.
Bei geplanten Unterkünften für Asylsuchende und/oder Wohnungslose muss die Sozialbehörde die jeweiligen Bezirksversammlungen anhören. Das gilt übrigens auch für geplante Feuerwachen, Finanzämter, Fachhochschulen und weitere große öffentliche Einrichtungen. Dieses Verfahren heißt im Politjargon kurz „28er-Anhörung“ nach dem entsprechenden Paragrafen im Bezirksverwaltungsgesetz. In der Bezirkspolitik hat man allerdings oft eher den Eindruck, als wenn 28 sich auf die Priorität bezieht, mit der dieses Anhörungsverfahren bei Planungen n den Hamburger Behörden bedacht wird, denn Anhörung bedeutet nicht Mitsprache. Die Bezirkspolitik kann lediglich Anregungen geben, aber keine beschlossenen Projekte blockieren.
Bezirksabgeordnete wollen mitreden. Das sind ihre Argumente
„Bislang gab es noch keine 28er-Anhörung, da die Vertragsverhandlungen zur Objektnutzung noch nicht abgeschlossen waren und daher kein abschließender Planungsstand vorlag“, bestätigt Stefanie Lambernd, Pressereferntin der Sozialbehörde,, auf Abendblatt-Anfrage. „Derzeit ist eine 28er-Anhörung in Vorbereitung. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen.
Genau da setzt aber die Kritik der Bezirksabgeordneten an: „Wir werden mal wieder als letztes befragt“, bemängelt Ralf-Dieter-Fischer, als CDU-Fraktionsvorsitzender der Oppositionsführer in der Bezirksversammlung. „Dabei haben wir hier doch das Wissen und die Gegebenheiten und Befindlichkeiten vor Ort!“
Belegung der Unterkunft am Radeland 25 in Bostelbek ist ab Frühjahr 2024 vorgesehen
SPD-Fraktionschef Frank Richter ist sich mit Fischer selten einig, diesmal aber schon: „Natürlich können wir bei der Anhörung immer nur Anregungen geben, wie etwas gestaltet wird, und nicht mitbestimmen, ob etwas gebaut oder betrieben wird“, sagt er, „aber je später die 28er-Anhörung erfolgt, desto mehr Pflöcke sind schon eingeschlagen. Dabei hat sich in der Vergangenheit stets gezeigt, dass unsere Kommentare wichtig waren und solche Projekte entweder entscheidend verbessert oder zumindest vor Fehlern bewahrt haben.“
Die 28er-Anhörung soll nun im Dezember erfolgen. Die Antwortfrist geht dann bis in den Januar. Die Belegung der Unterkunft am Radeland 25 ist ab Frühjahr 2024 vorgesehen. Rund 140 Menschen sollen hier unterkommen. Die Einrichtung ist ein sogenannter „Interimsstandort“, deren Bewohner die Erstaufnahme durchlaufen und die beengten Erstaufnahmeunterkünfte verlassen können und nun Anspruch auf einen Platz in einer ein wenig komfortableren „Folgeunterkunft“ hätten – wenn es diese Plätze denn gäbe. Das Leben in Interimsunterkünften ist immer noch beengt. Und weil es eine Zwischenlösung ist, sind auch Integrationsmaßnahmen zwar gegeben, für die Bewohner aber nicht langfristig planbar.
Die bestehenden Gebäude, die für die Unterkunft vorgesehen sind, gehören dem Fernwärme- und Erdgasversorger Hansewerk Natur, dessen Büros mittlerweile nach Quickborn umgezogen sind. Sie leigen relativ isoliert zwischen den Gleisen der Unterelbebahn im Süden und der Hafenbahn im Norden. Die Gebäude sind von Wildwuchsflächen eingerahmt. Im Osten liegt eine Gewerbefläche, im Westen Kleingärten. 800 Meter Luftlinie westlich der Unterkunft befinden sich eine Folgeunterkunft, der Tempowerk-Technologiepark und die Eigenheimer-Siedlung Bostelbek.
Bostelbeker Flüchtlingshilfe „Open Arms“ gGmbH wird bis Ende Dezember abgewickelt.
Technologiepark und Eigenheimer haben sich bislang gemeinsam um die Integration der Menschen in der Folgeunterkunft gekümmert. Das Tempowerk schuf dafür sogar eine Koordinatorenstelle und gründete die gemeinnützige „Open Arms“-GmbH. Davon werden die neuen Bewohner der Interimsunterkunft allerdings nichts mehr haben: Die „Open Arms“ gGmbH wird bis Ende Dezember abgewickelt.
Grund dafür könnte sein, dass die Folgeunterkunft zum Sommer 2024 geschlossen werden sollte. Grund könnte aber auch sein, dass man mit Flüchtlingshilfe derzeit nur schwer positives Image generieren kann. Das war bei Gründung der „Open Arms“ 2016 noch anders. Dass die Folgeunterkunft schließt, ist allerdings auch nicht mehr sicher. „Das bisherige Belegungsende der Unterkunft am Radeland 68a-g beläuft sich auf den 10. Juni .2024; eine Verlängerung ist vorgesehen“, schreibt Sprecherin Lambernd für die Sozialbehörde.
Betreiber sollen ehrenamtliche Helfer für Unterkunft für Geflüchtete in Bostelbek suchen
Wie wird die ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe für die Unterkünfte dann zukünftig koordiniert? „Eine entsprechende Anbindung erfolgt mit der Inbetriebnahme des Standortes; üblicherweise wird dies durch den Betreiber und die Ehrenamtskoordination bei F&W organisiert“, schreibt Stefanie Lambernd.
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SPD-Mann Frank Richter betont, dass seine Partei nicht grundsätzlich gegen die Unterkunft sei. „Wir müssen in dieser Stadt alles tun, damit Schutzsuchende menschenwürdig untergebracht werden können“, sagt er. „Unterbringungen in Zelten, wie es in Harburg ja ebenfalls passiert, müssen das letzte Mittel sein und auch nur ein kurzfristiges! Aber wenn wir ernsthaft etwas zu einer Optimierung der Planung beitragen sollen, müssen wir frühzeitig eingebunden werden!“