Marmstorf. Claudia Sommerfeld leitete 30 Jahre das Marmstorfer Schülerorchester. Zum Abschied erklingen bewegende Stücke – mit einer Botschaft.
„Music“ (was my first love) von John Miles ist schon eine Herausforderung für Orchester: Tempowechsel, Harmoniewechsel, Crescendi und Decrescendi – da muss das Zusammenspiel passen und das Können da sein, sonst droht eine zähe Klanggrütze.
Das Marmstorfer Schülerorchester kann sich solchen Aufgaben furchtlos, aber mit Respekt stellen. Es wäre schlimm gewesen, wenn nicht, denn „Music“ war eines der zwei Abschiedstücke, die das Ensemble für seine langjährige Mentorin und Dirigentin Claudia Sommerfeld spielte. Nach 30 Jahren gibt diese den Taktstock ab.
Emotionaler Abschied: Das Marmstorfer Schülerorchester gibt es seit 1972
Es war gleichzeitig das – coronabedingt nachgeholte – Jubiläumskonzert des „MSO“, wie das Marmstorfer Schülerorchester kurz genannt wird: Es besteht seit mittlerweile über 50 Jahren. 1972 entstand auf Anregung von Schülern gemeinsam mit der Grundschullehrerin Heidi Böhnke ein Musikprojekt an der Marmstorfer Grundschule. Bis dahin hatte es in den Musikstunden Instrumentenunterricht nur für Blockflöte und Melodica gegeben.
Um das zu ändern, wurde Bob Lanese, seinerzeit Cheftrompeter bei James Last und im Zweitberuf Musikpädagoge, an Bord geholt. Er brachte nicht nur den Blechbläsern die Trötentöne bei, sondern auch für damalige deutsche Verhältnisse unerhört moderne Methoden der Musikvermittlung, die er in seiner Heimatstadt Cleveland studiert hatte. Das Problem mit einem Grundschulorchester ist allerdings, dass die Kinder nach der vierten Klasse gehen, wenn sie gerade erst beginnen, gut zu werden.
Eine lange, oft lebenslange Verbundenheit der Musiker
Schnell wuchs aus dem Grundschulorchester deshalb das Schülerorchester: Egal, auf welche weiterführende Schule es die Schüler verschlug – einmal in der Woche kamen sie zur Probe nach Marmstorf. Zurzeit sind es 43 junge Musizierende aus zahlreichen Harburger Schulen, die gemeinsam proben und auftreten.
„Das ergibt eine lange, oft lebenslange, Verbundenheit dieser jungen Musiker zueinander und zum Orchester“, sagt Claudia Sommerfeld. „Viele Ehemalige, die längst in Studium oder Beruf stehen, bleiben dem MSO treu, indem sie selbst unterrichten oder mit Kleingruppen proben, oder aber, indem sie administrative Aufgaben übernehmen.“
Orchester brachte Preisträger hervor und sammelte selbst Preise
Verbunden mit den Proben und den Auftritten ist die Möglichkeit, dass alle Kinder, die ein Instrument lernen mit den erworbenen Kenntnissen auch nach dem Schulwechsel von der Grundschule weiter musizieren. Dabei steht auch die Talentförderung im Fokus. Einige Schülerinnen und Schüler des MSO wurden ins Hamburger Jugendorchester und ins Landesjazzorchester aufgenommen oder haben ein Musikstudium absolviert. 2007 nahm das MSO an der Orchestrale teil, dem Landesorchesterwettbewerb von Hamburg und Schleswig-Holstein, und erreichte auf Anhieb den zweiten Platz.
Claudia Sommerfeld kam in den 1980er-Jahren als Klarinettenlehrerin ins Team. 1992 übernahm sie die Leitung des Projekts von Heidi Böhnke.
Heidi Böhnke kommt immer noch zu jedem Konzert und auch Bob Lanese ist noch ein häufiger Gast. „Ich freue mich über die Begeisterung der jungen Menschen, die musikalische Prägung durch das Orchester und die Freundschaften, die im Laufe der Jahre entstanden sind“, sagt sie. „Auch die Reisen nach Schweden, England und Litauen zum gemeinsamen Musizieren mit anderen Orchestern sind im Gedächtnis geblieben mitsamt dem jeweiligen Gegenbesuch in Hamburg“
Ein Herzensprojekt: Die Big Band „Funky Hats“
Die Förderung des musikalischen Nachwuchses steht im Fokus des MSO. In der Grundschule Marmstorf kümmert sich Caroline Klein um die Organisation der Ausleihe und des privaten Musikunterrichts, der in der Schule angeboten wird. Arturo Grolimund leitet das Junge Orchester, in dem die Grundschüler bereits erste Erfahrungen auf der Bühne sammeln können, bevor sie in das „große“ Marmstorfer Schülerorchester wechseln
Ein Herzensprojekt von Claudia Sommerfeld ist die Big Band „Funky Hats“, 2004 als ergänzendes Angebot zum Orchester mit den älteren Musizierenden gegründet. Die Funky Hats waren schon häufig Preisträger beim Wettbewerb „Jugend jazzt“ und haben Hamburg 2008 beim Bundeswettbewerb erfolgreich vertreten. In Harburg ist die Bigband durch häufige Auftritte bei öffentlichen Anlässen, etwa der Weihnachtsmarkteröffnung, bekannt.
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2010 wurde Claudia Sommerfeld mit dem Harburger Musikpreis für ihre hervorragende musikalische Arbeit ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erhielt sie den Hamburger Jugend- und Kulturpreis 2010 der Dr. Langner Stiftung. Außerdem wurde sie 2019 mit dem Harburger Bürgerpreis ausgezeichnet. „Es war für mich ein schwerer Schritt, den Taktstock abzugeben“, sagt sie. „Und ich werde den Übergang auf den neuen Leiter Bernhard Klein auch noch ein Jahr begleiten. Außerdem bleibe ich den Funky Hats noch weiter als Dirigentin treu.“
Auch dem MSO fiel der Abschied von der Chefin hörbar schwer. Das zweite Abschiedsstück nach „Music“ war von Whitney Houston: „I will always love you!“