Hamburg. Tom M. überschüttete 2018 drei Behördenmitarbeiter mit brennendem Spiritus. Ein Opfer starb. Wie konnte es zu der Tat kommen?

Die Männer hatten keine Ahnung, welches Unheil sich zusammenbraute. Und sie hatten keine Chance sich zu wehren, als ein Mann sie heimtückisch und aus dem Hinterhalt angriff. Tom M., ein psychisch kranker 29-Jähriger, überschüttete drei Behördenmitarbeiter mit brennendem Spiritus. Eines der Opfer starb, ein zweiter Mann wurde lebensgefährlich verletzt, ein dritter Mann leicht.

Dieses entsetzliche Geschehen vom 24. September 2018 hat sehr viel Leid gebracht. In ihrem True-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ sprechen Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittel­acher und Rechtsmediziner Klaus Püschel über diesen außergewöhnlichen Fall gemeinsam mit Richter Joachim Bülter, vor dessen Kammer sich der 29-Jährige später unter anderem wegen Mordes verantworten musste.

29-Jährige überschüttete die arglosen Männer mit brennendem Spiritus

„Der Fall ist aufgrund der Tötungsart – nämlich Töten durch Feuer – und der psychischen Erkrankung des Angeklagten in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich und gehört zu den Verfahren, die mir ganz besonders in Erinnerung geblieben sind“, sagt Bülter.

„An jenem 24. September 2018, der mit einer Katastrophe enden würde, betreten drei Behördenmitarbeiter eine Wohnung in Hamburg-Eißendorf, um Tom M. in eine psychiatrische Einrichtung zu bringen“, erläutert Mittelacher. „Ihr Vorgehen ist durch einen Gerichtsbeschluss gedeckt. Der 29-Jährige hat sich in seinem Zimmer eingeschlossen. Als die Mitarbeiter die Tür eintreten, überschüttet Tom M. die arglosen Männer mit bereits brennendem Spiritus.“ „Und mit diesem schweren Angriff nahm er in Kauf, dass die Opfer sterben könnten“, erklärt Püschel.

„Brennender Spiritus ist eine wirklich extrem gefährliche Waffe"

„Brennender Spiritus ist eine wirklich extrem gefährliche Waffe. Es kann zu allerschwersten Folgen kommen, bis hin zum Tod.“ Püschel erläutert, dass es drei lebensbedrohliche Verletzungen geben könne. „Das eine ist die Verbrennung der Haut. Außerdem ist Feuer so gefährlich, weil ein sogenanntes thermisches Inhalationstrauma entstehen kann, das zu einem Verschluss der Atemwege führt. Der Mensch erstickt also. Und dann gibt es noch die mögliche Kohlenmonoxid-Vergiftung.“

Außerdem hat sich der Täter selber schwer verletzt. Nach seinem Angriff auf die Behördenmitarbeiter sprang er aus dem Fenster der Wohnung im dritten Stock und zog sich unter anderem mehrere Frakturen und Organquetschungen zu.

„Rund sechs Monate nach dem furchtbaren Verbrechen ist Tom M. vor Gericht gestellt worden“, erinnert sich Mittelacher. „Im Wesentlichen hat der Angeklagte gesagt, dass er Angst davor gehabt habe, in der Psychiatrie ,weggeschlossen‘ zu werden“, erläutert Bülter. „Um dies zu verhindern, habe er bereits Monate vor der Tat zehn Liter Spiritus im Internet bestellt.

Tom M. hatte schon in seiner Jugend psychische Probleme

Er habe dabei die Vorstellung gehabt, sich dadurch gegen menschliche Bedrohung von außen schützen zu wollen. Dabei sei ihm klar gewesen, dass bei dem Verschütten einer brennenden Flüssigkeit ganz erhebliche Verletzungen entstehen würden. Dies sei ihm jedoch gleichgültig gewesen.“

Schon früh in seiner Jugend hatte sich abgezeichnet, dass Tom M. psychische Probleme hatte. Ihm wurde schließlich ein gesetzlicher Betreuer zugewiesen. Und später wurde bei ihm eine sogenannte schizotype Störung diagnostiziert. „

Eine solche Störung ist gekennzeichnet durch unnahbares Auftreten mit der Tendenz zu einem ausgeprägten sozialen Rückzug“, erläutert Jurist Bülter. „Der Mensch fühlt sich ständig von anderen bedrängt und bedroht. Schließlich wurde der Zustand von Tom M. immer besorgniserregender. E-Mails von ihm enthielten bizarre Passagen. Da war unter anderem von einem ,Ritt auf der Kanonenkugel‘ die Rede.“ Ein Gericht ordnete die Unterbringung von Tom M. an – falls erforderlich auch gegen seinen Willen.

Arglose Männer mit brennendem Spiritus überschüttet – elf Jahre Haft

Tom M. wurde durch ein Behördenschreiben informiert. „Es kann also gut sein, dass dieser Brief den Angeklagten so aufgewühlt hat, dass er jetzt endgültig beschlossen hat, sich mit allen Mitteln gegen eine Unterbringung zu wehren?“, fragt Püschel. „Ja, davon sind wir später im Urteil ausgegangen“, antwortet Bülter. „Ab diesem Zeitpunkt hat sich Tom M. ernsthaft mit dem Gedanken befasst, sich mit mehreren Litern Spiritus zur Wehr zu setzen.“ Die drei Behördenmitarbeiter, die ihn abholen und in die Psychiatrie bringen sollten, waren aber arglos.

Das Gericht verurteilte Tom M. zu einer elfjährigen Freiheitsstrafe und ordnete wegen seiner Erkrankung darüber hinaus die unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. „In der Urteilsverkündung sagten Sie, Herr Bülter, an den Angeklagten gewandt: ,Sie haben etwas wirklich Furchtbares angerichtet.‘“, erzählt Mittelacher. „Tom M. habe ,heimtückisch und grausam‘ gehandelt, als er die arglosen Männer mit dem brennenden Spiritus übergoss.“

„Es war in der Tat objektiv betrachtet ein furchtbares Tatgeschehen mit schrecklichen Folgen für die Opfer“, meint Bülter. „Wir sind außerdem zu der Überzeugung gekommen, dass der Angeklagte möglichen schwersten Verletzungen, zu erwartenden Qualen aber auch einem möglichen Tod der Opfer ,gleichgültig gegenübergestanden‘ habe.“