Harburg. Besucher nehmen die Angebote dankbar an. Dabei geht es nicht nur um Hunger. Sondern auch um das Thema Einsamkeit.

Marion Borger öffnet den Thermobehälter. Ein appetitanregender Duft erfüllt den Gemeindesaal. „Kartoffelsuppe“, sagt Frau Borger anerkennend, „die ist bestimmt lecker!“

Marion Borger ist ehrenamtliche Helferin in der Suppenküche der katholischen Pfarrei St. Maximilian Kolbe in der Harburger Marienkirche. Heute hat sie zusammen mit Franz Kogler Dienst, ihrem Herzensmenschen. Das ist ein seltener Zufall, denn ihr Franz ist der Springer im Team, der immer dann aushilft, wenn jemand ausfällt. Franz Kogler ist tatsächlich katholisch, Marion Borger nicht.

Während der Corona-Jahre war die Suppenküche geschlossen

Sie kam über die Freiwilligenbörse der evangelischen Kirche in die katholische Suppenküche. Das ist Ökumene in der Praxis. Während der Corona-Jahre war die Suppenküche geschlossen. Seit Dezember hat sie wieder auf – und regen Zulauf. Auch andere Kirchengemeinden im Hamburger Süden öffnen wieder – oder erstmals – Suppenküchen. Der Bedarf ist groß, und dabei geht es längst nicht nur darum, den Magen zu füllen.

Heute an der Kelle: Marion Borger und Franz Kogler.
Heute an der Kelle: Marion Borger und Franz Kogler. © HA | Lars Hansen

Vom Thermobehälter, in dem der Caterer die Suppe gebracht hat, wird sie in einen Topf gefüllt, der auf einer Herdplatte hinter dem Tresen steht. Eineinhalb Stunden ist die Ausgabezeit. Im geöffneten Behälter wäre die Suppe am Ende nur noch lauwarm, daher Topf und Platte. „Früher haben wir hier Suppe aus großen, schweren Gastronomiedosen erwärmt“, sagt Franz Kogler. „Das war für die Damen sehr anstrengend und letztendlich teurer, als die Suppe liefern zu lassen. So geht es viel besser. Es ist aber auch immer eine Überraschung, was kommt.“

Ältere, Jüngere, eine Frau mit einem kleinen Kind stehen vor der Tür

Eines, was kommt, ist sicher: Die Gäste. Einige warten nämlich schon. Die beiden Ehrenamtlichen haben Teller, den Brotkorb und etwas Obst bereitgestellt, Kaffee ist fertig, Wasser steht bereit. Weil alles vorbereitet und es draußen kalt ist, öffnet Franz Kogler ausnahmsweise zehn Minuten vor der Zeit die Gemeindehaustür.

Es sind jetzt schon ein Dutzend Menschen, die anstehen. Ältere, Jüngere, eine Frau mit einem kleinen Kind. Obdachlose sind jetzt gerade nicht darunter. Die Schlafplätze des Hamburger Winternotprogramms befinden sich nördlich der Elbe, deshalb gibt es im Winter in Harburg weniger Obdachlose als im Sommer. Bedürftige gibt es dennoch reichlich: Jeder sechste Harburger im Kerngebiet bezieht Sozialleistungen als oder zum Einkommen. Arbeitslosigkeit trifft ältere Bürgerinnen und Bürger hier überdurchschnittlich. Weil die Preisanstiege bei dem, was man am nötigsten braucht, Essen und Energie, noch einmal deutlich über der ohnehin schon hohen Inflation liegt.

„Viele von uns sehen sich auch regelmäßig bei der Tafel.“

Die Gäste stehen geduldig Schlange, genießen schon beim Betreten des Saals den Duft der Kartoffelsuppe. Sie haben freundliche Worte für Franz und Marion und bekommen sie auch zurück. Die Frau mit dem Kind hat Wildblumen gepflückt und legt sie auf den Tisch. Man kennt sich, erkundigt sich nach dem Befinden, taut auf. Hunger ist nur ein Gesicht von Armut. Einsamkeit ein anderes. Auch dagegen wird in der Suppenküche geholfen. Und zur menschlichen Wärme kommt noch die ganz profane aus der Heizung.

„Einige von uns sind jeden Tag hier, wenn geöffnet ist“, sagt Ronnie, während er seine Kartoffelsuppe genießt. „Und an den anderen Tagen gibt es andere Suppenküchen. Wir haben da eine Liste. Viele von uns sehen sich auch regelmäßig bei der Tafel.“

Ab März will auch die Kirchengemeinde Harburg-Mitte sonnabends zur „Südsuppe“ einladen

Heute, so Ronnie, sei wenig los. „Das ist auch etwas widersprüchlich“, sagt er: „Es ist schön, mit den Leuten zusammenzukommen, aber ein bisschen geniert man sich schon, dass man zur Suppenküche geht. Und da macht sich seit Januar das Bürgergeld bemerkbar: Ich komme jetzt zum Beispiel nur noch jeden zweiten Tag und andere wohl ähnlich. Im Dezember waren wir mehr.“

Ein Suppenküchenprojekt hat seit Dezember auch die Heimfelder St.-Petrus-Kirche ins Leben gerufen. Sonntags nach dem Gottesdienst gibt es ein gemeinsames Mittagessen für jedermann, ob arm oder – das kommt rund um diese Kirche vor – reich. Auch hier ist neben dem Stillen des Hungers das Erleben von Gemeinschaft ein zentraler Aspekt. Ab März will auch die Kirchengemeinde Harburg-Mitte sonnabends zur „Südsuppe“ im großen Gemeindesaal der St.-Johannis-Kirche einladen.

Initiiert wurde das aus dem Kreis des „Café Refugio“, der unter der Woche Geflüchtete und Einheimische zusammenbringen will. Das „Refugio“ ist nach der Corona-Unterbrechung nun auch wieder offen, jeweils montags und mittwochs. Auch an allen anderen Wochentagen lädt jetzt abends, wenn der Lärm des Turmabbruchs verstummt ist, die Gemeinde zum Spielen und Schnacken ins „Abendcafé“ ein. Und für Anfang März ist eine viertägige Vesperkiche mit gemeinsamem Essen geplant. Ohne Sponsoren geht das alles im Übrigen nicht: Diverse Rotary-Clubs und der Verein „Der Hafen hilft“ unterstützen die erwähnten Projekte.