Hamburg. Auch nach dem S-Bahn-Ärger setzt Hamburg weiterhin auf dieses Verkehrsmittel. Aus dem Bezirk Harburg kamen andere Vorschläge.

Die erste Sitzung der Bezirksversammlung nach der Sommerpause war noch stark von dem Ereignis geprägt, das im Sommer die Harburger Gemüter beispiellos erhitzt hatte: dem wochenlangen Pendler-Chaos, das auf den Lkw-Brand unter dem Bahnhof Elbbrücken folgte. Gleich fünf Anträge befassten sich mit dem Thema. Alternativen zur S-Bahn über die Elbe wurden da ebenso gefordert wie Maßnahmen, um die S-Bahn weniger störanfällig zu machen.

Wie realistisch sind die Vorschläge, wie groß ihre Chancen, in die Hamburger Verkehrspolitik aufgenommen zu werden? Die Verkehrsunternehmen im HVV haben in vielen Punkten Bedenken – und die Verkehrsbehörde Pläne, die von den Forderungen aus Harburg allerdings zum Teil abweichen.

Auch ohne langfristige Störungen ächzen Straße und Schiene im Hamburger Süden schon heute zur Berufsverkehrszeit an der Kapazitätsgrenze: 84.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pendeln täglich aus der südlichen Metropolregion nach Hamburg und zurück. Dazu kommen zirka 40.000, die aus dem Bezirk Harburg direkt über die Elbe pendeln. 124.000 Menschen aus dem Süden müssen jeden Morgen nach Hamburg hinein und zum Feierabend wieder heraus. Gut 22.000 davon können pro Stunde mit S-Bahn und Regionalzügen befördert werden – wenn alles glattläuft.

Harburg sucht nach Alternativen für Weg über die Elbe

Mit dem Ziel der Kapazitätssteigerung wurden deshalb schon lange vor dem Brückenbrand Alternativen zu den bestehenden Systemen gesucht und propagiert. In die Bezirksversammlung schafften es erstens die erneute Forderung nach einer Fährverbindung Harburg–Landungsbrücken, die CDU und FDP stellten, zweitens der Wunsch, mehr Expressbuslinien über die Elbe einzurichten – insbesondere in Richtung Altona, und drittens die Forderung, die U4 möglichst schnell bis Harburg auszubauen. Außerdem steht noch die Idee im Raum, die Elbe in Höhe Altona mit Gleisen zu unterqueren und die Kapazität der Regionalzüge zu erweitern. Eine dritte S-Bahn-Linie auf der Harburger Hauptstrecke, auf der bereits zwei Linien verkehren, ist bereits beschlossen.

Mit dem Wunsch nach der Fährverbindung Harburg–Landungsbrücken blitzten CDU und FDP bereits an der rot-grünen Mehrheit in der Bezirksversammlung ab: Dieses Verkehrsmittel sei nicht leistungsfähig genug, um auch nur annähernd einen Unterschied auszumachen. Die „Bügeleisen“ genannten Fähren vom Typ 2000 und 2020 können jeweils 250 Fahrgäste befördern und würden nach Hadag-Auskünften zwischen 35 und 45 Minuten pro Fahrt benötigen.

Für sie müsste bei Hochwasser die Kattwykbrücke geöffnet werden. „Außerdem hat die Hadag ja nicht gleich die benötigten Schiffe irgendwo in der Tasche“, sagte Frank Wiesner (SPD), „geschweige denn die Schiffsführer. Und zum Vergleich: Ein einziger Langzug der S-Bahn kann bis zu 1500 Menschen befördern.“

U4 bis Harburg: SPD und Linke fordern zügige Durchplanung

Die SPD und die Linken fordern eine zügige Durchplanung der U4 bis nach Harburg. Auf taube Ohren stoßen sie damit in Hamburg nicht, allerdings sieht Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) die ­U-Bahn nicht als die Lösung an, die am schnellsten die meisten Verbesserungen bringt: „Um künftig mehr Pendlerinnen und Pendler über die Elbe befördern zu können, ist kurzfristig die beste Möglichkeit die Kapazitätssteigerung der S-Bahn. Sie ist das leistungsfähigste und schnellste Verkehrsmittel“, sagt er.

Von den Harburgerinnen und Harburgern wird die S-Bahn aber zumeist eher als störungsanfällig wahrgenommen. Daran arbeite man jedoch, heißt es aus der Verkehrsbehörde. So werden derzeit die ­S-Bahn-Gleise in Richtung Süden gegen das Betreten von Unbefugten gesichert, sodass die Störungsursache „Personen im Gleis“ bald sehr viel seltener wird.

U4 in Richtung Süden ist in Planung und Ausgestaltung

Und auch das zeitaufwendige und deshalb verspätungsträchtige Verlängern und Verkürzen der Züge in Neugraben soll bald entfallen, wenn mit dem neuen Netz-Zuschnitt die Langzüge direkt in Neugraben einsetzen. „So verdreifachen wir die Langzugfahrten ab Neugraben. Die neue Signal-, Weichen- und Energietechnik schafft die Voraussetzung, um ab Ende der 20er-Jahre parallel einen dritten Zug innerhalb von zehn Minuten nach Harburg fahren zu lassen“, so Tjarks. „Dann können statt jetzt 15.000 Fahrgäste pro Stunde 24.000 pro Stunde und Richtung mit der S-Bahn transportiert werden. Die U4 in Richtung Süden ist in Planung und Ausgestaltung, wird jedoch frühestens 2030 bis in den Norden Wilhelmsburgs verwirklicht. Ziel ist es, dass wir 2030 auf dem Grasbrook sind. Derzeit wird geprüft, wie die Trasse weiter ins ­Reiherstiegviertel und Richtung Süden laufen kann.“

Eine sinnvolle Führung der U4 würde vor allem in Wilhelmsburg Wohnquartiere erschließen, die bislang weitab von der Bahn sind oder erst noch entstehen. Nach Harburg würde sie länger brauchen als die S-Bahn. Für die Schienen-Elbquerung im Westen will die Behörde die Machbarkeitsstudie abwarten. Eine darauf fußende Planung könnte in einigen Jahrzehnten verwirklicht werden.