Harburg. 28-Jährige ist eine von nur drei Feuerwehrfrauen in Hamburg, die eine solch hohe Position bekleiden. Das treibt sie an.
„Eigentlich wollte ich in die Forschung gehen, aber dann hat es mich irgendwie zur Feuerwehr verschlagen“, sagt Brandoberinspektorin Tabea Müller. Wie auch immer es sie her verschlug, es läuft gut für die 28-Jährige. Immerhin ist sie eine von nur drei Feuerwehrfrauen in ganz Hamburg, die ihre Position als Brandoberinspektorin in der höheren Beamtenlaufbahn bekleiden.
Beim Ortstermin mit dem Abendblatt sitzt sie entspannt in ihrem Bürostuhl der Feuer- und Rettungswache 36 in der Waltershofer Straße in Hamburg-Hausbruch. Ihren Dienst hat sie bereits um 6.15 Uhr begonnen und er endet erst nach 24 Stunden am kommenden Morgen. Bis dahin werden Tabea Müller und ihre 20 im Dienst befindlichen männlichen Kollegen im Einsatzraum Süderelbe für Sicherheit sorgen. Die gesamte Wachabteilung besteht aus 38 Personen, davon sind neben Tabea Müller noch zwei Frauen im Rettungsdienst tätig.
Selbstbewusstsein ist bei der Feuerwehr Hamburg wichtig
An diesem Vormittag sitzt sie, wie eigentlich immer zu Beginn mit ihrem Kollegen, Hauptbrandmeister Gordon Bien, über der Schichtplanung. Welcher Mitarbeiter übernimmt welche Aufgabe? Wer besetzt im Ernstfall den Angriffstrupp oder wer sichert die Kollegen, falls mal etwas schiefgeht und die Retter plötzlich selbst Hilfe brauchen? Die Mitglieder der Feuerwehr wissen bei aller Planung nie, was genau sie in den kommenden Stunden erwartet, aber trotzdem wird nichts dem Zufall überlassen. „Deshalb ist es wichtig, dass jeder seine Aufgabe kennt und einen festen Platz hat“, erklärt die Feuerwehrfrau.
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Dass sie eine Frau ist, spiele dabei überhaupt keine Rolle. „Ich habe noch nicht erlebt, dass jemand in einer Notlage ans Geschlecht denkt. Wichtig ist, das schnell und professionell geholfen wird“, erklärt Müller. Und auch ihre männlichen Kollegen hätten kein Problem mit ihrer ambitionierten Chefin, die sich nicht als Vorkämpferin für Frauenrechte oder als Feministin sieht. „Ich mache einfach meinen Job, für den ich ausgebildet worden bin“, erklärt Tabea Müller und scherzt: „Wenn der Einsatz kommt, warte ich nicht, bis der Nagellack trocken ist.“ Sie ist sich sicher, dass unabhängig vom Geschlecht ein zielbewusstes und selbstbewusstes Auftreten einfach dazu gehören, um Menschen zu führen.
„An Einsätze gehen Frauen generell anders heran“
Bei der Feuerwehr sei, so die Brandoberinspektorin, aber auch ein freundschaftliches Miteinander bei der Arbeit nötig. Man verbringe schließlich viel Zeit miteinander, feiert Weihnachten und Geburtstage gemeinsam und geht zusammen zum Dienstsport. Die Abteilung kocht gemeinsam – das wird keinesfalls nur der Frau überlassen.
„An Einsätze gehen Frauen generell anders heran“, ist die Mutter von drei Kindern aber überzeugt. „Im positiven wie im negativen Sinne.“ Frauen gehen an die Einsätze emotionaler, Männer eher sachlicher heran, wenn beispielsweise Kinder beteiligt sind. Daher sei es wichtig, mit den Kollegen viel über das Einsatzgeschehen zu sprechen, um die Erlebnisse und Eindrücke nicht mit nach Hause zu nehmen.
Mit nach Hause genommen, hat sie allerdings ihren Mann, der ebenfalls bei der Feuerwehr tätig ist, aber auf einer anderen Wache. „Das ist super. Wir stimmen unsere Dienstpläne aufeinander ab. So funktioniert es trotz Schichtdienstes hervorragend mit der Kinderbetreuung“, berichtet sie. Für die Betreuung im Hause Müller sind dann beide Partner gleichermaßen zuständig. „Mir war es wichtig, immer im Arbeitsleben zu stehen – trotz Kinder. So blieb nach meiner Ausbildung als Industriemechatronikerin und meinem Mechatronikstudium eine berufliche Karriere das Hauptziel“, erzählt Tabea Müller selbstsicher. Seit 2018 sei sie auf der Wache in Süderelbe und „da gibt es einige Kollegen, die länger bei der Feuerwehr sind, als ich auf der Welt bin.“
Frauen wirken bei Rettungseinsätzen oftmals deeskalierend
Einer dieser erfahrenen Feuerwehrkollegen ist ihr Schreibtischnachbar Gordon Bien. „Als ich 1994 bei der Feuerwehr angefangen habe, gab es hier noch gar keine Frauen“, erzählt Bien. „Das hat sich mittlerweile sehr zum Positiven verändert.“ Frauen hätten oft eine andere Sicht auf bestimmte Einsatzlagen und wirken bei Rettungseinsätzen oftmals deeskalierend. Wichtig sei nicht welches Geschlecht die Retter haben, sondern dass sie mit anpacken können, „und das tut Tabea sehr tatkräftig“, lobt er seine Chefin. „Sie scheut sich nicht, ihr Kollegen zu unterstützen und mal eine Frage zu stellen. Selbst wenn sie letztlich entscheidet und verantwortet, wie der Einsatz durchgeführt wird.“ Sie sei bei allen Kollegen hochgeschätzt.
Da ertönt die Alarmsirene in der Wache. Es geht zum Einsatz, schnell raus aus der Freizeitkleidung, rein in den Einsatzanzug. Dafür liegt Tabea Müllers Schutzkleidung direkt an ihrer Position, nämlich dem Beifahrersitz des Hilfeleistungslöschfahrzeuges, von diesem Platz aus koordiniert sie schon während der Anfahrt zur Einsatzstelle die erforderlichen Schritte, um schnell helfen zu können.
Feuerwehrfrau war zwar nicht ihr Kindheitstraum – aber es scheint, als hätte ihr Traumjob vielmehr sie gefunden. An der Einsatzstelle übernimmt Tabea Müller routiniert das Kommando und steht mit 28 Jahren ihre Frau.