Harburg. Turm der Harburger St. Johanniskirche wird nun doch abgerissen. Grund: Gestiegene Kosten machen umfassende Sanierung unmöglich.

Der Turm der Harburger St. Johanniskirche an der Bremer Straße ist nicht mehr zu retten. „Nach gut zweijähriger Lösungssuche mit dem Ziel, den Turm zu erhalten, mussten wir uns nun doch für den Abriss entscheiden“, sagt Pastorin Sabine Kaiser-Reis. Und fügt hinzu: „Wir müssen das jetzt erst einmal verarbeiten, dass er wegkommt.“ Den letzten Ausschlag gaben die gestiegenen Kosten für eine umfassende Instandhaltung.

Als im Jahr 2019 umfassende Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten an der 1952 bis 1954 erbauten Kirche, an Turm und Gemeindezentrum starteten, wurde bald klar: Der Turm aus Stahlbeton ist stärker beschädigt als erwartet. Eine Gutachterin wurde eingeschaltet. Sie verhängte sofort einen Baustopp. An den anderen Gebäuden liefen die Arbeiten weiter. Der Turm, aus dem für die anstehenden Arbeiten bereits die Glocken und die Glasfenster entfernt wurden, blieb als Betongerippe stehen.

Ursprünglich Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro gerechnet

Laut Gutachterin war 2019 mit Kosten von 1,5 Millionen Euro nur für die Reparatur des Turmes zu rechnen. Seine Bauherren hatten vor 70 Jahren besonders filigran bauen wollen. Mit dem Ergebnis, dass die Betonschicht, die den Stahl ummantelt und vor Witterungseinflüssen schützt, viel zu dünn ist. Vor einigen Jahrzehnten sei der Turm schon einmal instandgesetzt worden. Aber damals habe man den angerosteten Stahl einfach mit einer neuen Betonschicht versehen, so Kaiser-Reis.

Für die Kirchengemeinde Harburg, zu der St. Johannis gehört, waren die 1,5 Millionen Euro nicht zu finanzieren. Auf Initiative des Harburger Politikers Ralf-Dieter Fischer (CDU) wurden der Kirchengemeinde Ende 2020 Fördermittel des Bundes in Höhe von 750.000 Euro in Aussicht gestellt. In Gesprächen mit dem Denkmalschutzamt und der Kulturbehörde zeichnete sich ab, dass die Stadt die andere Hälfte übernehmen könnte.

Lieber inhaltliche Arbeit für die Menschen als Sanierung

Dennoch blieb die Instandsetzung für die Gemeinde ein finanzielles Risiko: „Im Gutachten stand auch, dass die nächste Sanierung in 15 bis 20 Jahren fällig sein wird. Sie wird nach dem Stand von 2019 rund 500.000 Euro kosten, und die hätte die Gemeinde zu tragen. Das heißt, wir hätten jedes Jahr 30.000 Euro zurücklegen müssen. Dafür leisten wir lieber inhaltliche Arbeit für Menschen.“ Hinzu kommen die aktuell gestiegenen Baupreise. Heute würde die Instandsetzung mehr als zwei Millionen Euro kosten. Zusätzliches Fördergeld ist nicht in Sicht. Zudem ist unklar, ob der Turm wegen mangelnder Standfestigkeit nicht vielleicht in 30 Jahren doch abgerissen werden muss.

Das Thema Standfestigkeit setzt Kirchenvertreter und Denkmalschützer unter akuten Druck: Ein Statiker hatte im Herbst den Turm untersucht und ihm nur noch eine Standfestigkeit bis September dieses Jahres attestiert. Deshalb wird nun im Frühsommer der Turm Stück für Stück per Hand abgetragen werden. Für die Arbeiten sind sechs Monate anberaumt, wenn das Bauwerk keine neuerlichen Überraschungen bereithält. Zu Weihnachten könnte St. Johannis also ohne Turm dastehen.