Neugraben-Fischbek. Wenig Nutzer, viele Schäden: Teenager liefern sich in Neugraben offenbar Rennen, Kriminelle bauen Ortungseinheiten sogar aus.
Wird es auch im Jahr 2023 noch ein Car-Sharing-Angebot in den Neubaugebieten Vogelkamp und Fischbeker Heidbrook geben? Das Pilotprojekt mit vier Elektroautos – zwei pro Standort – läuft zum Jahresende aus. Dass es unverändert verlängert und gar im zukünftigen Neubaugebiet Fischbeker Reethen übernommen wird, ist unwahrscheinlich, erfuhren Kommunalpolitiker im Mobilitätsausschuss der Harburger Bezirksversammlung.
Die IBA als Entwickler und Quartiersbetreuer der Neubaugebiete möchte gerne weiterhin Alternativen zum privaten Individualverkehr in den Gebieten anbieten. Der kommerzielle Partner im Quartiers-Carsharing-Projekt, das Autohaus S+K, hat hingegen unternehmerische Bedenken: In den ersten drei Jahren des Modellversuchs habe man Verlust gemacht, berichtete Geschäftsführer Mathias Süchting. Dass sich ändern werde, sei unwahrscheinlich. Eine kategorische Absage an eine Fortführung wollte er nicht aussprechen.
Autohaus verliert 30.000 Euro pro Jahr
Aber: So wie jetzt könne es nicht weitergehen. „Wir haben nicht wirklich finanzielle Gewinne erwartet“, sagte Süchting. „Uns ging es darum, Erfahrungen mit alternativen Modellen zu sammeln.“ Dass man allerdings so viel Lehrgeld zahlen müsste, hat man nicht gedacht: Pro Monat verliert S+K laut Süchting 2500 Euro beim Car-Sharing. Im Jahr sind das 30.000 Euro. Das liegt daran, dass die Nutzungszahlen über die Sharing-App und damit die Einnahmen zu niedrig ausfallen und die Grundkosten nicht decken. Einen großen Teil der Unkosten verursachen Verschmutzungen, Beschädigungen und Diebstahl.
Die Sharing-Fahrzeuge haben einen festen Ausleihpunkt mit Ladestation. Im P+R-Haus Neugraben stehen zwei Kleinwagen vom Typ Renault ZO:E, im Einkaufszentrum des Heidbrook ein ZO:E und ein Renault Kangoo. Wer die Fahrzeuge nutzen möchte, meldet sich über die App an, muss dann im Autohaus den Führerschein zeigen und kann die Fahrzeuge danach per Smartphone buchen, öffnen und starten. Bei Rückgabe soll das Auto dann wieder an die Ladesäule angeschlossen werden.
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Jugendliche feiern Partys in den abgestellten Autos
Pro Quartier sind etwa 300 Nutzer für das Car-Sharing angemeldet. Wirklich aktiv nutzen es im Heidbrook 30, im Vogelkamp gar nur 17 Kunden. Die Zahl der Monatsbuchungen liegt bei 58, nicht einmal 15 pro Auto. Um die Grundkosten zu decken, wären monatlich 196 Buchungen notwendig. Die Nutzung müsste sich um 300 Prozent steigern. Süchting hält das für wenig wahrscheinlich.
Viel mehr Sorgen macht ihm allerdings die Nutzung durch andere: Jugendliche verschaffen sich mit Tricks und krimineller Energie Zugang, fahren damit Rennen oder feiern darin Partys. Mit noch mehr krimineller Energie entwenden andere die Fahrzeuge, indem sie die Ortungseinheit ausbauen oder lahmlegen. „Da sind Profis am Werk“, sagt Süchting.
„Wir haben schon Wagen von Parkplätzen geholt, auf denen nach Polizeiangaben häufig gestohlene Autos an Hehler übergeben werden.“ Zur Beseitigung von Aufbruch-, Vandalismus- und Rennschäden sowie zur Innenreinigung nach Partys müssen die Autos häufig in die Werkstatt. Am Donnerstag, als Süchting vortrug, waren alle vier zur Reparatur. Zu den Verlusten durch illegale Nutzung kommen Schäden, die reguläre Nutzer nicht melden.
Autos riechen häufig nach Alkohol oder Rauch
Zwischen dem mutwilligen oder rücksichtslosen Beschädigen und der zu geringen Nutzung besteht ein Zusammenhang: Im Nutzerfeedback wird von einigen kritisiert, dass die Autos nach Rauch und Alkohol riechen oder stark verschmutzt sind. Der Standort im Park-and-Ride-Haus Neugraben wird als unangenehm empfunden, weil sich dort abends oft Jugendliche treffen. Generell wünschen sich viele Nutzer Standorte für die Autos, die zentraler in den Wohngebieten liegen. „Wenn ich schon an der S-Bahn bin, brauche ich auch kein Auto mehr“, schrieb einer. „Wir wollen Car-Sharing und andere umweltfreundliche Mobilität in unseren Quartieren etablieren und verfestigen“, sagte IBA-Quartiersbetreuer Ronny Warnke im Ausschuss. „Deshalb haben wir ein Interesse, das Projekt fortzuführen, müssen das Konzept aber wohl noch verbessern.“
Mathias Süchting will nicht ausschließen, dass er weiter zur Verfügung steht. „Grundsätzlich wollen wir das“, sagt er. „aber wir können nicht dauerhaft so viel Geld mitbringen. Da muss sich etwas ändern.“