Harburg. Was für Hersteller praktisch ist, hat Nachteile für Mensch und Umwelt. Was Verbraucher gegen Kunststoff-Verpackungen tun können

Plastik hat Vorteile: Es ist günstig herzustellen, mit wenig Energieaufwand nahezu beliebig formbar, wasserdicht und luftdicht und in den transparenten Varianten des Materials verpackt, kann man dem Kunden die Ware direkt präsentieren. Das schafft Vertrauen und stärkt die Kaufentscheidung.

Kein Wunder, dass Plastikverpackungen in Industrie und Handel beliebt sind. 370 Millionen Tonnen Kunststoff wurden 2019 weltweit produziert, Tendenz steigend. Es muss ständig nachproduziert werden, denn Plastik hat auch Nachteile: Es ist nicht lange haltbar und wird schnell zu Abfall. Der wiederum hält lange vor. Denn auch, wenn der einzelne Gegenstand aus Plastik schnell kaputtgehen kann, dauert es mitunter Jahre, bis seine Fragmente verschwunden sind. Weil aber Plastik so günstig ist, wird es vielerorts schlicht weggeworfen. Nachhaltig ist das nicht.

Es gibt Initiativen in der Region, die gegensteuern möchten

Im Gegenteil: Es schadet der Umwelt mehrfach. Als Mikroplastik gelangen die Abfallpartikel in die Nahrungskette und gefährden Mensch und Tier. Größere Teile verschmutzen Landschaften und Weltmeere. Was für Industrie und Handel der große Vorteil von Plastik ist, fällt Verbrauchern und Umwelt auf die Füße. Das muss nicht so sein. Es gibt Möglichkeiten, gegenzusteuern und Initiativen, die dies tun; auch in unserer Region. Vermeidung und Recycling heißen die Ansätze.

Carl Reiner weiß, wo er suchen muss, wenn er nicht lange suchen will: Die Ufer des Seevekanals zwischen Bahnhof und Phoenix-Center sind immer ergiebig, was Plastikmüll angeht. Im Nu hat er seinen Eimer – übrigens auch aus Plastik – mit Kunststoffabfällen gefüllt. Zum Glück hat er auch noch einen alten Fahrradkorb gefunden, den er jetzt auch noch flugs füllen kann. Normalerweise sammelt er nicht allein.

Mitarbeiter der TUHH ist Mitglied bei „Plast.ich

Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der TUHH ist Mitglied der Initiative „Plast.ich“, eigentlich sogar ihr Vorsitzender, aber das ist bei der kleinen Gruppe mehr eine vereinsrechtliche Notwendigkeit als ein Machtamt. Die Initiative will Mitmenschen zu einem bewussteren Umgang mit Plastik anregen, in der Hoffnung, dass so Plastikmüll vermieden wird. Dafür organisieren die Aktiven regelmäßig so genannte „Cleanups“, das sind Gruppen-Sammelaktionen, in Ecken, in denen es besonders schmuddelig ist.

Weil die meisten Mitglieder in Harburg leben, liegt ein Schwerpunkt im Hamburger Süden. „Wir sind derzeit so um die sieben Aktive, aber wenn wir zu den Cleanups aufrufen, kommen meistens 30 bis 50 Menschen zusammen. Die meisten hatten vorher nichts mit uns zu tun. Beim Sammeln entwickeln viele ein Bewusstsein für Müllvermeidung und für die Dimension des Problems.“

Workshops zu Müllvermeidung und Mülltrennung sind geplant

Eigentlich will die Initiative auch Workshops zu Müllvermeidung und Mülltrennung geben. Das ist derzeit wegen der Corona-Pandemie schwierig, bleibt aber ein Ziel. „Die Plastikmüllvermeidung beginnt schon beim Einkaufen“, sagt Reiner.

„Wer seine Lebensmittelauf dem Wochenmarkt oder beim Gemüsehändler kauft, erhält sie zumeist ohne Plastikverpackung. Damit wäre dieser Müll schon einmal vermieden. Und wenn man Plastik hat, sollte das konsequent ins Recycling gegeben werden.“

Unverpackt-Läden und -Stände schaffen Abhilfe

Neben den Wochenmärkten, Gemüsehändlern, Bäckern und Schlachtern gibt es mittlerweile auch Läden und Marktstände, die Waren ohne Verpackung verkaufen, die es sonst nur abgepackt gibt; wie zum Beispiel den Unverpackt-Laden in Buchholz oder den Unverpackt-Marktstand auf den Wochenmärkten in Harburg, Neugraben und Wilhelmsburg. Dessen Betreiber wurden unlängst mit dem Harburger Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.

Ebenfalls ein Nachhaltigkeitspreisträger, allerdings aus der Vergangenheit, ist die Initiative „Precious Plastic Hamburg“, die in Harburg entstand.

Die Harburger Initiative
Die Harburger Initiative "Plast.Ich" sammelt Kunststoff auf Wegen, in Parks und auf Plätzen. © HA | Plast.Ich

Sie setzt sich für ein größeres Recyclingbewusstsein ein und ist Teil eines weltweiten Netzwerks. „Wir bauen Apparaturen, mit denen man die Recyclingschritte und -möglichkeiten veranschaulichen und vorführen kann“, sagt Gründungsmitglied John Kuypers. „Gerade bauen wir eigentlich an einem großen Objekt aus recyceltem Plastik. Das Projekt stockt gerade etwas. Mal sehen, wann es fertig wird.“

Hamburger Stadtreinigung schafft Recyclingquote von 50 Prozent

Wer einmal bei „Precious Plastic“ zugeschaut hat, weiß, dass Plastik sich zwar grundsätzlich einfach recyceln lässt, der Teufel allerdings im Detail steckt. Es gibt allein ein halbes Dutzend verschiedene Grundarten von Kunststoff, diese auch noch in Abwandlungen und natürlich verschieden eingefärbt.

Wer hochwertig recyceln möchte, muss den abgetrennten Plastikmüll noch einmal sortieren. Bei der Hamburger Stadtreinigung wird das gemacht, allerdings maschinell. „Dabei geht immer noch eine Menge durch“, sagt Stadtreinigungssprecher Andree Möller, „beispielsweise, wenn an der Packung noch Papieretiketten oder Foliendeckel kleben, dann kann die Maschine nicht bewerten, wie sie das Teil einsortieren soll.“

Immerhin schafft die Stadtreinigung eine „stoffliche“ Recyclingquote von nahezu 50 Prozent auf ihre gesamten 777.000 Tonnen Hausmüll jährlich. Für die Wertstoffsäcke und -Tonnen kann Möller die Quote nicht nennen, sie werden von der Stadtreinigung lediglich eingesammelt und an das duale System übergeben. Was die Stadtreinigung nicht recycelt, verbrennt sie und gibt die Energie ins Fernwärmenetz ab.

Dieses Vorgehen ist zwar besser, als wenn das Plastik zu Mikropartikeln zerfiele, aber klimafreundlich ist es leider nicht. Plastik hat den Brennwert von Heizöl und auch dieselbe CO-Bilanz. Eine echte Wiederverwertung kostet zwar Energie, setzt aber weit weniger Klimagase frei.

Am Bewusstsein der Menschen haben die Initiativen noch einiges zu bewegen. „Einige der häufigsten Fragen, die uns in Harburg gestellt werden, wenn wir Cleanups machen, ist, ob wir dazu verurteilt wurden“, sagt Carl Reiner. „Das hat uns zuerst irritiert. Aber auch über diese Frage kommt man mit Menschen ins Gespräch.“