Landkreis Harburg. Bis 2040 soll die Region CO2-neutral sein. Um das Klimaziel zu erreichen, hat die Verwaltung zahlreiche Maßnahmen angeschoben.
Nach monatelanger Pause wegen der Corona-Pandemie sind Klimaschützer in aller Welt am 25. September wieder auf die Straße gegangen. In Buchholz demonstrierten hunderte Mitstreiter im Rahmen des internationalen Klimaprotesttages wieder für mehr Tempo im Kampf gegen die Klimakrise. Damit rückt auch im Landkreis Harburg das Thema Klimaschutz in der Agenda wieder deutlich nach oben. Im Juni beschloss der Kreistag, dass der Landkreis Harburg bis 2040 klimaneutral werden soll. Doch wo steht der Kreis aktuell? Was ist tatsächlich passiert auf dem Weg in Richtung CO2-Neutralität?
Stabstelle für Klimaschutz koordiniert die Angebote
„Klimaschutz spielt im Landkreis Harburg schon seit langem eine große Rolle“, sagt Landkreis-Sprecher Andres Wulfes. „Nicht umsonst ist der Landkreis als Europäische Energie- und Klimaschutzkommune ausgezeichnet, als einer von zwei Landkreisen in Niedersachsen seit 2017.“ Um das Klimaziel bis 2040 zu erreichen, gebe es eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten sowie Beratungsangebote für Privatleute, kleine und mittlere Unternehmen und Handwerksbetriebe sowie künftig auch für die Landwirtschaft. Koordiniert werden diese Angebote von der dazu eingerichteten Stabstelle für Klimaschutz.
Passend zur Jahreszeit ist am 1. Oktober die Beratungskampagne „clever heizen!“ gestartet, die bis zum 30. November läuft. Sie richtet sich an Hauseigentümer und wird im Rahmen Gebäude-Checks der Energieberatung der Verbraucherzentrale durchgeführt und durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Mit seiner virtuellen Energieagentur www.energiewegweiser.de sorgt der Landkreis, der das Beratungsangebot bereits zum vierten Mal initiiert, außerdem für Koordination und Kommunikation sowie zusätzliche finanzielle Förderung.
„Der Erfolg in den vergangenen Jahren konnte sich sehen lassen“, sagt Andres Wulfes. „Knapp 400 Hausbesitzerinnen und -besitzer haben im Kreisgebiet die Heizungsberatung genutzt – ein Rund-um-Beratungspaket, das neben Heizung andere Aspekte des Gebäudes, beispielsweise Fenster und Dämmung, umfasst.“
Für Firmen gibt es Workshops zur ökologischen Optimierung
Eine weitere Maßnahme zum Klimaschutz ist die Kampagne „Solar-Check“, bei der Bürger erfahren können, ob ihr Haus für die Installation einer Solaranlage geeignet ist. Dazu prüfen die Fachleute der Verbraucherzentrale Niedersachsen vor Ort grundlegende Aspekte wie Dachausrichtung, Verschattungsgrad, Statik und Platzangebot für Kollektoren und Speicher sowie die Anbindung an die Hauselektrik und die vorhandene Heizungsanlage.
Unternehmen aus dem Kreisgebiet können durch eine Kooperationsvereinbarung der Kreisverwaltung mit Hamburg am Unternehmensberatungsprogramm ÖKOPROFIT® teilnehmen. Während des einjährigen Durchgangs werden die Unternehmen durch gemeinsame Workshops und umfangreiche Arbeitshilfen unterstützt, durch Ressourceneinsparungen und die ökologische Optimierung von Unternehmensprozessen die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Auch an den Schulen laufen Klima-Programme
Dass sich das Energiesparen auch für Schulen lohnt, soll die Kampagne „Dreh ab!“ verdeutlichen. Seit Ende 2012 führen Energieteams aus Schülern, Lehrern und Hausmeistern an mittlerweile 18 Landkreisschulen vielfältige Energiesparmaßnahmen durch, die rund 11.000 Schüler erreichen. In Teams werden die Jugendlichen motiviert, sich mit den Themen Klimaschutz und Energiesparen innerhalb des Schullebens zu beschäftigen und konkrete Projekte zu entwickeln, die sich einfach umsetzen lassen und Vorbild für andere sein können.
„Der Landkreis Harburg hat es sich zum Ziel gesetzt, die Energieverbräuche aus Nahwärme, Erdgas und Strom sowie den Wasserverbrauch in seinen Liegenschaften zielgerichtet und kontinuierlich zu analysieren“, sagt Andres Wulfes. So werden seit 2008 die monatlichen Medienverbräuche in Schulen, Sporthallen, Mensen, Verwaltungsgebäuden, Bildungseinrichtungen und Feuer- sowie Rettungswachen zentral in einer von der Gebäudewirtschaft programmierten Datenbank zählergenau erfasst und ausgewertet. Trotz der gestiegenen technischen Ausstattung und der deutlichen Zunahme der Nettogesamtfläche in den kreiseigenen Liegenschaften verringerte sich der Stromverbrauch zwischen 2008 und 2015 um 5,6 Prozent auf 6,4 Millionen kWh.
Der witterungsbereinigte Wärmeverbrauch verringerte sich im gleichen Zeitraum um zwölf Prozent von 23,3 Millionen kWh auf 20,5 Millionen kWh. Die Gesamtenergiekosten verringerten sich gegenüber 2008 leicht um 0,4 Prozent auf 2,75 Millionen Euro. Die spezifischen Energiegesamtkosten belaufen sich damit im Jahr 2015 auf 11,15 Euro je Einwohner und Jahr. „Im Vergleich zu anderen Kommunen, bei denen die Kosten durchschnittlich 30 Euro betragen, haben sich die Investitionen in Höhe von zehn Millionen Euro seit 2008 in Sanierungs- und Neubauprojekte bezahlt gemacht“, so Wulfes.
Alle Liegenschaften werden mit Ökostrom versorgt
Für eine gute Energiebilanz sorgt auch die Tatsache, dass alle Liegenschaften des Landkreises Harburg mit Ökostrom aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien versorgt werden. Und das bereits seit 2011. Durch Blockheizkraftwerke auf Basis von Biogas und Holzhackschnitzeln konnte der Anteil der erneuerbaren Energien am Wärmeverbrauch zwischen 2008 und 2015 von einem auf rund 12,5 Prozent verzwölffacht werden. Durch die erhöhte Energieeffizienz halbierte der Kreis seine Treibhausgasemissionen von 12.412 Tonnen im Jahr 2010 auf 5.836 Tonnen im Jahr 2015.
Auch im Bereich der kommunalen Mobilität hat der Landkreis umgestellt. So fährt inzwischen ein Großteil der Dienstfahrzeuge elektrisch. Aktuell stehen fünf E-Autos und zwei Pedelecs für Dienstfahrten zur Verfügung. Um Strom aus erneuerbaren Energien zu nutzen, verpachtet der Landkreis die Dachflächen der eigenen Gebäude an Unternehmen für Solaranlagen. Mit den Erlösen wird das HVV-Jobticket für Mitarbeiter gefördert.
Um das Angebot und die Qualität in den Bussen zu verbessern, wurden in jüngster Vergangenheit 47 Neufahrzeuge eingesetzt. Sie sollen, ausgestattet mit komfortableren Sitzen, W-LAN, Videoüberwachung, dynamischer Haltestellenanzeige, einem zweiten Platz für Rollstuhlfahrer und Klimaanlage den Komfort steigern. Zudem entsprechen die Fahrzeuge der modernsten Abgasnorm Euro 6. „Im weiteren Verlauf des bis zum Sommer 2029 laufenden Verkehrsvertrages wird das Durchschnittsalter der Fahrzeuge schrittweise weiter gesenkt“, sagt Andres Wulfes. „Auf den regionalen Hauptlinien sind die Fahrpläne seit 1. Dezember 2019 zudem auf einen Stundentakt verdichtet.“
Natur- und Landschaftsschutz im Vordergrund
Um seine Klimaschutzmaßnahmen zu unterstreichen, hat der Landkreis zahlreiche Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete neu ausgewiesen. Im Rahmen des Programms „Natura 2000“ der Europäischen Union stellt der Landkreis 14 Fauna-Flora-Habitat- Schutzgebiete unter besonderen Schutz. „‘Natura 2000‘ ist ein zusammenhängendes, länderübergreifendes ökologisches Netz von Schutzgebieten in Europa, um natürliche und naturnahe Lebensräume sowie gefährdete wildlebende Tiere und Pflanzen zu schützen und zu erhalten“, sagt Andres Wulfes.
Zentrale Bestimmung der Fauna-Lora-Habitat-Richtlinie ist: Jeder Mitgliedstaat muss Gebiete benennen, erhalten und gegebenenfalls entwickeln, die für gefährdete Lebensräume und Arten wichtig sind. Im Landkreis Harburg umfassen die Natura-Flächen 16.256 Hektar und damit rund 13 Prozent der Kreisfläche.
Stadt Buchholz startet Online-Portal und Klimawerkstatt
Etliche Maßnahmen für den Klimaschutz hat auch die Stadt Buchholz angeschoben. So können Halter von Elektroautos ihre Fahrzeuge kostenlos für zwei Stunden auf öffentlichen Parkplätzen im Stadtgebiet abstellen. Voraussetzung ist eine Parkscheibe und ein E-Kennzeichen. Für ein sicheres Abstellen von Lastenrädern wurden vier spezielle Radbügel in der City installiert. Darüber hinaus wurde die Straßenbeleuchtung auf LED umgerüstet. Im März startete zudem das Buchholzer Klimaforum. Das Projekt soll dazu dienen, Bürger, Vertreter von Politik, Vereinen und Verbänden und Unternehmen in Sachen Klimaschutz zu vernetzen und gemeinsam Aktivitäten zu entwickeln.
Am 10. Oktober treffen sich interessierte Teilnehmer im Albert-Einstein-Gymnasium zur ersten Klimawerkstatt. „Gemeinsam sollen Themen und Maßnahmen besprochen werden, die entscheidend sind, um das angestrebte Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu erreichen“, sagt der Klimakoordinator der Stadt, David Quinque. Bürger, die nicht dabei sein können, sind aufgerufen, sich mit ihren Ideen für ein klimaneutrales Buchholz über das Portal www.klimaforum.buchholz.de zu beteiligen.