Nenndorf. Mehrere Eltern stellten Strafanzeige. Neuer Betreuer war in AWO-Kindertagesstätte als “Springer“ eingesetzt. Polizei ermittelt.
Es ist ein schrecklicher Verdacht, dem die Polizei im Landkreis Harburg jetzt nachgeht. Einem Mitarbeiter der AWO-Kindertagesstätte in Nenndorf (Gemeinde Rosengarten) wird vorgeworfen, mindestens ein Kind in der Einrichtung sexuell missbraucht zu haben.
Landkreis Harburg: Eltern stellen Strafanzeige gegen Kita-Betreuer
Die Eltern haben Strafanzeige gestellt. Die Kita-Leitung rief die Betroffenen am Freitag zur Krisensitzung. Knud Hendricks, Leiter des Geschäftsbereich Kita bestätigt: „Es gibt einen angezeigten Fall von übergriffigem Verhalten in der Kita in Nenndorf. Wie viele Kinder allerdings tatsächlich betroffen sind, ist noch unklar. Es wurde von mehreren Eltern Strafanzeige gestellt.“
Der Vorfall wurde am Donnerstagabend gegen 22 Uhr bekannt, nachdem sich die Eltern des betroffenen Mädchens bei der Fachleiterin des Trägers AWO Soziale Dienste Bezirk Hannover gGmbH gemeldet hatten. Diese informierte daraufhin Stabsleiter Knud Hendricks. „Was genau in der Einrichtung vorgefallen ist, darüber können wir derzeit nur spekulieren“, sagt Hendricks. „Fakt ist, dass es offenbar zu einer Situation gekommen ist, zu der es in einer Kita nicht kommen darf.“
Eltern zur Krisensitzung in die Kita gebeten
Bei dem beschuldigten Mitarbeiter handelt es sich um einen neuen Kollegen, der erst zu Beginn des Kitajahrs im August eingestellt worden war. Der Mann war als sogenannter „Springer“ in der Einrichtung tätig, hatte in den vergangenen Wochen daher sowohl in den beiden Krippen – als auch in der Elementargruppe Kontakt zu den Kindern.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe am Donnerstagabend habe man die Polizei informiert, so Knud Hendricks. „Der Mitarbeiter wurde freigestellt.“ Am Freitag riefen Kitaleiterin Claudia Lorenz und Fachberaterin Cati Feddersen kurzfristig Eltern und Mitarbeiter zur Krisensitzung in die Kita. Auch Jugendamt, Kinderschutzbund, Kultusministerium und Gemeinde sind unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls informiert worden.
AWO betreibt 60 Kitas in Niedersachsen
Die AWO Soziale Dienste Bezirk Hannover gGmbH betreibt aktuell rund 60 Einrichtungen vom südlichen Niedersachsen bis Cuxhaven. Die Kita in Nenndorf gehört zu den jüngeren Einrichtungen. Sie wurde von der Gemeinde Rosengarten gebaut und im Januar eröffnet. Mit dem Neubau hat die Gemeinde 55 neue Betreuungsplätze für Kinder unter sechs Jahren geschaffen.
Der Bau der Kita war notwendig geworden, weil der Bedarf an Kitaplätzen auch im Landkreis Harburg im Zuge der Kita-Gebührenbefreiung rasant angestiegen war. Im März 2019 begannen die Bauarbeiten für das 1,6 Millionen teure Objekt, im Januar wurde der Schlüssel übergeben.
Rosengartens Bürgermeister sichert Aufklärung zu
Rosengartens Bürgermeister Dirk Seidler reagierte mit Entsetzen auf die Vorwürfe. „Es ist ein bedauernswerter Vorfall. So etwas darf nicht passieren. Die Gemeinde steht in ständigem Austausch mit dem Träger. Wir werden alles dafür tun, um den Vorfall aufzuklären.“
Die Gemeinde im Landkreis Harburg hatte sich im vergangenen Jahr unter mehreren Mitbewerbern für den Träger aus Hannover entschieden. „Wir kennen den Träger. Er ist professionell aufgestellt“, sagt Dirk Seidler. Die AWO betreibt bereits in Klecken seit 2002 eine Kindertagesstätte. Nenndorf ist die zweite AWO-Kita in der Gemeinde.
Schon zu deren Eröffnung gab es Schwierigkeiten. Da Fachpersonal für die Betreuung fehlte, konnte der Betrieb zunächst nur mit zwei statt der vorgesehenen drei Gruppen starten. Kitaleiterin Claudia Lorenz suchte händeringend Erzieher und Erzieherinnen für die neue Einrichtung. Vier Stellen wollte sie besetzen. Doch es gab keine einzige Bewerbung. Über den Träger, die AWO Soziale Dienste Bezirk Hannover gGmbH, hatte sie Stellen ausgeschrieben, es gab Zeitungsinserate und Plakate, die in der Region aufgehängt wurden.
Fast unmöglich, qualifiziertes Personal zu bekommen
So wie ihr geht es fast allen Kitas – und zwar bundesweit. Neun von zehn Kindertagesstätten in Deutschland haben zu wenig Fachkräfte, um eine hohe Betreuungsqualität aufrecht zu erhalten. Das ergab eine repräsentative Befragung des Verbands Bildung und Erziehung unter 2600 Kitaleitern.
Selbst Zeitarbeitsfirmen haben so gut wie keine Kapazitäten mehr. Und laut Umfrage braucht es mindestens drei Monate bis Kitaleitungen offene Stellen nachbesetzen können.
Männliche Kita-Erzieher sind wichtig als Vorbild
Die Freude im Team war daher groß, als im August ein neuer Kollege begrüßt werden konnte. „Jetzt stehen die Mitarbeiter unter Schock“, sagt Knud Hendricks. „Sie fragen sich, ob sie richtig hingeschaut haben – und ob sie den Vorfall hätten verhindern können.“
Grundsätzlich sei man für jeden männlichen Erzieher dankbar, denn im Kita- und Hortbereich fehle es an männlichen Vorbildern, so Hendricks. „Wenn es dann zu einem Missbrauchsfall kommt, zerstört dieser vorhandenes Vertrauen.“ Wichtig sei nun, den Fall mit Eltern und Kindern aufzuarbeiten. Sollte sich der Verdacht verhärten, drohen dem Mitarbeiter auch arbeitsrechtliche Konsequenzen.