Hamburg. „Hybrid-Semester“ an der TUHH bietet eine Mischung aus Vor-Ort-Veranstaltungen und virtueller Lehre im Internet an.

Im Hochsommer an den Winter denken – das ist für Prof. Kerstin Kuchta, Vizepräsidentin der Technischen Universität Hamburg (TUHH), derzeit Alltag. Sie ist für die Lehre an der Harburger Uni zuständig und jongliert zwischen dem Ziel, im Verlauf der Corona-Pandemie wieder zu einer Präsenz-Universität zu werden, bei der auf dem Campus studiert wird, und dem Umstand, weiterhin viel Stoff nur digital vermitteln zu können. „Die wichtigste Frage lautet: Wie wird der Winter?“, sagt sie. „Das können wir jetzt nicht wissen, aber wir hoffen, dass die Situation besser wird als im gerade beendeten Sommersemester.“

Das Wintersemester startet wie üblich formal am 1. Oktober, die Vorlesungen um einen Monat verschoben am 1. November. Kuchta und ihre Kollegen planen ein „Hybrid-Semester“, eine Mischung aus Vor-Ort-Veranstaltungen und virtueller Lehre im Internet. „Die Studienanfänger müssen auf den Campus kommen können“, sagt die engagierte Professorin für Abfallressourcenwirtschaft. „Die Erstsemester sollen erfahren, was es heißt zu studieren. Sie müssen Kommilitonen treffen, sich Orientierung verschaffen und nicht für sich allein zuhause lernen.“ Um den Neulingen den Einstieg ins Studium zu erleichtern, können die Erstsemester Vorlesungen im Audimax der TUHH besuchen. Natürlich unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln.

Im kommenden Wintersemester werden die Hörsäle der TUHH wieder etwas besser gefüllt sein. Aber durch die Abstandsregeln können sie nur lückenhaft besetzt werden.
Im kommenden Wintersemester werden die Hörsäle der TUHH wieder etwas besser gefüllt sein. Aber durch die Abstandsregeln können sie nur lückenhaft besetzt werden. © TUHH

Dabei macht das Abstandsgebot in dem wie ein Amphitheater konstruierten Hörsaal am meisten Probleme. Auf den 750 Sitzplätzen dürfen maximal 128 Studierende Platz nehmen. Jede zweite Reihe muss komplett frei bleiben, um den vorgegebenen Abstand wahren zu können. Nach jeder Vorlesung kommt Reinigungspersonal und desinfiziert alle freigegebenen Sitzplätze.

Die Interaktion mit den Studierenden fehlt

So viel Aufwand lässt sich nur für die rund 1500 Studienanfänger betreiben. Die mehr als 6000 anderen Studierenden werden ihre Professoren bei den Vorlesungen weiterhin nur auf dem Bildschirm sehen. Kerstin Kuchta bedauert das: „Die Interaktion mit den Studierenden fehlt. Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man vor einem leeren Hörsaal steht und seine Vorlesungen hält. Es besteht die Gefahr, dass man schwungvoll startet und mit der Zeit nachlässt, weil das Feedback fehlt. Ich habe auch schon mal in die unsichtbare Runde gesagt: ,Hier ist jetzt Applaus angebracht.‘ Da haben sich viele zugeschaltet und applaudiert oder ein Symbol klatschender Hände gesendet. Das tut gut.“

Als Kuchta im April 2019 das Vizepräsidentenamt für die Lehre übernommen hatte, ahnte sie nichts von den Herausforderungen, die da auf sie zukommen. Jetzt droht ihr Institut in den Hintergrund zu geraten, denn sie will die bestmöglichen Studienbedingungen schaffen. Videokonferenzen gehören längst zu ihrem Arbeitsalltag – auf ihrem Rechner ist inzwischen die Software von sechs Konferenzsystemen installiert. Ein Ziel lautet, dass möglichst viele Gruppenarbeiten, etwa praktische Übungen und vertiefende Tutorien, an der TUHH und nicht digital durchgeführt werden. Und das für alle Semester. Schließlich gelte es, Erfahrungen zu sammeln, von anderen zu lernen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. „Von den rund 1500 geplanten Veranstaltungen werden 800 bis 900 in Präsenz durchgeführt“, sagt Kuchta. Viele Veranstaltungen müssen die Professoren mehrfach durchführen, weil die Corona-Regeln es so wollen. Schließlich können nicht mehrere hundert Studierende gleichzeitig zusammenkommen.

Dichtgedrängt folgen die „Erstsemester“ einer Vorlesung in der TUHH. Das ist einige Jahre her. Wann es wieder einmal so voll sein wird im Hörsaal, entscheidet Corona.
Dichtgedrängt folgen die „Erstsemester“ einer Vorlesung in der TUHH. Das ist einige Jahre her. Wann es wieder einmal so voll sein wird im Hörsaal, entscheidet Corona. © dpa / Markus Scholz

Also wird es einen Schichtbetrieb geben: Viermal 90 Minuten Vorlesungen, Übungen, Tutorien oder Seminare, dazwischen jeweils eine Stunde Pause, in der die Studierenden coronagerecht den Raum oder Hörsaal betreten und verlassen sowie die Reinigungsarbeiten durchgeführt werden können. Kuchta: „Vielleicht brauchen wir auch noch einen Abendslot ab 18 Uhr, um die Räume optimal zu nutzen.“

Die Vizepräsidentin möchte zudem möglichst viele Räumlichkeiten schaffen, in denen Studierende an Rechnern arbeiten oder eine Vorlesung anhören können. Denn oftmals biete das Zuhause keine guten Lernbedingungen. Da wird der Stoff auf einen kleinen Laptop-Bildschirm reduziert, schlimmstenfalls auf ein Smartphone. Nicht immer ist die Internetversorgung gut genug, um den Vorlesungen unterbrechungsfrei folgen zu können. Sie werden zwar alle aufgezeichnet und können jederzeit erneut aufgerufen werden. Aber gerade in Studenten-WGs kann der Datenfluss ins Stocken geraten, wenn alle gleichzeitig Vorlesungen abrufen.

Feierliche Begrüßung der „Erstsemester“ fällt 2020 aus

Wichtig seien auch Orte, an denen drei, vier oder fünf Studierende zusammen lernen, sagt Kuchta. Im Hauptgebäude der TUHH stünden jetzt entsprechende Räume zur Verfügung. „Es läuft dann wie im Restaurant: Tisch namentlich reservieren und in den Gängen Maske tragen.“ Das noch in Bau befindliche Zentrum für Studium und Promotion werde Ende des Jahres bezugsfertig und dann zusätzliche Lernplätze bieten.

Noch läuft die Bewerbungsfrist für das Wintersemester 2020/21. Die großen Erstsemester-Begrüßungen in der TUHH und in der Harburger Innenstadt mit jeweils rund 1000 Teilnehmern müssen in diesem Jahr ausfallen. Es solle individuelle Begrüßungen geben, jeder solle dabei mindestens zwei Professoren live kennenlernen können, so Kuchta. Sie appelliert an technisch interessierte Abiturienten, jetzt trotz der Corona-Widrigkeiten den Schritt ins Studium zu machen und nicht abzuwarten.

Selbst im geplanten Hybrid-Semester werden sich ständig um die 2000 Leute auf dem Campus zwischen Eißendorfer Straße und dem Schwarzenberg aufhalten. Sie müssen so gemanagt werden, dass die Lern- und Arbeitsabläufe mit niedrigem Infektionsrisiko verbunden sind. Kuchta: „Wir müssen Lösungen haben, wenn jemand eine freie Stunde zwischen zwei Vorlesungen hat. Und auch in der Zeit, in denen die Räume gereinigt werden, können wir die Studierenden nicht im Regen stehen lassen.“ An solchen Fragen werde noch gebastelt, sagt die Vizepräsidentin.

43 Studiengänge

Fast 7900 Studierende waren 2019 an der TUHH eingeschrieben. Von ihnen begannen gut 1300 ihr Studium, starteten also in einem der Bachelor-Studiengänge. Fast ein Viertel der TUHH-Studenten kommen aus dem Ausland.

43 Studiengänge bietet die TUHH an: 14 mit dem Bachelor-Abschluss, 18 deutschsprachige Master-Studiengänge, neun internationale Studiengänge zum Master in englischer Sprache, ein Masterstudiengang mit Wirtschaftshintergrund in Kooperation mit dem NIT (Northern Institute of Technology Management) und ein Studiengang im Rahmen des Kooperationsprogramms Gewerblich-Technische Wissenschaften mit der Universität Hamburg.