Buchholz. Die Künstlerin eröffnet im September eine Malschule und Kunstgalerie im Buchholzer Stadtzentrum.
Neuerdings malt Julia Kotenko auf schwarzer Leinwand. 22 Quadratmeter stehen davon fein säuberlich eingerollt in einer Ecke des Ateliers. Ein Freund hatte sie besorgt. Ein Fehlkauf. Der erste Reflex war Verwunderung. Der Zweite ein Kopfschütteln. Und dann hat die Künstlerin einfach losgelegt, zwei Quadratmeter des dunklen Stoffs über einen Rahmen gespannt, den Pinsel in die Hand genommen und ein Bild gemalt, das zwei eng umschlungene Menschen mit Gasmasken zeigt. „Liebe in Zeiten von Corona“ hat sie die Arbeit genannt.
„Schwarze Leinwände sind mal etwas Anderes“, sagt Julia Kotenko. „Eine Herausforderung, die mich inspiriert.“ Das ist typisch für die Künstlerin mit russischen Wurzeln: nicht den Kopf in den Sand zu stecken, wenn etwas anders läuft als geplant, sondern neue Herausforderungen anzunehmen. Auch jetzt, wo der Kunstmarkt durch die Corona-Pandemie lahmgelegt ist, es keine Vernissagen und Ausstellungen mehr gibt und die Aufträge weggebrochen sind, schmiedet die Künstlerin neue Pläne.
Im September ist es soweit. Dann wird Julia Kotenko im Zentrum von Buchholz eine eigene Kunstgalerie und Malschule eröffnen. „sinnfall“ soll die Einrichtung heißen, in der nicht nur Malkurse für Kinder, Erwachsene und Menschen mit Handicap angeboten werden sollen, sondern auch Ausstellungen, Lesungen und kleine Konzerte geplant sind. Darüber hinaus sollen die Räume an der Bremer Straße an Künstler und Galerien vermietet werden können. „Und es wird Kooperationen mit anderen Künstlern und Designern geben“, sagt Julia Kotenko. „Ich möchte hier einen Ort schaffen, an dem Schmuck, Keramik und anderes Handwerk ausgestellt werden kann. Geplant sind außerdem Kunstauktionen und Workshops.“
Antistress-Mal-Kurse für Führungskräfte
Darüber hinaus will die Unternehmerin auch ungewöhnliche Angebote wie Antistress-Mal-Kurse für Mitarbeiter in Führungspositionen anbieten. Für die professionelle Anleitung sorgt die Künstlerin, die jede Menge Erfahrungen im Unterrichten mitbringt. Seit 2005 leitet sie die Malgruppe „Lichthaus“ in der „Alten Schule“ in Seppensen. Darüber hinaus unterrichtet sie seit 18 Jahren als Dozentin an der Volkshochschule Harburg und Rosengarten. Unzählige Menschen hat sie bei der Arbeit an der Staffelei begleitet, sie in Farblehre und Bildaufbau geschult und weitergegeben, was sie in ihrer Kindheit und Jugend in Russland gelernt hat.
„Es war eine harte Schule“, sagt die 50-Jährige über die Zeit an der Woroneschsker Kunst-Fachschule, an der sie 1989 ihr Diplom als Lehrerin für Technisches Zeichnen und Kunsterziehung gemacht hat. „In Russland durften wir nicht experimentieren. Es musste eins zu eins gemalt werden. Vorn saß das Aktmodell oder es wurde ein Stillleben aufgebaut. Davor saßen wir Studierenden und haben versucht, so perfekt wie möglich zu zeichnen.“
Die russischen Lehrjahre spiegeln sich in ihren Bildern wieder. Diese sind so exakt gemalt, dass sie von einer Fotografie kaum zu unterscheiden sind. Es sind Ölbilder und Aquarelle, Zeichnungen mit Pastellkreide und Bleistift, die zu ihrem Portfolio gehören. Sie arbeitet mit Kohle und Gouache, Schwarzlicht und Acryl. Wer bei ihr lernt, kann selbst entscheiden, welches Material am besten zu ihm passt. „Ich biete Kurse im Comic- oder Porträtzeichnen, in Aquarell-, Öl-, und Acrylmalerei“, sagt sie. Bislang hat sie dafür stets an wechselnden Orten unterrichtet. Künftig will sie ihre Angebote in der neuen Malschule bündeln.
Parallel zu ihren Plänen in der Nordheidestadt will die vierfache Mutter außerdem eine Dependance in Diersdorf auf dem Gelände der Ballett- und Tanzschule „Tanzwerk“ einrichten. „Geplant ist, eines der Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zum Tanzstudio als Malschule umzubauen“, sagt sie. „Während die Kinder im Ballettunterricht sind, können ihre Geschwister und Eltern bei mir das Malen und Zeichnen lernen.“
Mutter und Vater waren Technische Zeichner
Sie selbst ist das beste Beispiel dafür, was dabei herauskommen kann, wenn man schon in der Kindheit lernt, professionell mit Farben und Materialien umzugehen. „Mit vier Jahren habe ich meine erste Ausstellung in der Firma meiner Eltern machen dürfen“, sagt sie. „Mit zehn Jahren habe ich dann meine erste Auszeichnung bekommen.“ Ihre Eltern, beide Technische Zeichner, schickten ihre Tochter fortan in den professionellen Malunterricht. Als sie 1985 ihr Kunststudium begann, war sie gerade mal 15 Jahre alt.
Seitdem hat sie gemalt. Ununterbrochen. Porträts und Landschaften, Bilder von Gebäuden und Maschinen, Stillleben und Blumen. Und ausgestellt: seit ihrer Übersiedlung nach Deutschland 1998 insgesamt 42 Mal. Ihre Arbeiten waren in Lüneburg und Quedlinburg, in Hamburg, Buchholz und sogar im finnischen Järvenpää zu sehen. Ihre letzte Ausstellung im Buchholzer Rathaus beschäftigte sich mit einer neuen Technik. Zu sehen waren neonbunte Bilder, deren Farben sich erst unter Schwarzlicht entfalteten. Das war im Dezember 2019. Die für 2020 geplanten Ausstellungen, unter anderem in der Stadtbücherei, wurden wegen der Corona-Pandemie abgesagt.
Die Künstlerin darf dennoch dort malen. Sie wurde unter dutzenden Bewerbern ausgewählt, eine freie Wand im Eingangsbereich der Bücherei zu gestalten. Das Motiv zeigt ein weit geöffnetes Fenster, aus dem, Schmetterlingen gleich, die Bücher hinaus in die weite Landschaft fliegen – nach dem Motto: Lesen macht frei. „Malen auch“, findet Julia Kotenko.
Solidaritätsfonds
Die Stadt Buchholz unterstützt Vereine, Kulturschaffende und Künstler, die aufgrund der Corona-Pandemie in Existenznöte geraten sind, mit einem Solidaritätsfonds.
Der Fonds hat zum Ziel, das Kunst- und Kulturleben und die Vereinslandschaft in der Krise zu unterstützen und zu erhalten.
Die Anregung zur Gründung des Fonds, der Mitte Mai gestartet ist, kam von der Politik.
Die Stadt Buchholz, die Volksbank Lüneburger Heide, die Stadtwerke, die Buchholzer Wirtschaftsrunde e.V. und Buchholz Marketing e.V. unterstützen den Fonds.
Ein fünfstelliger Betrag konnte bereits an Vereine und Künstler ausgezahlt werden. Infos: www.buchholz.de