Stade. Professor am Hansecampus entwickelt acht Kilogramm leichtes Rennrad mit Hilfsantrieb im Rahmen. Was das E-Bike kann.
Vermutlich ist es das leichteste E-Bike der Welt: Marc Siebert, Professor am Hansecampus in Stade, hat ein Carbon-Fahrrad mit Elektroantrieb entwickelt, das nur acht Kilogramm wiegt. Äußerlich ist dem Hightech-Rad der Hilfsantrieb nicht anzusehen. Denn Antriebstechnik und Akku sind im Rahmen integriert.
Siebert lehrt am zur Privaten Hochschule Göttingen (PFH) gehörenden Hansecampus die Technologie von Faserverbundwerkstoffen. Zugleich baut Siebert als selbstständiger Unternehmer mit seiner Firma maßgeschneiderte Fahrradrahmen. „Ich habe das E-Bike für einen passionierten Radfahrer entwickelt“, sagt der Professor. „Er ist ein ambitionierter Rennfahrer und braucht nur am Berg die Unterstützung des Elektromotors. Dieser lässt sich bei Bedarf per Knopfdruck zuschalten. Ansonsten fährt sich das Rad wie ein normales Rennrad.“
Der Motor wird nur bei Geschwindigkeiten unter 25 km/h zugeschaltet
Damit unterscheidet sich das Konzept von den meisten E-Bikes. Die haben einen Radnabenmotor. Diese Antriebe sind immer im Dienst, nur die Intensität der Unterstützung ist variabel. Ist jedoch der Akku leer, erschwert der Motor das Treten der Pedalen. Das ist beim Siebertschen Prototypen nicht der Fall. Der Motor wird nur aktiv, wenn der Fahrer seine Leistung bei Geschwindigkeiten unter 25 Kilometern pro Stunde abruft.
Im Wettrennen um das leichtestes E-Bike liegt das Stader Gefährt vorn. Relative Federgewichte, die im Handel erhältlich sind, wiegen mehr als zehn Kilogramm. Noch leichter als Sieberts Prototyp sind Einzelanfertigungen, bei denen jedoch der Motor und Akku nachträglich außen am Rahmen eines herkömmlichen Fahrrads angebracht wurden. Das Stader Rad hat seinen Motor im Sitzrohr und den Akku im Unterrohr des Fahrradrahmens.
Der Akku reicht für 1,5 Stunden Unterstützung
Der Antrieb solle nicht versteckt werden, betont Siebert, „vielmehr wollte mein Kunde die Optik eines klassischen Rennrads haben. Er hat seine Trainingsgruppe gefragt, ob es für sie okay ist, dass er dieses Rad fährt.“ Zur technischen Optimierung ist der im Ruhestand befindliche Freizeitsportler mit dem E-Rennrad seit zwölf Monaten unterwegs und dokumentiert dabei seine Erfahrungen. Zum Beispiel ist er durch die Pyrenäen gekurvt. Bergauf liefert der Akku bis zu 1,5 Stunden lang zusätzlichen Anschub, genug Energie für sechsstündige Radtouren durch die wilde Berglandschaft.
Die wesentlichen Bauteile des neuen Rennrads sind aus hochfestem und sehr leichten Material gefertigt: Rahmen, Gabel, Sattelstütze, Sattel, Lenker, die beiden Räder und zwei Getränkehalter bestehen aus sogenanntem kohlenstofffaserverstärktem Verbundwerkstoff, kurz CFK, umgangssprachlich Carbon. Die in einem Kunststoffharz eingebetteten Kohlenstofffasern machen den Werkstoff sehr steif und lassen ihn auch bei hoher Belastung nicht ermüden.
Andere Teile, etwa die Schaltung und die Bremsen, sind aus Aluminium. Die Motorleistung von 200 Watt liegt im unteren Bereich von E-Bike-Motoren, da zusätzlicher Anschub nur phasenweise benötigt wird. Siebert: „Am Berg unter Volllast wird der Fahrer damit um 50 Prozent entlastet.“
Erste Hersteller interessieren sich für den Prototypen
Siebert möchte sein E-Bike gern am Markt sehen und hat seinen Prototypen im September auf der internationalen Leitmesse Eurobike in Friedrichshafen am Bodensee vorgestellt. Mehrere Hersteller haben Interesse gezeigt, berichtet er, mit einem habe er bereits ausführlich gesprochen. Ein besonderes Highlight sei der im Carbonrahmen integrierte Akku mit der Ladebuchse am Ende des rechten Lenkers – „die findet auch mein Kunde prima. Der Lenker ist gut zu greifen und wird beim Laden zur Buchse.“
Der Präsident der PFH Göttingen Prof. Frank Albe freut sich über Sieberts Erfinder- und Unternehmergeist: „Als Unternehmerhochschule begrüßen wir die innovativen und anwendungsbezogenen Initiativen unserer Professoren ausdrücklich. Denn die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen unmittelbar in deren Lehrtätigkeit an der PFH ein und machen unsere Studiengänge attraktiver.“
Als nächstes will Marc Siebert ein ultraleichtes Elektro-Handbike entwickeln
Das nächste Forschungsprojekt steht schon in den Startlöchern. Siebert will ein ultraleichtes Handbike mit Elektroantrieb für Menschen mit Handicap entwickeln. Ein entsprechender Forschungsantrag der PFH hatte Siebert beim Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gestellt. Kurz vor Weihnachten kam das vorzeitige Geschenk: der Zuwendungsbescheid zum Vorhaben „EMOB-REHA“. Dem Projekt stehen insgesamt rund 300.000 Euro zur Verfügung. 100.000 Euro bringt die PFH als Eigenmittel auf. Etwa 200.000 Euro kommen als EFRE- und Landesförderung hinzu.