Winsen. Fahrräder mit Elektromotoren zur Unterstützung, sogenannte Pedelecs, sind sehr beliebt. Wie fahren sie sich? Ein Selbstversuch.

Der Tag verspricht schön zu werden: Bei strahlendem Sonnenschein mit einem Zweirad ohne große Anstrengung durch den Landkreis gleiten, unterstützt von einem kleinen Elektromotor, der je nach Gusto mehr oder minder kräftig mit in die Pedale tritt. Es ist meine erste Begegnung mit einem Pedelec, und sie soll intensiv werden: 60 Kilometer lang bilden wir nun ein Team, strampeln von Winsen über Ramelsloh und Bendestorf nach Buchholz und zurück über Klecken, Maschen, Stelle zum Ausgangspunkt. Fazit: Wer beim Radeln richtig gut vorankommen will, ist mit einem Pedelec gut bedient.

Vor dem Losfahren macht Torsten Hospach, Geschäftsführer vom Bike Park Timm, eine kurze Einweisung: „Das Pedelec fährt sich eigentlich wie ein normales Fahrrad“, sagt er. „Es hat eine Sieben-Gang-Nabenschaltung. Mit vollem Akku können Sie je nach Fahrsituation und Gelände 80 bis 100 Kilometer zurücklegen.“ Der Händler übergibt ein Netzteil, das dem eines Computers ähnelt. „Mit dem können Sie an jede 220-Volt-Steckdose gehen.“

Zunächst ist von der Leichtigkeit des Fahrens wenig zu spüren: Das Zweirad der Marke Mammut E7R (Kaufpreis: 2300 Euro), ein Modell aus 2017, wiegt 25 Kilo, und die sind beim Anheben über eine Bordsteinkante spürbar. Dann ist der Radweg erreicht und der Hightech-Drahtesel zeigt, was in ihm steckt. Nach einigen Tritten ist vom Tacho Tempo 20 abzulesen. Die Strecke ist eben, aber es weht ein wenig Wind – wie immer beim Radfahren von vorn. Er ist deutlich im Gesicht und an den wehenden Flaggen eines Autohauses wahrzunehmen, nicht jedoch beim Treten.

Weiter geht’s durch Luhdorf Richtung Pattensen. Beim Rechtsabbiegen wird plötzlich die höhere Geschwindigkeit zum Problem. Obwohl deutlich abgebremst, war mein Mammut immer noch mit Tempo 18 unterwegs und konnte dadurch die Kurve nur mit Mühe kriegen. Ein Tipp für alle Pedelec-Anfänger: den Tacho im Blick haben, um ein Gefühl für die höhere Geschwindigkeit zu bekommen. Und auch auf die Wegstrecke achten. Das weitgehend mühelose Radeln verleitet dazu, den Blick über die schöne Landschaft, über Wiesen und (Spargel-) Felder schweifen zu lassen, oder sich am gerade blühenden Raps zu erfreuen, anstatt aufmerksam nach vorn zu schauen.

Beim „Sport“-Modus ist das Fahren eher unsportlich

Mammut, kraftstrotzend wie das gleichnamige Eiszeittier, bietet fünf Fahrmodi an: Wer viel Anstrengung oder Sport im Allgemeinen scheut, schaltet „Turbo“ ein. Vor allem beim Anfahren kommt fast schon erschreckend viel Schubkraft. Klar, dass dieser Modus viel Strom frisst und den Akku schnell entleert. Auch im „Sport“-Modus ist das Fahren, entgegen der Bezeichnung, eher unsportlich. „Tour“ ist ein gelungenes Mittelding aus gemütlichem Fahren und passabler Akku-Reichweite. „Eco“ schont mehr den Akku als den Fahrer, und „Off“ lässt das Pedelec zur normalen Tretmühle verkommen. Ab Tempo 25 verwehren alle Modi weitere Unterstützung.

Mit der Tour-Einstellung lässt sich gut Strecke machen. Die Gangschaltung sorgt dafür, dass verschiedene Fahrsituationen (Anschub, Steigung, Ebene, Abfahrt) komfortabel zu bewältigen sind. Wer mit vollem Akku auf kurzen Strecken unterwegs ist, kann aber auch im Turbo-Modus mit Tempo 23 bis 24 den Berg hinauffliegen.

Während der Fahrt kommt der Eindruck auf, dass jenseits der ausgewiesenen Radwege die Infrastruktur für radelnde Landkreisbewohner oder Touristen eher für langsamere Fahrer ausgelegt ist. Vielerorts werden Radfahrer durch runde blaue Radweg-Verkehrszeichen auf einen gemeinsamen Geh- und Radweg gezwungen. Dort ist ein Pedelec nicht gut aufgehoben. Grundstücksausfahrten ohne Sicht zur Straße stellen eine potenzielle Gefahr dar, die dazu zwingt, das Tempo deutlich zu drosseln.

Ein zwischen zwei Hecken herausrollendes Auto kann schnell zum Hindernis werden, spielende Kinder unversehens vor das Fahrrad laufen. Dagegen machen Baumwurzeln und andere Unebenheiten in den Asphaltbändern entlang der Landstraßen dem Pedelec dank guter Federung von Sattel und Vorderachse keine Probleme.

Nach knapp zwei Stunden mit einigen Unterbrechungen für Fotoaufnahmen und Landkartenstudien ist Buchholz erreicht. Akku und Fahrerin brauchen eine Pause zum Aufladen. Das Kraftpaket im Gepäckträger war bei Fahrtantritt zu 80 Prozent geladen. Jetzt leuchten nur noch zwei von fünf grünen Leuchtdioden und signalisieren einen Ladezustand von etwa 40 Prozent. Strom muss her. Da für das Aufladen eine halbe bis eine Stunde zu kalkulieren ist, macht es Sinn, dies mit einer Einkehr zum Beispiel in einem Stadtcafé zu kombinieren. Doch die Bedienung winkt ab: „Wir haben keine Außensteckdose“. Und ich kann das Pedelec schlecht in die Konditorei schieben – die Buchse für das Ladegerät sitzt am Fahrrad und nicht am Akku, sodass Mammut mit zur Steckdose muss.

Finanziell wäre die Hilfeleistung für den potenziellen Stromspender keine große Belastung: Wird der Akku mit 400 Wattstunden einmal komplett aufgeladen, liegen die Stromkosten bei gut zehn Eurocent. Das dauert aber einige Stunden, so dass jetzt eine Strommenge im Wert von höchstens fünf Cent gebraucht wird. Aber wie lässt sich ein Speiselokal mit Außensteckdose finden? Ein Marktbeschicker, der unweit des Cafés gerade seinen Stand abbaut, springt ein. Er lässt mich eine halbe Stunde lang Strom aus seinem Anschluss an der kommunalen Zapfsäule ziehen.

Bei Abfahrt glimmen drei Akku-LEDs. Das sollte für die Rückfahrt reichen. Sie führt versehentlich über einen schmalen Waldpfad mit Baumwurzeln – kein Terrain für Pedelecs. Auf der Strecke von Maschen über Stelle nach Winsen kommen Gegenwind und mehrere leichte Steigungen. Nach gut 50 Kilometern Strecke wäre das mit einem normalen Fahrrad kein Zuckerschlecken. Doch ich schalte auf „Turbo“ und flitze mit letzter Akkukraft zurück nach Winsen.