Harburg . Studenten und Mitarbeiter der TUHH spenden nicht benötigte Lebensmittel – und jeder darf sich mitnehmen, was er benötigt.

Abends 18 Uhr im Technikum der TUHH. Für die meisten Studierenden ist jetzt Feierabend, die letzten Lehrveranstaltungen beendet. Einige sitzen noch im Foyer zusammen, die meisten streben hinaus in die Dunkelheit. Nicht wenige von ihnen bleiben noch einmal an dem Regal und dem Kühlschrank in der Nähe des Ausgangs stehen und begutachten die Lebensmittel darin. Einige nehmen sich Bananen, andere etwas Gemüse oder Quark.

Karotten sind gerade ganz viele da – optisch nicht mehr ganz 1A aber immer noch überaus genießbar. Drei Studenten und eine Studentin diskutieren, was sie aus Zutaten aus dem Regal und aus dem, was in der WG-Küche noch vorrätig ist, gemeinsam kochen wollen – und packen ordentlich ein. Bezahlen muss hier am Fair-Teiler keiner.

Dafür darf aber jeder, der will, auch etwas mitbringen. Mit einigen sensiblen Ausnahmen ist alles willkommen. „Uns geht es darum, ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung zu setzen, und Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden an Leute zu verteilen, die gerade welche brauchen“, sagt Julika Zörner von der Hamburger Initiative Food-sharing, die den Fair-Teiler in der TUHH und anderen Standorten in Hamburg – davon drei weitere im Hamburger Süden – betreut.

1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel auf dem Müll

Den Food-Sharern geht es dabei nur am Rande um den sozialen Aspekt der Lebensmittelverteilung: „Bei unseren Fair-Teilern kann jeder Lebensmittel abholen“, sagt Julika Zörner. „Wir wollen uns gar nicht anmaßen, eine Bedürftigkeitsprüfung vorzunehmen. Es geht darum, dass Lebensmittel dafür verwendet werden, wofür sie produziert wurden, nämlich Menschen zu ernähren.“

Weltweit landen jedes Jahr rund 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel auf dem Müll. Das entspricht dem Ertrag einer bewirtschafteten Fläche der 1,5-fachen Größe des europäischen Kontinents. Allein in Deutschland sind es rund 18 Millionen Tonnen im Jahr. 40 Prozent davon sind noch genießbar, und das nicht etwa nur mit gutem Willen und Überwindung, sondern genießbar im Sinne des Wortes.

Und auch ein großer Teil der 60 übrigen Prozent landet nur im Müll, weil er nicht zur rechten Zeit am rechten Ort war und entweder vom Händler oder vom Kunden über die benötigte Menge hinaus gekauft wurde. Gerade im Handel wird gerne etwas zu viel bestellt und lieber einiges weggeworfen, als eventuell einen Kunden enttäuschen zu müssen.

Gezielte Überproduktion

Das führt zu einer gezielten Überproduktion, die eine ganze Reihe von Folgeproblemen auslöst. Da sind Umweltprobleme wegen des erhöhten Flächenverbrauchs; soziale Probleme, weil für hocheffiziente Produktion weltweit kleine Landwirte verdrängt werden oder Hunger, weil in Ländern, die nur noch für den lukrativen Export anbauen, Fläche fehlt, um die örtliche Bevölkerung zu ernähren.

Foodsharing als Initiative gegen Lebensmittelverschwendung gibt es in Deutschland seit 2012. Überproduzierte und nicht gewollte Lebensmittel werden vor der Tonne gerettet und unentgeltlich an Interessierte, Bedürftige und Organisationen verteilt. „Ziel ist es, die Wertschätzung für Lebensmittel zu steigern, Menschen für das Thema zu sensibilisieren und sich aktiv gegen die Ressourcenverschwendung einzusetzen.“, sagt Foodsaver Lennart Dünninger. Fast 300.000 registrierte Foodsharing-Nutzer gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz und mehr als 70.000 freiwillige „Foodsaver“.

Bisher wurden mehr als 29.000 Tonnen Lebensmittel vor der Vernichtung bewahrt. Das läuft nicht nur über Fair-Teiler, sondern auch über „virtuelle Essenskörbe“ auf der Internetplattform www.foodsharing.de. Registrieren kann sich jeder Privathaushalt, der Lebensmittel abzugeben hat. Restaurants oder Supermärkte werden aktiv angesprochen.

Mehrmals am Tag wird kontrolliert und gereinigt

„Viele der Supermärkte, die mit uns zusammenarbeiten, arbeiten auch mit den Tafeln zusammen“, sagt Julika Zörner. „Da treten wir dann nach hinten und gewähren den Tafeln Vorrang. Aber es gibt eben immer wieder Lebensmittel, die für die Tafeln nicht geeignet sind, die wir aber noch gut verteilen können.“

Hat ein Nutzer überschüssige Lebensmittel, kann er sie durch Foodsaver abholen lassen oder selbst zum Fair-Teiler bringen. Für letzteres muss man nicht registriert sein. „Was wir nicht verteilen dürfen oder wollen sind Alkohol und leicht verderbliche Risikolebensmittel mit Rohmilch, Rohei oder Hackfleisch“, sagt Julika Zörner. Nicht nur, aber auch deshalb werden die Fair-Teiler in der Regel mehrmals am Tag kontrolliert, aufgeräumt und gereinigt.

Im Hamburger Süden ist es ein Stamm von 35 Aktiven, der sich diese Arbeit teilt. Insgesamt gibt es in Harburg und Wilhelmsburg etwa 200 Foodsharer. Neben der praktischen Arbeit kümmern sich die Mitglieder auch um politische und Öffentlichkeitsarbeit und sind auch immer wieder mit Info-Ständen auf Straßenfesten – unter anderem mit dem „Smoothie-Bike“, mit dem man sich ein Mixgetränk aus geretteten Zutaten zusammenstrampeln kann.