Harburg/Buchholz. Nach den Vorfällen bei Helios haben sich mehr Eltern aus Harburg für eine Entbindung in anderen Kliniken entschieden.
Die Diskussion um die Geburtenstation in der Mariahilf Klinik zu Jahresbeginn hat offenbar Auswirkungen auf die Kliniken im Süderelberaum. Sowohl die Geburtenstation im Krankenhaus Buchholz als auch die geburtshilfliche Abteilung der Elbe Kliniken Buxtehude verzeichnen seit Frühjahr deutlich mehr Patientinnen aus dem Raum Harburg.
„Wir erleben in der Tat einen deutlichen Anstieg der Geburten in Buchholz“, sagt Dr. Friedemann Schulz, Chefarzt der Geburtshilfe und Gynäkologie im Krankenhaus Buchholz. „In den vergangenen zwei, drei Jahren waren es vor allem Eltern aus dem Nordkreis, zum Beispiel aus Meckelfeld, Seevetal und Rosengarten, die sich für eine Entbindung in unserem Hause entschieden haben. Seit diesem Jahr kommen sie auch vermehrt aus Harburg.“
50 Eltern haben sich gezielt gegen das Mariahilf entschieden
Seinen Schätzungen nach sind es aktuell rund 50 Eltern, die sich gezielt gegen eine Entbindung im Mariahilf und für eine Geburt in Buchholz entschieden haben.
Wie berichtet, sind die Geburtenzahlen an der Helios Mariahilf Klinik im ersten Halbjahr des Jahres um ein Drittel zurückgegangen, von 1040 auf 690. Auslöser für den Rückgang war der Weggang der Chefärztin der Geburtsklinik, Dr. Maike Manz. Die hatte nach nicht einmal zweijähriger Amtszeit bereits wieder gekündigt – und mir ihr vier Oberärzte.
Massiver Einbruch der Geburtenzahlen im ersten Halbjahr
Zudem hatten sie in einem Brandbrief die Zustände an der Klinik öffentlich kritisiert und den Vorwurf geäußert, dass Kliniken die Zahl von Kaiserschnitten durch falsche Anreize stark steigen lassen, weil diese weniger zeitaufwendig und von den Kassen besser bezahlt seien. Die Situation am Mariahilf spitzte sich weiter zu, als am ersten Februarwochenende der Kreißsaal zeitweilig wegen Personalmangels geschlossen wurde.
Die Vorfälle an der Klinik hatten einen massiven Geburteneinbruch zur Folge. Im April kamen nur 91 Kinder im Mariahilf auf die Welt. Im April 2018 waren es fast doppelt so viele. Und auch im Mai blieben die Zahlen ungewöhnlich niedrig. Aufgrund der Situation am Mariahilf verzeichneten nicht nur die Häuser mit Neonatologie im Norden der Stadt einen wachsenden Zustrom von Frauen aus der Region südlich der Elbe. Auch in den Kliniken im Harburger Umland, in denen es keine Versorgung Frühgeborener gibt, stieg die Zahl der Geburtsanmeldungen von Eltern aus dem Harburger Raum.
Viele werdende Mütter wanderten nach Buchholz ab
Hebamme Yvette Melcher, die zum zwölfköpfigen Hebammenteam in Buchholz gehört, bestätigt: „Wir hatten im August und September ein Drittel mehr Geburten als sonst im Schnitt. Darunter waren auch Familien, die sich im Mariahilf bereits angemeldet hatten und sich dann, aufgrund der negativen Schlagzeilen, für eine Entbindung im Krankenhaus Buchholz entschieden haben.“ Aufgrund steigender Nachfrage entsteht jetzt ein weiterer Kreißsaal im Buchholzer Krankenhaus.
Auch in den Elbe Kliniken Buxtehude sind die Geburtenzahlen in den vergangenen Monaten angestiegen. „Wir verzeichnen einen Zuwachs an Geburten aus den Bereichen Fischbek, Neugraben und Neu Wulmstorf“, sagt der Buxtehuder Betriebsleiter Arturo Junge. „Ob dies mit der starken Neubebauung in den Gebieten und damit einhergehend mit dem Zuzug vieler junger Familien zusammenhängt oder andere Gründe hat, lässt sich jedoch nicht ableiten.“
Die Versorgung in Buxtehude und Buchholz
- Im Krankenhaus Buchholz (Steinbecker Straße 44) kommen jährlich knapp 800 Kinder auf die Welt. Die Kaiserschnittrate liegt bei 27 Prozent (Bundesdurchschnitt 30 Prozent).
- In den Elbe Kliniken Buxtehude (Am Krankenhaus 1) kommen jährlich ca. 1000 Kinder zur Welt. Die Kaiserschnittrate liegt bei 20 Prozent.
- In beiden Häusern können Geburten ab der 37. Schwangerschaftswoche erfolgen. Für Notfälle steht ein Team aus Hebammen, Ärzten sowie ein kinderärztliches Notfallteam zur Verfügung.
- Info-Veranstaltungen mit Kreißsaalführung gibt es in Buchholz jeden ersten Dienstag im Monat um 19 Uhr, in Buxtehude jeden 2. Mittwoch (19 Uhr) und jeden 4. Sonntag (12 Uhr).
Fakt ist: Die Zahl der Geburten an der Buxtehuder Klinik liegt mit plus 50 (Stand November) deutlich höher als im Vorjahr. 948 Kinder kamen dort seit Januar auf die Welt. Darunter auch die kleine Merle aus Harburg. Ihre Eltern Geeske und Philip wohnen mitten im Harburger Stadtzentrum, nur ein paar Minuten vom Mariahilf entfernt. Zur Entbindung ihrer Tochter am 2. September nahm das Paar jedoch die Strecke nach Buxtehude in Kauf. „Wir waren durch die Vorfälle im Mariahilf verunsichert“ sagt die Mutter. „Daher haben wir uns in Buxtehude angemeldet.“
Mariahilf arbeitet an Wiederherstellung eines guten Rufes
Inzwischen verzeichnet aber auch die Helios Mariahilf Klinik wieder steigende Geburtenzahlen. Im Juni übernahm Dr. Mouhib Adjan die Leitung der Abteilung für Geburtshilfe und Perinatalmedizin am Mariahilf. Der gebürtige Syrer und erfahrene Arzt, der seit 30 Jahren in der Geburtshilfe tätig ist und zuletzt als Chefarzt an der Frauenklinik im Asklepios Krankenhaus Lich angestellt war, arbeitet seitdem daran, dass die Klinik ihren guten Ruf als Geburtsklinik im Hamburger Süden zurückgewinnt und werdende Eltern dem Krankenhaus wieder vertrauen. Offenbar mit Erfolg.
„Von Monat zu Monat entscheiden sich wieder mehr Frauen für eine Entbindung bei uns in der Klinik. Vom 1. Juni bis Anfang Dezember waren es 1302 Geburten“, sagt Sprecherin Lisa Klauke-Kerstan. „Wir sind auf einem guten Weg zur alten Stärke. Die Geburtenzahlen im November 2019 übersteigen sogar die Zahlen aus dem November 2018.“
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Auch die Geburtsanmeldungen seien seit Juni deutlich angestiegen. „Im Mai waren es noch knapp über 50 Anmeldungen und heute sind wir schon wieder bei guten 120 Anmeldungen pro Monat“, so Klauke-Kerstan. Insgesamt rechnet die Harburger Geburtsklinik in diesem Jahr mit über 1400 Geburten – also rund 600 Geburten weniger als im Vorjahr.
Geburtsklinik ist personell wieder auf einem guten Weg
Auch personell ist die Klinik knapp ein Jahr nach der Kündigung von Chefärztin Maike Manz und dem Weggang weiterer vier Oberärzte wieder fast vollständig besetzt. „Wir beschäftigen neben Dr. Adjan zwei Oberärzte, eine Fachärztin und 14 Assistenzärzte in der Geburtshilfe“, sagt Kliniksprecherin Lisa Klauke-Kerstan. „Ein weiterer Kollege stößt im Januar dazu, mit anderen Bewerbern sind wir in engen Gesprächen. Die vollständige ärztliche Besetzung ist also ein Ziel, das wir im kommenden Jahr erreichen.“
Für 2020 strebt die Harburger Klinik nach Abschluss der Bauarbeiten im Neubau außerdem die Prüfung zum Perinatalzentrum Level 1 an. Darüber hinaus wurden jetzt die Bauarbeiten für das ehemalige Gebäude B genehmigt. Hier soll 2020 das Elternzentrum einziehen, in dem Hebammen Kurse und Workshops für die Zeit vor, während und nach der Geburt anbieten.