Karoxbostel. Gemüsebeete, Streuobstwiese und Schulprojekte: An der Wassermühle Karoxbostel soll für 286.000 Euro ein Garten entstehen.
Vielfältige Gemüsebeete, Lernstationen, ein Sinnes-Parcours und ein Streuobstwiese – die Mitglieder des Vereins Wassermühle Karoxbostel planen nach der Sanierung des Anwesens ihr nächstes großes Projekt: ein Kultur- und Mitmachgarten auf dem Gelände des denkmalgeschützten Mühlen-Ensembles. Das Konzept ist bereits gründlich ausgearbeitet, Kooperationspartner wurden ins Boot geholt, auch die Finanzierung steht weitgehend. Rund 286.000 Euro sind für die Umsetzung erforderlich, Für die noch bestehende Lücke in Höhe von rund 21.0000 Euro hofft der Verein auf einen Zuschuss der Gemeinde Seevetal. Am kommenden Montag, 29. April, befasst sich der Planungsausschuss mit dem Antrag.
Der Karoxbosteler Kultur- und Mitmachgarten sollen Einheimischen und Besuchern, Jungen und Alten, Menschen mit und ohne Behinderung die Gelegenheit bieten, Naturerfahrungen in der für die Region typischen Kulturlandschaft zu machen. Nur die Identifikation mit der Region, in der man lebt, führe zum Schützen und Erhalten der natürlichen Lebensgrundlagen, heißt es in der Projektbeschreibung.
Mühlenverein will Identifikation mit der Region stärken
„Nur wer seine ländliche Umgebung mit ihren pflanzlichen, tierischen und menschlichen Bewohnern kennt, wird sich für ihren Erhalt einsetzen“, sagt die erste Vereinsvorsitzende Emily Weede. „Wir möchten deshalb die Identifikation mit unserer Heimatregion stärken.“ Dazu gehöre das Kennenlernen der einstmals so vielfältigen Kulturlandschaft, Naturerleben, Umweltbildung sowie das Vermitteln alter Techniken in natürlicher Umgebung.
Auf einer Fläche von etwa 2,5 Hektar ist ein Garten geplant, in dem durch Wissensvermittlung und praktische Gartenarbeit die Vielfalt der Region zwischen Marsch und Geest erlebbar gemacht werden soll. Zudem sollen Menschen mit Behinderung sowie ältere Menschen dort eine Chance erhalten, am öffentlichen Leben teilzuhaben. Die Planung liegt in der Hand des Lehrers und Landschaftsgärtners Heinrich Benjes.
Nutzgarten und Infosystem sind Teil des Gartenkonzepts
Das Konzept fußt auf sieben Pfeilern: einem Nutzgarten, kleinen naturnahen Lebensräumen, spielerischen Angeboten, Angeboten zur Sinnesschärfung, einem Infosystem, Anregungen für den eigenen Garten sowie der Vermittlung alter Handwerkstechniken. „Viele Menschen kennen Gemüse nur noch aus dem Supermarkt und haben keine Anschauung mehr von der jeweiligen Pflanze“, sagt Weede. In „Müllerin Doras Nutzgarten“ – benannt nach der letzten Müllerin in Karoxbostel – sollen deshalb nicht nur Kartoffeln, Radieschen, Kohlrabi und Kürbisse wachsen, sondern auch Blumenkohl, Schmorgurken, Spinat, Bohnen, Schwarzwurzeln und Erbsen. In Schaubeeten und einem Obstgarten soll das alte Gartenland der Mühle wieder aufleben.
Emily Weede hofft, dass auf diese Weise bei allen Generationen wieder ein Gespür dafür entsteht, was bei allen Annehmlichkeiten unserer heutigen Lebensweise auch verloren gegangen ist. „Während Kinder staunen, dass Erbsen in Schoten heranreifen, und vielleicht ihre erste Stachelbeere probieren, werden sich hier viele Erwachsene mit etwas Wehmut an ihre Kindheit erinnern, in der sie eine solche Vielfalt im Garten der Großeltern erleben durften“, beschreibt sie ihre Vision vom Gartenerlebnis. „Und die Großeltern freuen sich, das alles noch einmal zu sehen, und kommen ins Erzählen.“
Kulturgarten-Quiz für Kinder und Arbeitsblätter für Schulklassen
Für Schulklassen soll es Mitmach-Angebote geben. So könnten die Schüler in einem eigenen Gartenstückchen Pflanzen aussäen, pflegen und schließlich die Früchte ihrer Arbeit ernten. Außerdem soll es Arbeitsblätter mit Themenvorschlägen für Lehrer geben, damit Schulklassen den Garten auch ohne Unterstützung besuchen können. Für Kinder, die allein oder mit ihren Eltern auf Entdeckungsreise gehen wollen, ist ein Kulturgarten-Quiz geplant.
Der Nutzgarten soll in eine naturnahe Umgebung eingebettet werden. Mit flachen Teichen, feuchten Marschwiesen und Trockenmauern wollen die Aktiven vom Mühlenverein hier neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen schaffen, zum Beispiel für Frösche, Molche, Libellenlarven, Ameisenlöwen, Flechten, Moose, Buchweizen oder Mohn. Für Besucher sollen Ferngläser bereitstehen, damit sie die Vögel in den Hecken und auf der Streuobstwiese beobachten können.
Mit Audio-Guides, Ferngläsern und Lupen den Garten erkunden
Spielerische Angebote sind ein weiterer Pfeiler des Konzept. So sollen ein übergroßer Nistkasten, ein Spinnennetz zum Klettern und ein Wasserlauf mit Pumpe Kinder dazu bewegen, sich mit den Themen Natur und Garten zu beschäftigen. Auch für Erwachsene ist ein Sinnes-Parcours gedacht. „Die Stationen helfen, die Naturgesetze wie Schwingung, Schwerkraft, Polarität und Reflexion körperlich unmittelbar wahrzunehmen“, erklärt Weede.
Ein System aus beschrifteten Schildern, bebilderten Tafeln und einem Audio-Guide soll die Besucher darüber informieren, was es in dem Garten zu entdecken gibt. Zudem sollen sie Anregungen für den eigenen Garten erhalten, um diesen naturfreundlicher und schöner zu gestalten. Auf dem Projektgelände befinden sich die Fundamente einer Scheune, die in den 1950er Jahren abgebrannt ist. Diese soll wieder aufgebaut werden, um als Aufbewahrungsort für Gartengeräte und Maschinen zu dienen. Dabei könnten – so die Idee – aktive Vereinsmitglieder Schülern alte Zimmerertechniken sowie die Vorzüge von Lehmwänden und Holzbauten vermitteln.
Kooperationen mit Haus Huckfeld, Schulen und Landschaftsführern
Für das Gartenprojekt konnte der Verein mehrere Kooperationspartner gewinnen, darunter die zertifizierten Natur- und Landschaftsführer der Winsener Elbmarsch, das Haus Huckfeld, den Hegering Hittfeld, die benachbarten Grundschulen, die IGS Seevetal sowie die Flusslandschaft Elbe.
Um das Konzept für den Kultur- und Mitmachgarten auch umzusetzen, ist jedoch mehr als eine Viertelmillion Euro erforderlich. Der Verein Wassermühle Karoxbostel rechnet mit Investitionskosten in Höhe von 286.627 Euro. Über das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung wurden bereits 95.000 Euro Fördergeld bewilligt, weitere 100.000 Euro kommen von der Leader-Region Achtern-Elbe-Diek. 30.000 Euro sind bei der Niedersächsischen Bingo Umwelt-Stiftung beantragt und knapp 43.000 Euro steuert der Verein aus Eigenmitteln bei. Ein Zuschuss in Höhe von 21.066,73 Euro ist bei der Gemeinde Seevetal beantragt.
Der Verein hat 1200 Mitglieder
Der Verein Wassermühle Karoxbostel wurde 2012 gegründet. Mit seinen rund 1200 Mitgliedern ist er der größte Mühlenverein in Deutschland. Sie zahlen einen Jahresbeitrag von zehn Euro. Weitere Einnahmequellen sind Spenden.
Die Sanierung des denkmalgeschützten Ensembles dauerte fünf Jahre. Mit ihren regelmäßigen Arbeitseinsätzen gelang es den Mitglieder, das verfallene Anwesen rund um das reetgedeckte Haupthaus von 1817 wieder aufzubauen.
Der Landesdenkmalpreis der Niedersächsischen Sparkassenstiftung ging 2016 an den Verein, 2018 erhielt der Verein den deutschen Preis für Denkmalschutz. Die Wassermühle ist seit 2017 vom niedersächsischen Kultusministerium als „außerschulischer Lernort in einer Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) zertifiziert.
Mit dem Haus Huckfeld und den Elbewerkstätten bestehen seit 2012 Kooperationen. Zudem bietet der Verein verschiedene Kulturveranstaltungen an.