Altenwerder. Die HPA plant, die Vollhöfner Weiden abzuholzen. Naturschützer wollen sie erhalten. Wie das Stück Land zum Politikum wurde.

Mit viel gutem Willen ist das Gehölz auf den Vollhöfner Weiden nördlich der alten Süderelbe in Altenwerder 30 Hektar groß. Politisch könnte das kleine Stück Land – vor der Bürgerschaftswahl – allerdings eine ganz große Nummer werden. Die Hafenbehörde Hamburg Port Authority möchte hier Logistikflächen schaffen.

Dafür müssten die Bäume fallen. Und dagegen wird Widerstand organisiert – aus unterschiedlichen Gründen. Jeden Sonntag treffen sich Gegner der Rodung und Menschen, die einfach nur interessiert sind am Rand des bereits bestehenden Industriegebiets und spazieren durch den Wald. Ihre Zahl wächst von Wochenende zu Wochenende. Waren es vorigen Sonntag noch etwa drei Dutzend, sind es diesmal schon 120.

Besetzung wie im Hambacher Forst?

Mit dabei sind viele Finkenwerder, die befürchten, dass ihnen der Hafen mit dieser Erweiterung zu sehr auf die Pelle rückt und sie über die alte Süderelbe hinweg bald auf Hallenrückseiten, statt auf Pappeln und Birken blicken. Es sind auch junge Aktivisten dabei, die schon einmal die Bäume nach besetzungsfähigen Exemplaren absuchen – der Hambacher Forst lässt grüßen. Jung und alt sind dabei, Kinder, Eltern und Senioren aus ganz Hamburg.

Das Gehölz auf den Vollhöfner Weiden hat schon den Spitznamen
Das Gehölz auf den Vollhöfner Weiden hat schon den Spitznamen "Völli" © xl | Lars Hansen

Jan Mewes aus Finkenwerder gibt den Naturführer. Der studierte Biologe ist im Verein „Schlickfall“ aktiv, der das Finkenwerder Naturschutzgebiet Westerweiden betreut.. Zwei Stunden lang führt er die Gruppe durch die Bäume.

Im Zickzack wirkt’s riesig

Im Zickzack begangen wirkt das kleine Waldstück beinahe riesig, auch wenn man nach Norden und Süden immer beide Enden sieht. Auch in der Beschreibung durch die Naturschutzverbände wird das Areal immer größer.

Sollte es vor kurzem noch 45 Hektar groß sein, sind es in neueren Schriften schon 50. „Das ist natürlich eine Frage der Interpretation und Definition“, sagt Mewes.

Wald wird hier „Völli“ genannt

Wirklich viele Bäume umfasst der Vollhöfner Wald nicht. Der „Völli“, wie das Gehölz in Anlehnung an „Hambi“, den Hambacher Forst genannt wird, steht auf etwa 30 Hektar Land. Die 45 Hektar, die die HPA überplant, beinhalten auch Felder und Viehweiden. Und die restlichen fünf Hektar haben sich die Aktivisten außerhalb des Gebiets geliehen.

Das Waldstück ist in den vergangenen vier Jahrzehnten wild auf einem Spülfeld gewachsen. Das macht es tatsächlich einzigartig, denn hier hat kein Mensch eingegriffen. Es ist sozusagen tatsächlich ein junger Urwald aus Pappeln und anderen Pionierhölzern.

Mewes zieht Vergleiche mit Teilen des bayerischen Waldes und vermutet, dass hier ein seltener Schwarzstorch genistet haben könnte, dessen Kadaver man in der Nähe fand. Genau weiß man es aber nicht.

Schnecken, Kröten und Raupenspuren

Vom Brennnesseldickicht bis zu den Baumspitzen hat hier allerdings alles einen besonderen Charakter, weiß Mewes zu erzählen und zeigt Schnecken, Kröten und Raupenspuren. Die Gruppe hört lange gespannt zu. Nach einer Stunde machen sich allerdings die ersten Süchte bemerkbar.

Einige Waldschützer drehen sich Zigaretten, andere holen das Smartphone heraus und treffen Verabredungen für den Nachmittag. Ein Urwald mit Handyempfang.

Die Bürgerschaftskandidatin der Grünen für Süderelbe, Gudrun Schittek, hat das Thema Vollhöfner Weiden für sich entdeckt und rührt massiv die Wahlkampfwerbetrommel damit. Als derzeitige Bezirksabgeordnete hat sie die Harburger Bezirksversammlung im Frühjahr dazu gebracht, einstimmig für den Erhalt der Bäume zu votieren.

Jan Mewes (l.) zeigt eine junge Kröte, die im Wald lebt
Jan Mewes (l.) zeigt eine junge Kröte, die im Wald lebt © xl | Lars Hansen

Auch im Entwurf des rot-grünen Bezirkskoalitionsvertrages wird die Forderung aufgenommen. Nicht einmal die CDU möchte da hintenanstehen: Sie beantragt, dass die neue Bezirksversammlung den Beschluss vom Frühjahr bekräftigen möge.