Lüneburger Heide. Zwei Planwagen stürzten um, mehr als 30 Menschen wurden verletzt – Tourismus-Chef plant Treffen mit Kutschern.
Der letzte ähnlich folgenschwere Unfall in der Heide ereignete sich vor mehr als zehn Jahren – in dieser Woche verunglückten hier gleich zwei Passagier-Kutschen, am Mittwoch in Egestorf, am Donnerstag in Schneverdingen. Die Bilanz: Dreißig Verletzte, zehn von ihnen schwer. Eine Seniorin schwebte zeitweilig in Lebensgefahr.
Die zwei Unglücke sind sich erstaunlich ähnlich: In beiden Fällen sollen defekte Bremsseile verantwortlich gewesen sein. Sowohl in Egestorf als auch in Schneverdingen versuchten die Kutschfahrer noch, die Wagen auf eine Böschung zu lenken, um die Geschwindigkeit zu drosseln. In Egestorf stürzte der Planwagen an der schrägen Böschung, in Schneverdingen brachte der Zusammenstoß mit einem großen Feldstein die Kutsche zum Kippen.
Unter den Heide-Kutschern ist die Stimmung nach den Vorfällen gespalten. Heinrich Tewes, der ab Müden (Örtze) Kutschfahrten organisiert, stimmen die Unfälle nachdenklich. Er befürchtet, dass Aufträge wegbleiben könnten: „Ich wurde von Kunden schon darauf angesprochen“, sagt er. Egestorf und Schneverdingen hätten ihn sensibilisiert, er werde die Ausrüstung nun noch besser prüfen.
Kutscher haben keine Angst vor Stornierungen
Jürgen Reimer und seine Frau Christine organisieren exklusive Kutschfahrten für kleinere Gruppen und Paare durch die Lüneburger Heide. „Bei Autofahrten sterben in Niedersachsen statistisch gesehen 1,3 Menschen am Tag“, sagt Jürgen Reimer. „Unfälle auf Kutschfahrten sind im Vergleich viel seltener. Dass jetzt zwei Unglücke direkt hintereinander passiert sind, ist einfach blöd gelaufen.“ Angst, dass die Vorfälle den Kutschtourismus in der Lüneburger Heide beeinträchtigen könnten, hat er hingegen nicht. „Über Flugzeugabstürze wird auch immer groß berichtet, und trotzdem fliegen die Leute immer noch.“
Margret Hedder ist Geschäftsführerin der Bispingen Touristik. Die Vorfälle hätten Besorgnis ausgelöst, sagt sie. „Eine Mutter hat storniert, weil ihr das Risiko für sie und ihre Kinder zu hoch war“, berichtet sie.
Stimmung ist auch bei den Fahrgästen geteilt
Ähnliches musste der Undeloher Hof erfahren. Auch hier haben die Kunden Bedenken und fragen sich, ob es überhaupt noch ratsam ist, Kutsche zu fahren. „Ein Busfahrer rief morgens an und sagte, dass die Hälfte seiner Gäste nicht mehr mitfahren möchte“, erzählt Heini Werner Brunkhorst. Kutscher Christoph Prigge ist fest davon überzeugt, dass kein menschliches Versagen Schuld an den Unfällen war. „Alle Kutscher in der Heide haben eine Ausbildung und sind sehr erfahren. Unfälle passieren aber leider überall.“ Er betont, dass jeden Morgen geprüft werde, ob mit Reifen, Bremsen und Achsen alles in Ordnung ist. Eine jährliche Kontrolle durch den TÜV ist Pflicht.
Auch die Stimmung der Besucher in Undeloh ist geteilt. „Es gibt einem zu denken. Aus meiner Reisegruppe halten viele vorerst Abstand“, berichtet die Eidelstedterin Ellen Kann. Andere Gäste sagen wiederum, dass sie keine Angst haben und sie jederzeit wieder eine Kutschfahrt machen würden.
Ulrich von dem Bruch leitet die Geschäfte der Lüneburger Heide GmbH. Er wird sich zum Ende der Saison mit den Kutschern zusammensetzen, um über die Geschehnisse zu beraten. „Jetzt hoffen wir erst einmal, dass alle Betroffenen schnell wieder gesund werden“, so von dem Bruch.