Rosengarten/Veddel. Vier Jungs aus der Gemeinde Rosengarten halten das historische Schiff von 1911 fahrtüchtig. Ende Juli reisen sie von Hamburg nach Hoya.

Dass die Brüder Krantz lieber ölverschmiert und rußüberzogen unter Deck schuften anstatt sich an den Elbstrand zu legen und die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, daran ist Opa Rudolph hat Schuld. Wenn man überhaupt von „Schuld“ sprechen kann, wenn es darum geht, die eigene Passion weiterzugeben. Rudolph Krantz jedenfalls war es, der die Jungs, kaum dass sie laufen konnten, mit in seine Werkstatt nahm, sie schrauben ließ und ausprobieren. Und der sie mitschleppte – zu jedem Dampftreffen in der Region. „Wäre unser Opa nicht gewesen, wir wären heute sicher nicht hier“, sagt Jonas Krantz. „Er hat uns mit dem ,Virus Dampf’ infiziert.“

Malte Lindner (Mitte hinten) und die drei Brüder Jonas, Tim und Stephan Kranz (v.l.) sind am liebsten gemeinsam im Maschinenraum des historischen Dampfeisbrechers im Einsatz.
Malte Lindner (Mitte hinten) und die drei Brüder Jonas, Tim und Stephan Kranz (v.l.) sind am liebsten gemeinsam im Maschinenraum des historischen Dampfeisbrechers im Einsatz. © HA | Hanna Kastendieck

Ein Virus, der offenbar ein Leben lang bleibt. Inzwischen sind Jonas, Tim und Stephan Krantz, die alle drei in Klecken leben, 21, 25 und 28 Jahre alt. Erwachsene Männer, die im Berufsleben stehen. Und die sich dennoch die kindliche Begeisterung für ein außergewöhnliches Hobby erhalten haben. Fast jede freie Minute verbringen die Brüder auf dem Dampfeisbrecher „Elbe“, dem einzigen erhaltenen dampfbetriebenen Flusseisbrecher Deutschlands. Sie sorgen dafür, dass die Maschinen funktionstüchtig bleiben, heizen die Kessel an und bringen das historische Schiff die Sommermonate über auf volle Fahrt.

Zum harten Kern der Crew gehören neben den Brüdern Krantz, ihr Mitstreiter Malte Lindner und Schiffsführer Uwe Adrian. Sie sind auf fast jeder Fahrt im Einsatz, auch wenn der Förderverein Dampfeisbrecher Elbe e.V. insgesamt 30 Mitglieder zählt. Der Ablauf vor jeder Tour ist immer gleich: Zwei Tage vor Fahrtbeginn heizen Heizer Tim und sein Bruder Stephan den Kessel an. Eine dreiviertel Tonne wird allein bei stehendem Betrieb verbraucht. „Es ist ein spannender Moment, wenn die Maschine warmläuft“, sagt Maschinist Jonas Krantz. „Dann sehen wir, ob alles reibungslos funktioniert.“

Jungs halten die Maschine funktionstüchtig

Die Jungs kennen die Zweizylinder-Expansions-Dampfmaschine, deren Maschinenleistung 280 PS beträgt, bis ins Detail. Und sie sind stolz darauf. „Sie wurde nur zweimal gebaut“, sagen sie. „Es ist ein grandioses Gefühl, sie erfolgreich funktionstüchtig zu halten.“ Das Wissen haben die Crewmitglieder nicht nur von ihrem Großvater, sondern auch von den vielen Treffen mit Gleichgesinnten in Deutschland. Hinzu kommt, dass sowohl die Brüder Krantz als auch Malte Lindner in Metallberufen arbeiten. Sie haben ihr Handwerk von der Pike auf gelernt. „Die Dampfmaschine ist der Vorgänger vom Dieselmotor“, sagt Malte Lindner, der auf dem Schiff nicht nur als Maschinist, sondern auch als technischer Leiter fungiert. „Dadurch lässt sich vieles ableiten. Der Rest erschließt sich durchs Zusammenbauen.“ Auch er ist von Kindesbeinen an mit dem „Dampf-Virus“ infiziert. Sein Vater fährt als Maschinist auf dem Schleppdampfer Woltman, der im Museumshafen Oevelgönne liegt. Er nahm seinen Sohn mit. Und dieser lernte dort Stephan Krantz kennen, der damals noch auf dem Woltman im Einsatz war. Gemeinsam wechselten sie 2012 auf den Dampfeisbrecher Elbe.

Damals: Das alte Foto zeigt die Heizer und Maschinisten im Maschinenraum des Dampfeisbrechers „Elbe“.
Damals: Das alte Foto zeigt die Heizer und Maschinisten im Maschinenraum des Dampfeisbrechers „Elbe“. © HA | Hanna Kastendieck

Das Schiff lag bereits seit 2001 in Hamburg. Der Schiffsenthusiast Matthias Kruse hatte den Dampfer in den Niederlanden gefunden und wollte es vor dem Verfall retten. Dorthin war das Schiff, das bis 1971 im regelmäßigen Betrieb für das Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg auf der Elbe unterwegs war, nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst verkauft worden. „Das Schiff lag auf dem IJsselmeer und wurde von irgendwelchen Aussteigern bewohnt“, erzählt Malte Lindner. „Sie hatten Teile des Interieurs rausgerissen und verbrannt, um das Schiff zu heizen.“

Die Crew des Eisbrechers arbeitet ehrenamtlich

Fünf Jahre dauerten die Restaurierungsarbeiten an dem Flusseisbrecher. 2006 ging das Schiff das erste mal wieder auf Fahrt. Und ist seitdem jedes Jahr zwischen Ostern und Oktober auf den Flüssen in Deutschland unterwegs: zu Osterfeuern und dem Hafengeburtstag, den Cruise Days und der Elbfest-Traditionsschiffparade. Es gibt Ausflugsfahrten an die Oberelbe, nach Lauenburg und Geesthacht, in die Elbtalauen und durch den Elbe-Lübeck-Kanal. 150 Gäste finden auf dem urigen Flusseisbrecher Platz Und jeder von ihnen ist willkommen. Denn ohne Passagiere wäre der Erhalt des Schiffes auf Dauer nicht finanzierbar. „Um die 10.000 Euro Kosten haben wir für die Kohle, hinzu kommen Ausgaben für Reparaturen, Abnahmen, Kessel-TÜV und Versicherungen“, sagt Malte Lindner. „Und alle fünf Jahre muss das Schiff in die Werft.“ Zirka 50.000 Euro an Kosten pro Jahr müsse man schon einplanen.

Vieles auf der Kommandobrücke ist noch heute originalgetreu erhalten, so zum Beispiel das Steuerrad.
Vieles auf der Kommandobrücke ist noch heute originalgetreu erhalten, so zum Beispiel das Steuerrad. © HA | Hanna Kastendieck

Damit das Ganze nicht noch teurer wird, arbeitet die Crew selbstverständlich ehrenamtlich. „Es geht uns darum, dieses Kleinod zu erhalten“, sagt Jonas Krantz. „Denn wenn das einmal weg ist, kommt es nie wieder.“ Glücklicherweise hat die Mannschaft der „Elbe“ an ihrer Arbeit so viel Spaß, dass ans Aufhören überhaupt nicht zu denken ist. „Das, was wir machen, hat Suchtcharakter“, sagt Stephan Krantz. „Wenn das Schiff den ganzen Tag gefahren und die Maschine reibungslos gelaufen ist, bekommt man viel zurück.“

Dennoch weiß die Crew, dass die ,Elbe’ ohne sie nicht mehr fahren würde. Und dass es wichtig wäre, mehr Leute für das Projekt zu gewinnen, um das Schiff langfristig zu erhalten. Um den „Dampf-Virus“ weiterzugeben, starten sie Ende Juli zu ihrer bislang größten Tour. Diese geht von Hamburg über Lüneburg, Uelzen, Braunschweig bis nach Hoya. Und wieder zurück. Für die nostalgische Fahrt, bei der es statt Motorengeräusch viel Dampf und spannende Einblicke in die alte Technik gibt, sind noch Plätze frei.

Das Schiff

Der Dampfeisbrecher „Elbe“ wurde 1911 im Auftrag der königlich-preußischen Elbstromverwaltung für den Dienst auf der Oberelbe bei der Schiffswerft & Maschinenfabrik Gebrüder Wiemann in Brandenburg an der Havel gebaut.

Das Schiff ist 30,3 m lang, 7,45 m breit und hat einen Tiefgang von 1,60 m. Es blieb als einziges von acht gebauten Eisbrechern erhalten und ist der letzte dampfbetriebene Flusseisbrecher Europas.

Der Förderverein hat sich zum Ziel gesetzt, dieses technische Denkmal zu erhalten. Infos: www.dampfeisbrecher.de