Kreis Harburg. Auszubildende sind umworben. Wie sich Unternehmen in der Region auf die Bedürfnisse der Nachwuchskräfte einstellen und damit Erfolg haben.
Im Frühjahr 2018 entschloss sich Frank Soetebier, der Chef der gleichnamigen Dorfbäckerei in Winsen, zu einem weitreichenden Schritt. Er kaufte 40 japanische Kleinwagen und stattet mit ihnen seitdem seine Belegschaft aus. Nicht reine Gr0ßzügigkeit steht hinter der Entscheidung, sondern vielmehr die Notwendigkeit, weiter gute Mitarbeiter und vor allem ausreichend Auszubildende zu bekommen. Die Aktion hat Erfolg: Derzeit bildet das Unternehmen in den vier Berufen Bäcker, Konditor, Bäckerei-Fachverkäufer und Bürokaufmann aus. Allein 14 Lehrlinge, unter ihnen zahlreiche Flüchtlinge stehen bei Soetebier unter Vertrag. Ihre Übernahme nach erfolgreicher Prüfung gilt dabei als obligatorisch.
Mehr Ausbildungsplätze als Bewerber
Der Unternehmer kämpft für seine Branche genau wie viele Handwerker um „die besten Leute“. Dabei wurde ihm rasch klar, dass er noch mehr bieten muss als eine besonders gute Ausbildung. Ein Schlaglicht auf die Lage im Landkreis Harburg werfen dazu Zahlen der Arbeitsagentur Lüneburg-Uelzen. Kamen vor zehn Jahren Ende Juni 2009 noch 789 Bewerber auf 303 unbesetzte Lehrstellen, so sind es derzeit 557 Bewerber auf 626 freie Ausbildungsplätze. Das Verhältnis zwischen Bewerbern und freien Ausbildungsplätzen hat sich also über die Jahre hin gedreht. Hintergrund dafür dürfte nicht nur die Demografie, sondern auch der Hang vieler Absolventen zum Studium und gerade im Landkreis Harburg zudem die Orientierung nach Hamburg sein.
Auto und Führerschein werden finanziert
Wer als Lehrling bei Soetebier anfängt, bekommt nicht nur den Führerschein finanziert, sondern danach ein Auto gestellt. Versicherung, Steuern und Sprit für 15.000 Kilometer im Jahr inklusiv. Dazu kommen jeden Tag frische Arbeitskleidung, ein Frühstücksbuffet im Pausenraum für den gesamten Arbeitstag und Tickets für den Nahverkehr etwa zur Berufsschule. „Reisen mit der Schule sind bei uns Arbeitszeit und wir übernehmen die Kosten für solche Fahrten. Denn wir brauchen gut ausgebildete Fachleute“, sagt Soetebier, der das Unternehmen als Konditor und Bäckermeister in vierter Generation leitet.
Gerade die Mobilität spielt in großflächigen Landkreisen wie Harburg oder Lüneburg eine entscheidende Rolle. Denn mit öffentlichen Verkehrsmitteln können die jungen Leute oftmals gar nicht rechtzeitig vor Ort sein. So fahren auch die vier angehenden Maurer des Baugeschäfts Heinz Schumacher aus Neetze bei Lüneburg Firmenwagen. Nur den Sprit müssen sie selber zahlen.
Ein Personaltrainer für die Rückenschule wird gestellt
„Wir stellen zudem für alle gut 30 Mitarbeiter und die Auszubildenden eine Personal-Trainerin und Räume für eine Rückenschule, die nach Feierabend genutzt werden kann“, sagt Jannis Vogel, einer der drei Geschäftsführer des 1881 gegründeten Unternehmens, in dem sein Vater Stefan Hauptgesellschafter ist. Einmal im Jahr starten die Vogels mit der gesamten Belegschaft zum Betriebsausflug. „Im Januar waren wir bei der Baumesse in München und haben das mit einer Fahrt auf die Zugspitze verbunden. 2018 sind wir mit der Fähre nach Oslo gefahren “, sagt Jannis Vogel. Auch hier gilt: Selbstverständlich sind die Auszubildenden mit dabei.
Bei der Bahn gibt es Tablets für die Lehrlinge
Bei der Deutschen Bahn werden Lehrlinge jetzt zum Ausbildungsstart mit Tablets ausgestattet, um so das digitale Lernen zu stärken. Davon haben auch schon die im vergangenen Jahr eingestellten angehenden Eisenbahner profitiert, die derzeit in der Zugbildungs-Anlage in Maschen lernen.
Mietzuschuss von bis zu 350 Euro kann beantragt werden
Mehr als 20 Lehrlinge werden nun zum 1. September in Maschen nachrücken. Bundesweit erhalten zu diesem Termin insgesamt 2500 Auszubildende im ersten Lehrjahr ein Tablet. Die Bahn verdoppelt damit die Zahl der ausgegebenen Geräte. „Zwar sind die Tablets in erster Linie für die Ausbildung gedacht, sie dürfen aber privat genutzt werden“, teilt die Bahn dazu mit. Wer zudem jeden Tag mehr als 150 Minuten für die Hin- und Rückfahrt zur Lehrstelle braucht, kann einen Zuschuss für die Miete von bis zu 350 Euro erhalten.
Die Vorzüge bei der Winsener Dorfbäckerei haben sich bereits herumgesprochen. So hat Khan Aga Husseini, der als Flüchtling aus Afghanistan kam und nun im zweiten Lehrjahr zum Fachverkäufer ist, mehrere Freunde auf die Ausbildung angesprochen. Drei von ihnen sind nachgerückt und lernen jetzt im ersten Lehrjahr bei Soetebier.